Agiles Arbeiten muss schneller gehen

In einem Artikel im Tagesspiegel wird die digitale Reifungsgrad der Verwaltung diskutiert. Fehlende Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft oder nachzuholendes Mitspracherecht der Kommunen wird als Problem benannt. Thomas Bönig schreibt: “In Deutschland wird nur das Papier im gewohnten Prozess digitalisiert, statt diese für die Digitalisierung zu verbessern oder bei geringem Nutzen ganz zu streichen.“ Wir kennen das von vielen neuen Prozessen – erst füllt man alles online aus, und vor Ort noch mal alles händisch. Und während man zum fünften Mal seinen Namen und Geburtstag angibt fragt man sich – wo kommt das her?

Über den Wolken

Ein Beispiel. Ich arbeite in einem Projekt mit vier anderen Menschen zusammen. Ich sitze außerhalb der Verwaltung, sie mittendrin. Wir haben zwar alle einen Remote Zugang, müssen aber eine Vorlage erstellen. Gestern kam die Mail. Betreff: Grundsatzentwurf_Version5_LG_TO_HA. Im Anhang war ein Word Dokument, das bereits von drei Personen bearbeitet wurde und dann wie ein toter Fisch weitergegeben. In der Hoffnung, dass kein anderer aus dem Team zum gleichen Zeitpunkt am Dokument arbeitet, denn dann gibt es echte Probleme. Ich kenne nämlich keinen, der die „Dokumente zusammenfügen“ Funktion in Word beherrscht. Wir haben eine Möglichkeit im Team (es wird „Cloud“ genannt) in der Tat ist es aber eine Art „Zwischenspeicher“. Das heißt, wir können dort Dokumente hochladen, aber wenn wir sie bearbeiten wollen, müssen wir sie runterladen, abspeichern und dann nach der Bearbeitung wieder hochladen. Oder als Mail weiterleiten. Oder als mail weiterleiten und hochladen, dann blickt nämlich keine*r mehr durch, welches Dokument gerade das richtige ist.

Cloudlösungen und Data Sharing

In meinem nicht-repräsentativen Umfrage in der FAV Community hat eine Person geschrieben, dass die Erfahrungen mit Cloud Diensten in Verwaltungen bescheiden waren (ok, ich gebe zu, es war die einzige Person, die auf meine Umfrage geantwortet hat 😊) „Wir sind nicht in den Wolken unterwegs sondern stehen mit festen Füssen auf dem Boden“ war der Zitat, der gut dazu passt. Irgendwie scheint es hier nicht voranzugehen. Wenn ich frage, woran das liegt, dann ist oft der Hinweis auf Datenschutz die Antwort. Allerdings scheint Datenschutz auch zu greifen für Dokumente, die keine sensiblen Daten haben. Wie dieser Blogbeitrag, zum Beispiel. Und für sensible Daten gibt es ja auch Lösungen: Phoenix und Stackfield, schreibt Hendrik, der Umfrageteilnehmer. Deutsche Verwaltungscloud? Zukunftsmusik. Dabei gibt es in the Länd[1] sogar ein Ministerium dafür. Auf deren Seite steht es „Baden-Württemberg hat sich gemeinsam mit den Kommunen das Ziel gesetzt, die bei Land und Kommunen verfügbaren Verwaltungsleistungen bis zum Ende des Jahres 2022 auch online anzubieten“. Komisch, denn gerade heute morgen war ich bei mir in der Gemeindeverwaltung um eine Meldebescheinigung abzuholen (auf den Termin musste ich zwei Wochen warten) die ganz gewöhnlich auf Papier ausgedruckt wurde und für die ich ganz gewöhnlich meinen Papierausweis zeigen musste – um das Papier dann einzuscannen und auf einer Webseite hochzuladen um eine weitere Verwaltungsleistung zu erhalten.

Und jetzt?

Beim Surfen im Netzt stößt man – oder frau – auf so schöne Definitionen für Agilität. Zum Beispiel auf Digitale Neuordnung: „Agilität ist unter anderem die Fähigkeit einer Organisation, schneller als der Wettbewerb auf neue Anforderungen zu reagieren und sich bietende Chancen zu ergreifen. Agilität befähigt eine Organisation unter (hoher) Unsicherheit zu arbeiten.“ Eine solche Arbeitsweise erfordert allerdings auch, dass Menschen parallel an Projekten arbeiten können; dass mehrere Personen Zugriff haben auf die gleichen Daten; dass keine zwei Wochen verstreichen, um ein Blatt Papier zu erhalten. Die Digitalisierung der Verwaltung bedarf ein grundsätzlicher Richtungswechsel in den Köpfen. Und der, das wissen wir hier alle, muss agil sein.


[1] Baden-Württemberg erfindet sich neu und präsentiert sich national wie international zukünftig als „THE LÄND“. Die neue Dachmarkenkampagne präsentiert Baden-Württemberg als führenden Standort für Technologie und Innovation und als lebenswerten Ort mit hoher Lebensqualität und attraktiven Arbeitsmöglichkeiten. Nachzulesen hier

Autor: lilaasax

Lila Sax dos Santos Gomes ist freiberufliche Beraterin für mehr Gleichberechtigung in Verwaltungen und Unternehmen und CEO von Yarrow Global Consulting gGmbH.

2 Kommentare zu „Agiles Arbeiten muss schneller gehen“

  1. Liebe Lila und community, neben diesen ganzen Schwierigkeiten und Ärgernissen möchte ich auch einen kleinen Erfolg melden. Ich arbeite bei einer deutschen Kommunalverwaltung und unser Amt hat es tatsächlich geschafft, dass wir mittlerweile im Alltag mit Meistertask, Mindmeister und Conceptboard kollaborativ arbeiten können.
    Zugegeben hauptsächlich intern, also nur ein kleiner Tropfen… aber er tropft und wir sollten nicht müde werden, den Stein zu höhlen!

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  2. Seufz. Spricht mir aus der Seele. Hätte von mir sein können. Ich hätte dann die The Länd-Passagen ersetzt durch Hochschulspezifisches in Hessen 🙂

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