Leben und Verwaltung – über die Haltung der Verwaltung zu ihren eigenen Leistungen

Ich bin auf eure Hilfe angewiesen. Ich brauche Input zu etwas, das ich vorgestern gelesen habe. Nicht zum ersten Mal, aber jetzt ist es an der Zeit, dass ich Fragen stellen und mich austauschen muss über die Inhalte des aktuellen Artikels, den ich euch hier teile. Austausch mit uns als Verwaltungscommunity. Weil es uns angeht.

Eine kleine Bitte vornezu. Bevor ihr den hier ge’reposteten’ Blogbericht von Alu lest, nehmt euch kurz Zeit, euch über Folgendes eine knapp formulierte, aber eine formulierte Meinung zu bilden. Stichworte auf einem Klebezettelchen oder Bierdeckel reichen:

  • Was ist die Existenzberechtigung einer öffentlichen Verwaltung im DACH-Raum eigentlich? Warum haben wir sie (und sie nicht schon lange outgesourct an andere Anbieter)?
  • Was kann und soll und muss sie sein aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger, aus Sicht der Politik, der Wirtschaft …
  • Und vor allem: Was kann und soll und muss sie sein aus Sicht ihrer selbst?
  • Was sind ihre übergeordneten Ziele, Werte und was zeichnet sie aus?
    Was ist zentral wichtig; was auch wichtig, aber weniger; was „muss halt“?

Jetzt zum Inhalt:

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Mitarbeiter in hierarchiefreien Organisationen: Verantwortung übernehmen und eigene Entscheidungen treffen

Entdecken Sie die Geheimnisse einer hierarchiefreien Organisation! In diesem Blogbeitrag erfahren Sie, wie klare Prinzipien mehr bewirken, warum Handbücher meist überflüssig sind und welche Fähigkeiten Mitarbeiter:innen und Führungskräfte mitbringen sollten. Lassen Sie sich inspirieren und erfahren Sie mehr über Selbstorganisation, Soziokratie und Verantwortungsbewusstsein.

Im zweiten Teil unseres Interviews sprechen wir über die Voraussetzungen und Erfolgsfaktoren einer hierarchiefreien Organisation. Lesen Sie, warum klare Prinzipien mehr bewirken und Handbücher meistens überflüssig sind.

Ersten Teil verpasst? Hier geht es zum ersten Teil des Interviews.

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Dilemma der zentralistischen Klimapolitik und agile Wege

Vielleicht werden wir das einmal im Rückblick auch als eine „Zeitenwende“ bezeichnen: Auf seiner Sitzung vom 26. bis 28. März 2023 hat sich der Koalitionsausschuss der Bundesregierung auf eine weitgehende Aufweichung des Klimaschutzgesetzes geeinigt. Damit, so die Meinung vieler Experten, verabschiedet sich die Regierung von der Umsetzung der Beschlüsse der Pariser Klimakonferenz und verstößt gegen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Dahinter steckt aber nicht nur Ignoranz gegenüber der Dringlichkeit der Klimafragen, sondern ein reales Dilemma: mit klassischen Planungsmethoden ist Klimapolitik nicht erfolgreich zu betreiben. Könnten wir von agiler Seite denn bessere Vorschläge machen?

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Die Kraft der Selbstorganisation: Ein Praxisbeispiel aus der Berliner Kinder- und Jugendhilfe

Brücken bauen statt Mauern: Erfolg durch hierarchiefreie Zusammenarbeit. Ein Interview mit der Geschäftsführerin Cornelia Adolf über Verantwortung und Anpassung im laufenden Betrieb.

