Agilität, Europa und Kommunalverwaltungen: Drei Dinge, die zusammengehören

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Am 26.05.2019 sind die EU-Bürger aufgerufen, ein neues europäisches Parlament zu wählen. In Baden-Württemberg finden gleichzeitig auch die Kommunalwahlen statt. Diese Kombination finde ich überaus spannend. Sicherlich mögen dabei Synergieeffekte wie Aufwand und Wahlbeteiligung eine Rolle spielen, warum die beiden Wahlen an einem gemeinsamen Termin stattfinden. Für mich aber unterstreicht es einen Zusammenhang, den viele nicht auf dem Schirm haben. Nämlich, dass ein vereintes Europa nur dann gelingen kann, wenn es eng mit der kommunalen Ebene verbunden ist. Beide gehöre für mich unmittelbar zusammen. In Anlehnung an den Soziologen Daniel Bell bin ich der Überzeugung, dass der Nationalstaat zu klein für die großen Probleme und zu gleich zu groß für die kleinen Probleme ist. Das Zusammenspiel von Europa und lokale Ebene macht es möglich effizient und effektiv die Herausforderungen anzugehen, die moderne Gesellschaften umtreiben. Das hat zunächst nichts mit Agilität zu tun. Oder doch? Für mich schon. Ich bin ein großer Freund der Vision eines föderalen Europas. Ansätze hierzu gibt es bereits unter anderem mit dem Rat der Regionen, in dem auch Städte und Gemeinden vertreten sind.

Ein solches föderales Europa ist in meinen Augen ein hoch agiles Konstrukt. Erfahrene Agile Coaches wissen, auch das beste organisierte Team stößt irgendwann an Grenzen, die es nicht selbst lösen kann und die Unterstützung der nächsten höheren Ebene braucht. Umgekehrt ist es nahezu unmöglich, auf adäquat und nutzerzentriert in einer zentralistischen Organisation auf komplexe Herausforderungen zu reagieren. Es braucht demnach Entscheidungsspielräume. Gleichzeitig braucht es einen verlässlichen Rahmen. Ein Grundgerüst, das die Infrastruktur stellt, die es einer Organisation erlaubt überhaupt erst arbeiten zu können.

Politik und Gesellschaft sind hochgradig komplex. Auch hier braucht es ein Grundgerüst, einen Rahmen. Aber gute Entscheidungen, die möglichst vielen Menschen gerecht werden, können nur begrenzt zentral vorgegeben werden. Es braucht ein gemeinsames Dach, das den Rahmen schafft und Leitplanken vorgibt. Leitplanken innerhalb derer sich die Selbstorganisation im Sinne der Agilität entfalten kann. Das föderale Europa bietet dieses gemeinsames Dach, in dem sich „selbstorganisiert“ die föderalen Gliederungen organisieren. Eingeweihte ahnen es – es schwingt die kommunale Selbstverwaltung des Art. 28 II Grundgesetz, die für mich Ausfluss eines höchst agilen Grundsatzes ist.

Ein föderales Europa in diesem Sinne fokussiert sich – im Sinne des Subsidiaritätsprinzip – auf die Rahmenbedingungen, die die unteren Gliederungen nicht schaffen können. Es gibt in einem gewissen Rahmen strategische Leitlinien vor, die es braucht, damit das Zusammenspiel innerhalb Europas funktioniert, lässt aber den Teilgliedern den Freiraum, ihre Angelegenheit möglichst selbst zu organisieren.

Ein föderales Europa braucht daher starke Kommunen. Kommunen, die nahe an dem Menschen sind und im engen Zusammenspiel mit eben diesen Fachexperten ihres eigenen Alltags im Dialog in iterativ-inkrementellen Schritten die beste mögliche Lösung für die Herausforderungen unserer modernen Gesellschaft leisten. Damit das Ganze funktioniert, braucht es die Bereitschaft und das Vertrauen, den gegenseitigen Respekt und den Mut, sich darauf einzulassen. Auch hier wieder parallelen zur Agilität.

Am 26.05.2019 haben wir die Chance, mit unserer Stimme dazu beizutragen, die agile Idee nach Straßburg/Brüssel ins Europaparlament und – zumindest in Baden-Württemberg – in die Rathäuser zu tragen. Lassen wir die Gelegenheit nicht ungenutzt und gehen an die Wahlurne. Zeichen setzen, für ein agiles Europa.