Von Sog und Druck und Kopfgeburten

In einer bestimmten Zeit in Richtung auf ein Ergebnis, ein Produkt oder ein Ziel hin zu arbeiten – oder arbeiten zu lassen –  ist einer der Kerne des alltäglichen betrieblichen Arbeitens.

Zeit
Zeitnot
Zeitdruck
DEADLINE …

Es gibt Führungs- und Organisationsverständnisse, die sich im ganzen Spektrum von
„Ohne Druck bewegt sich keiner und nichts.“ (sic, mehrfach so gehört) bis
„Wer intrinsisch motiviert ist, arbeitet ganz von selbst und gerne.“
bewegen.

Mich beschäftigt derzeit folgende Frage: 1974z0aivue1ajpg
Druck benötigt Kraftaufwand – und zwar sowohl an der Stelle, wo er aufgebaut und eingesetzt wird, als auch dort, wo er auftrifft.
Sog hingegen ist weniger einfach zu fassen und zu beschreiben.

  • Wie entsteht Sog?
  • Wer oder was baut ihn auf und wieviel Kraft verlangt er dann von jenen, die in ihm in eine Richtung gesogen werden?
  • Wie sehen Zusammenarbeit, Koproduktion und Zielerreichung aus, wenn sie mit Hilfe von Druck erzeugt werden?
  • Und wie, wenn es ein Sog ist, der den Bewegungsimpuls setzt und die Zielrichtung anzeigt?
  • Wie gestalten sich (‚könnten-sich-gestalten-werden‘, Douglas Adams lässt grüssen [1]) Planung, Kooperation und gemeinsame Arbeitsprozesse dann?

Ein verwandtes Bild ist die Push- versus der Pull-Strategie, die mir aus meiner Logistikvergangenheit im Gedächtnis geblieben ist:

„Push Prinzip
Das Push-Prinzip setzt voraus, dass ein Gut dem Konsumenten nicht bekannt ist und der Nutzen dieses Gutes erst signalisiert werden muss. Dabei „drückt“ der Hersteller das Produkt auf den Markt, was ein „Schieben der Materialflüsse“ in den Handel zur Folge hat. Dabei „pusht“ der Handel die Güter in die Verkaufsregale und muss sich bemühen, Kunden, beispielsweise durch Werbung (Prospekte, Wurfsendungen) vom Kauf der Güter zu überzeugen. … Das Problem dabei ist, dass am Ende viele Güter nicht verkauft werden können und dann gewissermaßen unverkauft in Regalen stehen bleiben. … Beim Hersteller müssen aufgrund von Schätzungen Entscheidungen darüber getroffen werden, ob und wie viel produziert wird. Bestellungen im Handel erfolgen aufgrund von Prognosen. Dieses Prinzip kann auch dann eingesetzt werden, wenn ein neues Produkt auf den Markt kommt. Es besteht die Gefahr von Fehlkalkulationen.

Pull Prinzip
Beim Pull-Prinzip arbeiten Hersteller von Gütern und Händler zusammen. Das bedeutet konkret, dass Händler den Herstellern Informationen über Verkaufs- und Bestandszahlen liefern und die Hersteller der Güter dann die Warenversorgung sicherstellen. Bei diesem Prinzip handelt es sich um eine Steuerung des Verbrauches durch „Ziehen der Materialflüsse“. Nachbestellungen erfolgen aufgrund tatsächlicher Nachfrage und Güter werden kurzfristig produziert. Hierfür sind eine effiziente Logistik, schnelle Informationsflüsse und Informationsübertragung erforderlich. (https://www.logistik-info.net/diverses/push-vs-pull-prinzip/).

Hier muss ich, um das in meine heutige, nicht-logistische Umgebung zu übertragen, etwas Übersetzungsarbeit leisten, aber die Prinzipien klingen für mich sehr ähnlich wie diverse Auftrags- oder Führungsprozesse der Arbeitswelt im Allgemeinen.

Push  -> | <-  Pull      -> <-<-<- Sog   ?????

Ich möchte diese Fragen der Community zur Verfügung stellen und Interessierte bitten, mit mir zu denken oder gar Beispiele und Ideen zurückzuspielen in unserer Facebookgruppe ‚Forum Agile Verwaltung  Austausch und Kollegiale Beratung‚ oder – auch bei Facebook – auf der Seite des Forum Agile Verwaltung oder auch hier im Blog unten in den Kommentaren:

  1. Ist Sog etwas wünschenswertes? Vogelschwarmfederleichtes? Oder?
  2. Wie kann Sog überhaupt entstehen / entstanden werden im betrieblichen Umfeld? Mit oder ohne Führung?
  3. Was macht Sog mit den Menschen – im Vergleich zu Druck?
  4. Wieviel Kraft verlangt ‚Sogarbeiten‘ von jenen, die sich in eine Richtung gesogen werden lassen?
  5. Welche Auswirkungen erzeugt Druck, welche Wirkungen entstehen durch Sog? Für die arbeitenden Menschen und für die allfälligen Produkte?
  6. Wie sehen im Sog Zusammenarbeitsformen, Planungs- und Arbeitsprozesse und wie Methoden aus?

Danke für Eure Mithilfe und Hebammerei auf dem Weg zur Entstehung von anwendbaren Gedanken.