Eine hierarchiefreie Organisation mag in einem bürokratischen Umfeld wie eine Utopie erscheinen, doch ein freier Träger der Kinder- und Jugendhilfe in Berlin beweist das Gegenteil. In einem zweiteiligen Interview spricht Geschäftsführerin Cornelia Adolf über ihre Erfahrungen und die Umsetzung einer hierarchiefreien Führungsstruktur. Ein freier Träger der Kinder – und Jugendhilfe in Berlin hat es gewagt: Wir arbeiten selbstorganisiert! Eine Erfolgsgeschichte – mit knapp 40 Mitarbeiter:innen. In einem Interview erzählt die Geschäftsführerin Cornelia Adolf von ihren Erfahrungen.

Über Familienanlauf e.V. und die Einführung der hierarchiefreien Führung

Maria: Cornelia, worum geht es beim Familienanlauf e.V?

Cornelia: Unsere Arbeit beschäftigt sich mit Veränderungsprozessen in Familien, die höchst komplex sind. Um möglichst vielen Kindern einen guten Start ins Leben zu ermöglichen, bieten wir verschiedenste Angebote für Familien an. Dazu arbeiten wir eng mit Schulen, Jugendämtern und anderen Organisationen zusammen. Das Grundkonzept in allen Hilfen und Angeboten baut auf einem systemischen Verständnis auf. Wir haben das Grundprinzip der Familienarbeit auf unsere Organisation übertragen: Verantwortung da lassen, wo sie hingehört. Das Prinzip beruht auf der Annahme, dass Menschen grundsätzlich in der Lage sind, Verantwortung zu tragen und die einzigen sein sollten, die sie tragen für sich und ihre Kinder. Unsere Aufgabe besteht darin, Kontexte für Veränderung zu gestalten , dass Menschen diese Verantwortung in ausreichendem Umfang annehmen können.

Die Rolle der Geschäftsführung in einer hierarchiefreien Organisation

Maria: Du hast die Geschäftsführung 2015 übernommen. Bis vor wenigen Jahren wurde noch streng hierarchisch geführt? Was hat den Startschuss gegeben?

Cornelia: Diese stark hierarchisch geprägten Strukturen haben zu Phänomenen und Problemen geführt, die wir nicht gut lösen konnten . 2019 saß ich in einem Kongressvortrag über hierarchiefreie Führung. Das hat mich infiziert und ich habe mich intensiv damit beschäftigt und Schritte unternommen. Ich verstehe mich in meiner Rolle als Geschäftsführerin dafür verantwortlich, die Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Ich organisiere, dass die Arbeitsbedingungen gut sind. Ich organisiere Ressourcen die notwendig sind. Ich schaffe Strukturen und begleite die Prozesse so, dass die Arbeit der Mitarbeiter:innen sinnvoll gestaltet werden kann. Das ist mein Job! Ich habe keinerlei Weisungsbefugnisse mehr. Die rechtsgeschäftliche Vertretung nach innen und außen gehört selbstverständlich immer noch zu meinen Aufgaben in meiner Rolle als Geschäftsführung. Diese Aufgaben sind nicht gekoppelt an hierarchisches Durchregieren.

Hierarchiefreiheit als Top-Down-Entscheidung und die Umsetzung

Maria: Das ist spannend! Wie bist du diese Veränderung angegangen?

Cornelia: Die Entscheidung für eine hierarchiefreie Organisation war eine Topdown-Entscheidung. Da gab es keine Mitarbeiter:innen-Beteiligung. Das mag komisch klingen, aber es war notwendig. Diskussionen in dieser grundsätzlichen Frage hätten mich möglicherweise ins Schwanken gebracht und am Ende Unsicherheit bei den Mitarbeitern:innen ausgelöst. Nachdem vom Vorstand grünes Licht für meine Idee kam, haben wir uns Hilfe geholt, einen systemischen Organisationsentwickler. Der Auftrag war, uns dabei zu unterstützen die anstrengenden hierarchisch geprägten Strukturen aufzuweichen und etwas Neues zu gestalten.

