Creative Bureaucracy Festival 2019 – viele neue Fäden zum Weiterknüpfen

Das Programm

Das Creative Bureaucracy Festival 2019 in Berlin hat in seiner zweiten Auflage wieder viele Akteur/innen aus den unterschiedlichsten Aufgabenbereichen öffentlicher Institutionen mit Interessierten aus dem Beraterfeld und weiteren Impulsgebern zusammengebracht. Überall war das gemeinsame Anliegen spürbar, miteinander neue Wege für eine zukunftsfähige Verwaltung zu finden. Das Festival bot allen einen anregenden Raum und Rahmen für den fachlichen und persönlichen Austausch.

Das Programmformat (12 Räume mit jeweils 5 bzw. 8 Zeitschienen) bot Platz für vielfältige fachbezogene Diskussionen, Erfahrungsaustausch, gemeinsames Brainstorming genau so wie praktisches Arbeiten.

Mindestens genau so wichtig waren die Zwischenräume für spontane Gespräche. Hier konnten bestehende Netzwerke verstärkt und neue initiiert werden. Die Begriffe Innovation, Digitalisierung und Netzwerk waren allgegenwärtig.

Mein Pfad durch den Tag

Jeder legte sich seinen eigenen Pfad durch die Tage. Mein Pfad stellte sich am Ende so dar:

Mit einem Zwischenstopp in meiner eigenen Session

Und einem Abschluss im

Workshop: PROTOTYPE YOUR FUTURE WORK TOOL

Von zwei Sessions möchte ich noch ein mehr Eindrücke schildern, um zu zeigen, was das Festival (auch) ermöglicht hat.

Workshop: PROTOTYPE YOUR FUTURE WORK TOOL: Kreativmethoden zur Gestaltung eines zukunftsfähigen Arbeitsplatzes

Kuratiert von Senatsverwaltung für Finanzen

Vivien Iffländer, Fraunhofer Center for Responsible Research and Innovation

Anne Steinicke, Senatsverwaltung für Finanzen Berlin

Ausgangspunkt des Workshops war ein Projekt der Senatsverwaltung für Finanzen, Berlin (SenFin). Die dortige Verwaltung steht vor der Herausforderung, mehr Personal auf weniger Fläche unterzubringen. Nach verschiedenen Ansätzen (u.a. alternierende Telearbeit, Desk-Sharing) hat man den Blick geöffnet und in einer Organisationseinheit einen Musterbereich für flexibles, digitales und ergonomisches Arbeiten entwickelt. Später kam die Idee auf, dies zu einem hauseigenen Konzept weiterzuentwickeln, wissenschaftlich begleitet und unterstützt durch das Fraunhofer Institut Center for Responsable Research and Innovation. Das gemeinsame Projekt hat vier Ziele:

  1. auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse eine neue Arbeitskultur entwickeln
  2.  bedarfsgerechte Räume und Flächen in den Musterbereichen schaffen
  3.  flexibles, effizientes, effektives Arbeiten mit den vorhandenen Flächen ermöglichen und
  4. eine Konzeption für die gesamte SenFin auf Grundlage der Erkenntnisse aus den Pilotbereichen mit Handlungsempfehlungen erarbeiten, die für jede Abteilung/ jedes Referat Anwendung finden.

Ausgehend von dem vorhandenen Raum-/ Flächenmanagement wurde der Bedarf u.a. mittels qualitativer Interviews und Sensorikmessungen (Bewegungsgrad differenziert nach verschiedenen Raumtypen) analysiert. Ich dachte gleich an die Office Analytics-Studie des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) zu den Erfolgsfaktoren für die Gestaltung einer typbasierten Arbeitswelt, die ich auf der Fahrt nach Berlin gelesen hatte.  

Nach der Einführung sollten die Workshop-Teilnehmer/innen sich den Arbeitsplatz 2025 vorstellen. Gesucht wurde ein Future Work Tool („Was dürfte auf dem Schreibtisch nicht fehlen?“). Hierzu sollten in Kleingruppen (ca. 3-4 Pers.) zunächst drei Herausforderungen aus dem aktuellen Arbeitsalltag ermittelt werden. Im zweiten Schritt sollten wir uns in das Jahr 2025 versetzen und überlegen, wie die Arbeit der Zukunft aussehen würde, um dann den Prototypen des Tools zu bauen, das mindestens eine der Herausforderungen lösen würde.

Die Teilnehmer/innen in meiner Gruppe sahen die größten Herausforderungen im Informationsmanagement (Woher, wann und vom wem erhalte ich wesentliche Informationen? Wie kann ich in der wachsenden Menge an verfügbaren Informationen die für meine Bedürfnisse relevanten Informationen finden, um damit zu arbeiten?).

Da die Informationen heute ohnehin meist digital zur Verfügung stehen, lag nahe, dass unser Future Work Tool bei der Informationsbeschaffung und -analyse unterstützen sollte. So entstand die MoBo (= Mobile Box). Dies soll ein mobiles Gerät sein, das auf alle innerhalb und außerhalb der Organisation verfügbaren Informationen zugreifen kann, diese aber – auf Basis bekannter Aufgabenprofile und Arbeitsanforderungen – personalisiert filtert und zeit- und ortsunabhängig bereitstellt. Die/ der Einzelne erhält die für ihre/ seine Tätigkeit wesentlichen Informationen unmittelbar, ohne Rechercheaufwand, Zeitverzug oder notwendige Mittelsperson (z.B. Vorgesetzte/n). Vermieden werden soll aber, dass sich in Folge der voreingestellten persönlichen Profile ungewollte Verstärkungseffekte zueinander passender Informationen ergeben. Der Zugang zu vermeintlich nicht in das Profil passenden Informationen muss genauso sichergestellt sein wie das – manchmal noch wertvollere – zufällige Auffinden ganz anderer, abseitiger Informationen – zur persönlichen und fachlichen Weiterentwicklung. Zudem darf der vereinfachte Zugang zu aufgabenrelevanten Informationen den Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen nicht (vermeintlich) entbehrlich machen. Auch in Zukunft muss es deshalb überall Orte geben, an denen sich Kolleginnen und Kollegen planmäßig oder zufällig begegnen können. Wir haben die aus Utensilien einer Bastelkiste konstruierte MoBo deshalb symbolisch um eine Bank mit zwei Personen ergänzt.