Herzlich grüsst in Vorfreude, von Euch zu hören          Veronika Lévesque

(Wenn ich schon etwas von Euch will, kann ich ja wenigstens auch briefhöflich grüssen und danken…)

Fussnote [1] aus Douglas Adams, ‚Das Restaurant am Ende des Universums‘ in Kapitel 15: „Das größte Problem [beim Zeitreisen] ist ganz einfach ein grammatikalisches, und das wichtigste Buch, das man zu diesem Thema heranziehen kann, ist ‚Das Handbuch der 1001 Tempusbildungen für den Reisenden durch die Zeit‘ von Dr. Dan Streetmaker. Es sagt einem zum Beispiel, wie man etwas auszudrücken hat, das in der Vergangenheit im Begriff war, einem zu widerfahren, bevor man ihm aus dem Weg ging, indem man in der Zeit zwei Tage nach vorn hopste. Das Ereignis wird nun unterschiedlich beschrieben, je nachdem, ob man aus dem Blickwinkel seiner natürlichen Zeit, einer Zeit in der weiteren Zukunft oder einer Zeit in der weiteren Vergangenheit darüber spricht, und es wird noch weiter kompliziert durch die Möglichkeit, dass man sich gerade darüber unterhalten kann, während man auf der Reise von einer Zeit zur anderen ist, um seine eigene Mutter oder sein eigener Vater zu werden. Die meisten Leser kommen bis zum Futurum des semiconditional modifizierten, sub-umgedrehten Intentionals des subjunktiven Praeteritum Plagalis, bevor sie aufgeben: und tatsächlich sind in späteren Auflagen des Buches alle Seiten hinter diesem Kapitel weiß gelassen worden, um Druckkosten zu sparen.“

Anmerkung – Diese Verformen werden dann noch vorgekommen habt im Kapitel…:
wirt sain-gevezz
wirtan hab-genomm
willon zugesech
nach vor-wenn
mochtan komm zu-wenn…..

Autor: Veronika Lévesque

Veronika Lévesque ist beim Institut für Arbeitsforschung und Organistionberatung iafob in Zürich (CH) Organisationsentwicklerin. Und Projektmensch mit einer Vorliebe für Fragen, für die es noch keine fertige Antwort gibt. Begeisterte Grenzgängerin: Unterwegs in 4 Ländern, 3 Sprachen und am liebsten in den Zwischenräumen zwischen Disziplinen. Schwerpunkte: Nutzbarmachung von Übergängen und Transformationshebammerei, Organisations- und Entwicklungshandwerk (Manufaktur, nicht von der Stange), Agile Spielfelder in nicht-agilen Umwelten, Methodenentwicklung, Umgang mit Nicht-Planbarem, Bildungssysteme vs. nicht-formale Bildungswege und 'Fehler machen schlauer.’

2 Kommentare zu „Von Sog und Druck und Kopfgeburten“

  1. Deine Fragen, liebe Veronika, üben einen Sog auf mich aus – oder empfinde ich einfach deinen Fragendruck als Antwortsog? Hast du eine magische Methode, Druck als Sog erscheinen zu lassen?

    Mir fallen zwei ganz heterogene Dinge ein. Zum einen bilden Sog und Druck nicht einfach eine Opposition. Zu Druck gibt es ein Verb („drücken“ – jemand drückt). Zu Sog gibt es kein Verb (ursprünglich war es „saugen“, aber das passt nicht mehr zum Substantiv). Man muss sagen „einen Sog ausüben“ – etwas eher Unpersönliches. Ein Etwas „sogt“, nicht ein Jemand.

    Und dann habe ich auch noch eine persönliche Erfahrung. Oft verspüre ich (völlig selbstbestimmt, vermutlich) die Lust, auf eine äußere Anregung zu reagieren und aktiv zu werden. (Zum Beispiel jetzt dieser Post von dir; es kann aber auch ein Buchabschnitt sein oder eine Erfahrung in einem Projekt.) Oft kann ich die Aktion nicht direkt umsetzen, weil Dringenderes Vorrang hat. Also schreibe ich mir diese lustvolle Aktion auf meine ToDo-Liste des Tages. (So auch heute.) Und auf einmal übt sie Druck aus. (So auch eben.) Die ToDo-Liste ist so etwas wie eine veräußerlichte Form, bei der ich mir selbst als „drückender“ quasi Vorgesetzter gegenübertrete. Reicht Sog bei mir nicht aus? Brauche ich Push, um aktiv zu werden?
    Aber es gibt auch Gegenbeispiele. Wenn ich mich mit einem oder mehreren Anderen verabrede, um etwas gemeinsam zu tun (zum Beispiel Pair-Writing) – dann brauche ich überhaupt keinen Druck. Sog pur. Genauso in Beratungsprojekten, wenn ich gerade mal keine Anleitungsfunktion wahrnehme, sondern mich als Gleicher unter Gleichen im Team fühle.
    Der motivierende Unterschied ist bei mir nicht zwischen extrinsisch und intrinsisch, wie es so en vogue ist. Sondern zwischen selbstbestimmter vergemeinschafteter Arbeit und dem trüben Rest

    Gefällt 2 Personen

    1. Als Verb zu Sog hätte ich ja ‚anziehen‘ gewählt. Aber ‚Von Druck und Anzug‘ fand ich als Gedankenhaus nicht so richtig aamächelig.
      Was mich umtreibt ist, was passiert, wenn wir die Energie, die wir oft in den Umgang mit Druck investieren – also Druck ausüben, Druck verarbeiten, Druck abwehren, Druck in nutzbare Power umbauen etc. – mehr darauf konzentrieren, das, was wir erreichen wollen UND den Weg dahin, so anziehend wie möglich zu machen. Und wie wir herausfinden, was für uns und andere anziehend ist. Und wo die Energie dann herkommt …. hingeht … … …?

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