Im Grunde hat er mich als Geschäftsführerin gecoacht und geholfen, die Mitarbeiter:innen zu befähigen. Wir haben eine Veranstaltung für alle Mitarbeiter:innen organisiert, in der die Entscheidung offiziell an die Mitarbeiter:innen verkündet wurde. Wir wurden mit dem Know How ausgestattet, das wir brauchten, um die Veränderung selbst gestalten zu können. Zwei Workshops haben wir dazu durchgeführt. Wir haben nötige Methoden und Techniken gelernt. Wir haben gelernt, selbst organisiert Entscheidungen zu treffen. Wir haben gelernt strukturiert Konflikte zu lösen, ohne eine Führungskraft dazu ziehen zu müssen. Wir haben gelernt, wie wir unsere Prozesse gestalten können. Welche Leitungsaufgaben es zu verteilen gibt. Wir haben Rollen definiert – wer übernimmt wofür die Verantwortung.

Wir haben gelernt, WIE wir es machen können. Motto: „So tun als ob wir schon selbstorganisiert sind“ Ab dem Punkt galt: ab heute tun wir so, als ob wir keine Hierarchie mehr hätten und machen einfach das, was wir verabredet haben. Ein Experiment unter dem Motto: So tun als ob – eine klassische systemische Intervention aus der Familientherapie. Wir tun so, als ob die Lösung schon gefunden wäre , mal schauen was passiert. Das haben wir getan. Deshalb war der Prozess kein langer Übergang. Damit haben wir einen Weg gefunden, es einfach zu machen. Gnadenlos Ausmisten, was nicht hilfreich ist

Strukturanpassungen im laufenden Betrieb

Maria: Wie habt ihr es geschafft, Prozesse „im laufenden Betrieb“ anzupassen?

Cornelia: Wir haben gnadenlos ausgemistet. Dinge, die nicht gelebt werden, fliegen weg. Da sind viele Handbücher und Arbeitsanweisungen sind über Bord gegangen. Geblieben ist, was uns tatsächlich im Alltag und in der Kooperation nach Innen und Außen hilft. Aufgeschrieben wird nur, was nötig und hilfreich ist. Aufgeschriebene Dinge müssen mit Handlungen untersetzte werden. Alles andere ist Verschwendung.

Maria: Inwiefern passt euer hierarchiefreies, schlankes Konzept zu der bürokratischen Anforderung eures Umfeldes? Gerade in eurem Bereich der Familienhilfe gibt es sicher viele Vorgaben?

Cornelia: Ich war skeptisch, ob zuständige Aufsichtsbehörden mit einer hierarchiefreien Organisation einverstanden sein werden. Erstaunlicherweise gab es hier zwar Irritationen, aber es gibt kein Gesetz, das dir vorschreibt: „Du musst hierarchisch Führen“. Es gibt Vorgaben, Dokumentationspflichten und Informationsketten, die wir klar einhalten. Die organisatorische Gestaltung ist uns überlassen.

Hierarchiefreies Arbeiten in einem bürokratischen Umfeld

Maria: Inwiefern hat sich die Umstrukturierung auf eure Kooperationspartner ausgewirkt? Woran haben sie gemerkt, das sich etwas verändert hat?

Cornelia: Eine Steigerung der Motivation, Flexibilität, Schnelligkeit und Zuverlässigkeit war deutlich für alle spürbar. Entscheidungen werden wesentlich schneller getroffen. Die Mitarbeiter:innen haben eine hohe Arbeitszufriedenheit, trotz allen Belastungen, die es im Arbeitsalltag so gibt. Gerade während der Pandemie. Unser Umfeld hat wahrgenommen, das es den Mitarbeiter:innenn gut geht.

Auswirkungen der Umstrukturierung auf Mitarbeiter und Kooperationspartner

Maria: Wenn ich einzelne Mitarbeiter:innen frage, woran für sie eine positive Entwicklung sichtbar wurde, was könnt die Antwort sein?