Jede Gruppe hat ihren Prototypen mit einem Steckbrief versehen und den anderen vorgestellt. Bei gleicher Aufgabenstellung waren die Ideen sehr vielfältig. Innerhalb kurzer Zeit sind beeindruckende Prototypen entstanden, die die wesentlichen Inhalte der Idee – mit begleitenden Erklärungen – veranschaulichen. Allen Ideen gemeinsam war die Überzeugung, dass die persönliche Begegnung mit anderen für gelingende Zusammenarbeit, Beziehungsgefüge und Organisationskultur unverzichtbar bleiben und deshalb auch in Zukunft einen guten Raum brauchen wird.

Workshop: Verwaltungsrebellen gesucht! Wie aus einer Idee eine Bewegung werden könnte

Kuratiert von Verwaltungsrebellen

Dorothea Herrmann, Verwaltungsrebellen

Sabine Schwittek, Verwaltungsrebellen

Sabine Schwittek und Dorothea Herrmann haben zunächst die Ausgangsidee der „Verwaltungsrebellen“ erläutert „Verwaltung zu empowern“, in dem sie die in Verwaltungen Handelnden wertschätzen und stärken. Die Initiative begann damit, dass die beiden Beraterinnen immer häufiger Menschen in Verwaltungen begegneten, die so gar nicht den Vorstellungen/ Vorurteilen entsprechen, die oftmals über Verwaltung geäußert werden. Menschen, die ihre Verwaltung durch ihre Fragen besser machen wollen und dafür auch ungewohnte Pfade gehen. Vor ein paar Monaten entschieden sich Sabine Schwittek und Dorothea Herrmann deshalb, den „Querdenkenden einen Raum zu geben“. Seit dem suchen sie das Gespräch mit diesen Menschen und veröffentlichen die Interviews auf der Blogseite https://verwaltungsrebellen.de/. So möchten sie den „Rebellen“ ihre Wertschätzung zeigen, andere auf die Erfahrungen aufmerksam machen und in ihrem eigenen Suchprozess oder Tun bestärken. Es geht darum,

  • Vorurteile abzubauen und so das Selbstbewusstsein und die Fremdwahrnehmung von Verwaltung zu verbessern
  • die Zufriedenheit der Beschäftigten in Verwaltungen zu erhöhen und die Attraktivität von Verwaltungen als Arbeitgeber zu verbessern und
  • Innovationspionier/innen in Verwaltungen wertzuschätzen, zu motivieren, zu unterstützen und ihnen eine Plattform zu geben, damit sie andere inspirieren können.

Nach wenigen Monaten sind Sabine Schwittek und Dorothea Hoffmann von der positiven Resonanz und Nachfrage überwältigt, die sie in der kurzen Zeit erlebt haben. Als ihnen die Veröffentlichung der Interviews nicht mehr ausreichend schien, haben sie begonnen, auch einen Methodenfundus mit Erfahrungen zur Verfügung zu stellen – bewusst (nur) als Impulse verstanden. Zudem besuchen sie passende Veranstaltungen, um die Idee zu verbreiten und weitere „Verwaltungsrebellen“ aus der Deckung zu locken. Weil diese immer wieder rückmelden, dass sie sich gern mit anderen vernetzen würden, überlegen die Initiatorinnen, im nächsten Jahr ein entsprechendes BarCamp zu organisieren. Wobei die beiden derzeit noch die Frage beschäftigt, wie und mit wem sie eine solche Ausweitung der Initiative (die ursprünglich „nur“ ein Blog sein sollte) stemmen können…

Im zweiten Teil wurden die Teilnehmer/innen eingeladen, gemeinsam über neue Ansätze nachzudenken, wie die Initiative in ihrer Zielsetzung weiterentwickelt werden kann, um Verwaltungsinnovator/innen noch mehr zu ermuntern und in ihren Anliegen zu unterstützen. Innerhalb kurzer Zeit wurden auf einer Wand weitere „Rebellen-Zellen“ identifiziert (inzwischen auf Twitter nochmals ergänzt).

 

Auf einer zweiten Wand notierten die Teilnehmer/innen, was „Verwaltungsrebellen“ brauchen. Schließlich wurden die Ideen der Gruppe genutzt zusammenzutragen, wodurch die Initiative als solche konkret gefördert und ihrerseits gestärkt werden kann. Die Notizen auf den Wänden boten den Teilnehmer/innen Anlass, sich auch untereinander angeregt auszutauschen. Alle können neue Energie mit auf ihren Heimweg mitnehmen.

Impulse und Denkanstöße

Auch über diese beiden Workshops hinaus habe ich in allen Sessions und Gesprächen auf dem Festival gute Impulse und Denkanstöße gefunden. Zentrale Botschaften waren für mich:

Ich nehme vom Creative Bureaucracy Festival 2019 das Wissen mit, dass die Verwaltung von morgen anders aussehen wird, und die Zuversicht, dass es in Hochschulen und anderen Bereichen viele engagierte Menschen gibt, die dies mitgestalten wollen.