Cornelia: Wir hatten natürlich ein paar Skeptiker dabei. Sie haben vor allem gesehen – es passiert nichts Schlimmes. Die Sorge ist ja: wer trägt die Verantwortung, wenn Führung wegfällt. Wer hält den Kopf hin. Mitarbeiter:innen haben es daran gemerkt, dass wir nicht pleite gegangen sind, um es banal auszudrücken. Wir können angemessene Gehälter zahlen, sie können Entscheidungen treffen. Sie bekommen positives Feedback von außen für ihre Arbeit. Wir veranstalten jedes Jahr gemeinsam eine Teamklausur in einem Tagungshotel, bei der wir anliegende Themen bearbeiten, gemeinsam zu Abendessen und Zeit verbringen. Das war früher ein Leitungsluxus.

Selbstorganisation – Ein messbarer Erfolg

Maria: Woran messt ihr den Erfolg eurer Arbeit?

Cornelia: Unser Auftrag ist es, Familien darin zu unterstützen, dass Kinder bei ihren Eltern leben können, ohne Gefahren ausgesetzt zu sein. Das Kinder partizipativ an der Gesellschaft teilhaben können und zur Schule gehen. Hier haben wir eine Erfolgsquote von 90%. Eine Quote, die beziffert, inwieweit die investierte Hilfe zur gewünschten Veränderung geführt hat. Der Schnitt sonst liegt eher bei 60-70%. Dieser Erfolg ist nicht direkt auf die Organisationsstruktur zurückzuführen. Die geschaffene Organisationstruktur hat wesentlich dabei unterstützt, das sich Mitarbeiter:innen auf die fachliche Arbeit mit den Familien fokussieren konnte.

Zwischenfazit

Eine hierarchiefreie Organisation in einem bürokratischen Umfeld muss keine reine Utopie sein. Familienanlauf e.V., ein freier Träger der Kinder- und Jugendhilfe in Berlin, hat es geschafft, eine erfolgreiche Umstrukturierung hin zu einer hierarchiefreien Arbeitsweise durchzuführen. Der zielgerichtete Know How Aufbau und eine klare Entscheidung FÜR die Veränderung waren elementare Schlüssel zum Erfolg. Verantwortung und Entscheidungsbefugnisse wurden auf Mitarbeitenden übertragen. Die Anwendung systemischen Wissens und einer Haltung „So tun als ob …“ hat es den Beteiligten erleichtert, sich von hinderlichen Prozesses zu lösen und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: Die Unterstützung von Kindern und Familien.

Erfahren Sie im zweiten Teil des Interviews, wie

  • Entscheidungen getroffen
  • Konflikte geklärt und
  • starre Regeln durch klare Prinzipien ersetzte wurden
  • Handlungsempfehlungen

HIER gehts zum 2. Teil des Interviews.

Interesse geweckt?

Stellen Sie Ihre Fragen an Cornelia Adolf in unserer Agilen Mittagspause! 

In einem interaktiven Format hast Du Gelegenheit, Impulse und Erfolgsfaktoren für deinen Arbeitsalltag mitzunehmen und dich aktiv einzubringen.

Anmeldung über Eventbrite 

zur kostenfreien Session

Datum: Mittwoch, 03.05.2023

Zeitraum: 12:15 Uhr bis – 13:15 Uhr via Zoom.

Über die Interviewpartner 

Conny Adolf, Geschäftsführerin des Familienanlaufs e.V. , 

Das Interview wurde erstmals am 17.02.2023 auf dem Teamworkblog veröffentlicht. Hier finden sie den Link.

Spielraum für Fehler – Voraussetzung für eine innovationsfördernde Fehlerkultur

Fehler zu machen und daraus zu lernen ist eine Gabe, die wir seit der Geburt in uns tragen. Nur wer Fehler macht, kann daraus lernen. Ein Plädoyer dafür mehr Fehler zu wagen.

Mehrere Autoren und Autorinnen in diesem Blog haben die Wichtigkeit einer guten Fehlerkultur herausgearbeitet (vgl. dazu /Anlage 1/ und /Anlage 2/). Dieser Artikel thematisiert eine Voraussetzung für innovationsfördernde Fehlerkultur – den Spielraum für Fehler – aus der Perspektive einer Kooperationsunterstützung der Universitäten im Themenfeld der Digitalisierung administrativer Prozesse.

Fehler zu machen und daraus zu lernen ist eine Gabe, die wir seit der Geburt in uns tragen. Wer daran zweifelt, möge sich Zeit nehmen und ein Kleinkind beim Erlernen neuer Fähigkeiten beobachten, zum Beispiel beim Gehen lernen. Das Kind unternimmt einen Versuch nach dem anderen. Nach vielen Tagen klappt ein erster wackeliger Schritt. Das ist möglich, wenn das Kind in einer geschützen Umgebung experimentieren, Fehler machen, daraus lernen und wieder probieren kann.

Spätestens in der Schule werden wir sozialisiert, Fehler als Makel zu sehen. Für Fehler werden Punkte abgezogen und es gibt schlechte Noten. Wir lernen, Fehler mit einem unangenehmen Gefühl zu assoziieren. Das üben wir in der Schule und zuhause, bis Fehler zu einem Synonym für Versagen werden.

Bei einer wissenschaftlichen Ausbildung lernen wir, dass man aus Fehlern eine Erkenntnis generieren kann. „[…] denn auch oder gerade diese [fehlgeschlagenen Versuche] können Information liefern und manchmal zu neuen Hypothesen führen“ heißt es dazu zum Beispiel in /Anlage 3/. Diese Experimente finden unter kontrollierbaren Bedingungen statt, nennen wir sie abstrakt „Experimentierräume“.

In der Hochschullehre ist es etwas schwieriger Experimentierräume zu schaffen. Insbesondere in der ungewohnten Situation der Lockdowns (aber auch schon davor) waren neue Lehrkonzepte gewünscht. Sowohl von den Studierenden (den „Kunden“) gefragt als auch von der Politik regelmäßig durch Förderprogramme unterstützt.

Wie funktionieren die administrativen Abläufe in diesen hoch innovativen und fehlertoleranten Einrichtungen? Personen mit einer Verwaltungslaufbahn wissen, die öffentlichen Einrichtungen sind der Einhaltung des Rechts verpflichtet und es wird mit dem Anspruch einer hundertprozentigen Richtigkeit gearbeitet. Man prüft, überprüft, lässt im Zweifel externe Gutachter (Anwaltskanzleien, das Rektorat, den Datenschutzbeauftragten, das Ministerium… die Liste ist beliebig erweiterbar) ein Votum abgeben. Die in ihr Tun vertieften Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter merken nicht, dass dieser Anspruch der absoluten Richtigkeit die Prozesse schwerfällig, aufwendig und langwierig werden lässt. Dies führt bereits im Normalbetrieb dazu, dass die „Kundschaft“ – die Studierenden, die Lehrenden und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – nicht nachvollziehen können, wieso die Forschung und Lehre unterstützenden Prozesse – also nicht Kernprozesse der Universitäten – so aufwendig sind und viel Zeit in Anspruch nehmen.

Die Herausforderung, die Prozesse zu digitalisieren erfordert neues Denken, weil viele grundlegende Veränderungen anstehen. Es kann (zu Recht) nicht angenommen werden, dass die lange perfektionierten, aufwendigen, abgesicherten Prozesse innerhalb eines Digitalisierungsprojekts fehlerfrei umgestellt werden können. Die Umstellung wird durch den Anspruch fehlerfrei durchzulaufen blockiert. Um die erwarteten Fehler möglichst lange zu vermeiden, wird also der Start eines Projekts verschoben. Man beschäftigt sich lange mit Planungen und Anforderungsbeschreibungen, viel detaillierter und genauer als es nötig wäre, zum Beispiel für ein an sich schon sehr aufwendiges Vergabeverfahren.

Die agile Herangehensweise versucht genau das auszuhebeln, es geht darum, mit überschaubaren Veränderungen zu experimentieren (vgl. /Anlage 4/). Fail early – haben wir in diesem Zusammenhang als Forderung in einem Konzept eingefügt (siehe /Anlage 5/). In diesem Konzept, das seit 2 Jahren als „bwUni.digital“ (siehe /Anlage 6/) gelebt wird, haben die Universitäten in Baden-Württemberg eine Struktur gefunden, gemeinsame Überlegungen zu den anstehenden Anforderungen anzustellen und diese in White-Papern festzuhalten und verfügbar zu machen.

Auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den administrativen Bereichen brauchen Spielräume für Fehler! Es ist noch nicht ganz klar, wie diese Räume aussehen sollen. Hier einige Ideen:

  • Pioniere: einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter begleiten bestimmte Prozesse auf eine neue digital transformierte Weise und dürfen Fehler machen
  • Einrichtung von sogenannten Sandboxes: echte Unterlagen kommen als Input rein und werden auf einem neuen innovativen Weg als Gesamtprozess bearbeitet, ohne Auswirkungen, parallel zum bewährten Verfahren
  • Generalamnestie für bestimmte Prozesse in einem definierten, abgeschlossenen Zeitraum, in dem die neu digitalisierten Prozesse mit kleineren Fehlern durchlaufen dürfen.

Am Ende wird es vermutlich eine Mischung aus diesen und anderen Ansätzen – abhängig vom Prozess und passend zur Einrichtung. In jedem Fall müssen die Vorgänge beobachtet, die Fehler behoben und die Abläufe optimiert werden. Danach kann ein Prozess, falls noch nicht geschehen, insgesamt umgestellt werden.

Eine Umstellung ohne Einschnitte in den Abläufen mit vorhandenen Ressourcen wird genauso wenig zu einem befriedigenden Ergebnis führen, wie die Ausarbeitung eines perfekten Plans für einen fehlerfreien Umstieg abseits des laufenden Betriebs. So wird die von allen Seiten geforderte digitale Transformation nicht klappen (können). Wenn die Digitalisierung der administrativen Prozesse vorangebracht werden soll, müssen wir das Nicht-Perfekte eingestehen und uns einen Experimentierraum schaffen, einen Spielraum für Fehler. Dies betrifft die Ebene der einzelnen Projekte, wichtiger ist jedoch ein Rahmen, der durch politische Regulierer und die Geldgeber ermöglicht werden muss. Denn dafür braucht man Zeit und Ressourcen – Zeit der Know-How-Träger und Geld.

In einem Podcast mit Doris Dörrie (siehe /Anlage 7/) vom Dezember 2020 bezeichnet sie die Perfektion als deutsches Handicap. In diesem Podcast geht es ums Schreiben: man hat das Bild im Kopf, dass man sich hinsetzt und in einem Fluss die Buddenbrooks oder den Faust oder etwas Gleichwertiges schreibt. Seine eigene Unperfektion kennend versucht man dies erst gar nicht. Ich kam nicht umhin hier eine Parallele zur Digitalisierung der administrativen Prozesse zu ziehen. Aus der Erfahrung beim Schreiben kann ich berichten – es funktioniert. Als ich mich davon verabschieden konnte, meine Gedanken in perfekte Worte zu fassen, die die Welt verändern, fanden sich Worte, die vielleicht nicht das Problem insgesamt lösen, aber beim Verständnis helfen und zur Veränderung erst in den Köpfen und später im Handeln führen können. So zumindest die Hoffnung.

Sich selber mehrere Schritte der Überarbeitung am Text zuzugestehen ist sicher nicht dasselbe, wie Spielraum für Fehler in den Abläufen der öffentlichen Verwaltung zu schaffen, aber wenn das erstere zu Neuem führt, dann lohnt es sich auch am zweiteren zu arbeiten.

Anlagen

[1] https://agile-verwaltung.org/2021/09/30/kaizen-oder-warum-es-verwaltungen-so-schwer-fallt-grundlegend-neues-zu-denken-und-was-man-dafur-tun-kann/

[2] https://agile-verwaltung.org/2022/12/21/psychologische-sicherheit-als-fundament-wirksamer-zusammenarbeit/

[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Experiment

[4] https://agile-verwaltung.org/2016/06/10/wie-kann-man-agilitaet-kurz-erklaeren/

[5] https://www.bwuni.digital/wordpress/wp-content/uploads/bwUni.digital_V1.0_final.pdf

[6] https://www.bwUni.digital

[7] https://www.youtube.com/watch?v=ud98VBCmUvk

Warum ist das Thema Agile Transformation für die Verwaltung wichtig?

Kürzlich erreichte mich die Frage, wie man sich in das Thema „Agile Transformation“ einlesen könne. Zu Scrum und Agilität habe ich bereits eine Leseliste im Teamworkblog veröffentlicht./1/ Welche Bücher kann ich für das Thema Transformation empfehlen? Meine Antwort fällt diesmal deutlich länger aus, um den größeren Rahmen dafür aufzuzeigen. Aber am Schluss komme ich mit nur 3 Literaturtipps aus.

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Wie man ein neues Leitbild agil erarbeitet – das Beispiel Coesfeld

Heute gibt es für euch eine echte Erfolgsstory, denn wenn innovative Ideen auf ein dynamisches Team und aufgeschlossene Führungspersönlichkeiten treffen, dann ist in der Verwaltungsarbeit vieles möglich. Wie man neue Impulse setzen und welche Tools man nutzen kann, um Arbeitsprozesse agiler zu machen, erfahrt ihr in diesem Erfahrungsbericht zu unserem Consulting der Stadtverwaltung Coesfeld.

Weiterlesen lohnt sich also, versprochen!

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Agilität und Verwaltung, neugierige Spielfreude und profunde Kompetenz – Vorsätze für 2023 !?!!

Hoppla, wo sind wir denn jetzt? Wer oder was versteckt sich hinter dieser Titelansage? Noch ein paar Hinweise nötig?
OK, hier:

  • Geburt 2016:                 klein, neugierig, am Ausprobieren
  • Kindergarten 2017:         erster sichtbarer Schritt in die Welt, viele Fragen…
  • Schuleintritt 2018:          nächste Etappe, auch schon mit Antworten
  • Schulabschluss 2019:    schon ziemlich erwachsen,  …

Ein paar haben es sofort erkannt (vermutlich die, die auf der Mitgliederversammlung – siehe unten – waren).
Die Rede ist vom Forum Agile Verwaltung selbst. Kurzes Biopic:

2016 – Netzwerk als Funke am Anfang:
«Ich möchte in meiner Verwaltung so viele Sachen machen,
aber ich bin hier mit neuen Ideen so allein,
wer ist auch allein?»

Auf einen Blogaufruf beim Common Sense Team hin hat sich im Februar 2016 eine kleine Gruppe von 7 Menschen, die sich nicht kannten, zusammengefunden. Sie hatten alle in oder mit Verwaltung zu tun. Mit dem Vorhaben, interessierte Praktikerinnen (Männer sind klaro immer mit gemeint) zu finden, die aktiv werkeln wollen. Da, wo es schwierig ist, nach bekanntem Verwaltungsvorgehen in veränderungsreichen Innovationszeiten professionelle Ergebnisse zu erzielen.

Ganz zentral dabei: erfahrungsbasiert sollte das sein. Nicht theoretische Abhandlungen, lange Vorstudien und Abwägungen. Relativ schnell ins Tun gehen. Das ist einfacher, wenn man ein Netzwerk hat. Wenn man Menschen hat, wo man schnell anrufen kann und sagen: «denk mal rasch mit mir, gib mal Feedback, hast du noch eine Idee mehr?». Das ist eine Kleinigkeit, die viel praktische Kraft hat und die eine Kultur legt, auf der das Forum seither fährt. Wir wollten gemeinsam austauschen, zusammen denken, Ideen und Methoden entwickeln, im Kontakt sein, nicht einsam sein mit unseren Anliegen. Netzwerk sein.

Zum Beispiel begannen wir Gedanken-Ping-Pong in Blogform. Damals waren es oft unfertige Denkschnipsel oder Fragen ohne Antworten, die im Blog publiziert wurden. Und immer freitags, als Erleichterungsseufzer am Ende der Woche, die Vkon, unsere Videokonferenz (jaaa, wir hatten das schon 2016!!!) zum gemeinsamen Spinnen und Plaudern. Zuerst 6, dann bald 10 oder mehr, die da zusammenkamen. Eine echte Energietankstelle am Ende der Arbeitswoche. Dann die verrückte Idee: Es geht uns so gut zusammen, gemeinsam denken hilft, erste Früchte unseres Tuns werden spürbar in unserer eigenen täglichen Arbeit – wir fragen mal den Rest der Verwaltung. Also wieder ein Blogaufruf: Wer aus der Verwaltung mag zur ersten Konferenz Agile Verwaltung kommen und erfahren, was wir tun…

2017 – die erste FAV-Konferenz: «Am Anfang muss man ein bisschen Rebell sein, um Grenzen weniger prägend zu machen»
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Ausbruch aus den Routinen – wie Bildungsverwaltung innovativ und handlungsfähig bleibt

Ein Gastbeitrag von Dr. Daniel März, Sabrina Dietrich, Ricarda Eberhardt und Anne Gebauer von der Transferagentur für Großstädte.

Gibt man ‚zukunftsfähige Verwaltung‘ in die Online-Suchleiste ein, erhält man ungefähr 1.420.000 Ergebnisse. Unzählige Veranstaltungen und Publikationen beschäftigen sich mit der Fragestellung, was Verwaltung braucht, um den neuen Herausforderungen und Ansprüchen gerecht werden zu können. Der Handlungsdruck ist klar zu erkennen.

Oft wird dies mit den vergangenen Jahren und den aktuellen Krisen in Zusammenhang gebracht. Digitalisierung, Klimakatastrophe, Fachkräftemangel, Zuwanderung und Flucht, Corona-Pandemie, steigende Armut und Segregationsprozesse, Raumnot, Schulbau und Ganztag, Wertewandel hin zu mehr Partizipation, Bürger:innennähe und Nutzendenfokus – schaut man auf das Portfolio der aktuellen Herausforderungen, zeigt sich deutlich: es gibt schon viel länger eine nicht mehr zu ignorierende Notwendigkeit zur Anpassung. Die kommunale Realität zeigt, dass Städte und Gemeinden mit immer mehr und in kürzeren Zeitabständen aufkommenden Ausnahmesituationen – Krisen – konfrontiert werden. Kurz gesagt: Unsere Welt wird komplexer und schneller, und Verwaltung tut sich zunehmend schwer, mit den traditionellen Linienstrukturen und Regelprozessen gezielt antworten zu können.

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E-Akte: Einladung zu einem Austausch über die DMS-Software enaio

Aus drei Projekten heraus ist das Interesse an einem Austausch über die Einführungsstrategien der E-Akte geäußert worden. Bei diesen Projekten wurde die Software „enaio“ beschafft und – offenbar ganz unterschiedlich – implementiert. Dabei sind eine ganze Reihe von Fragen zu Schnittstellen usw. aufgetaucht.
Wir vom FAV unterstützen dieses Anliegen gerne und geben es an unsere Leserschaft weiter. Im Folgenden findet ihr eine Liste der bisher aufgetauchten Fragen und ein Kontaktformular zur Anmeldung.

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