Schub für den Change und die Digitalisierung: das “Team der Willigen”
Wie fing es an mit unserem Team der Willigen? Wie so oft – am Anfang stand der Prophet von außen. In unserer Stadtverwaltung habe ich aus meiner Funktion als Digitalisierungsbeauftragte einen kleinen Workshop organisiert und dazu einen Experten mit einem Dr. im Namen eingeladen.
Ziel war es, die Führungsebene für das Thema „Change im Kontext der Digitalisierung“ zu sensibilisieren. Es war Dr. Thomas Meuche von der Hochschule Hof, der einen extrem spannenden Vortrag zum Thema “Digitalisierungsstrategie” hielt. Anwesend waren von unserer Seite alle Führungskräfte vom Bürgermeister bis herunter zu den Sachgebietsleitern.
Ein ganz wichtiger Input von Dr. Meuche war der Ratschlag: “Gründet ein Team der Willigen”! Was meinte er damit?
Ein Team der Willigen ist eine Gruppe von Mitarbeitern, die Lust an der Veränderung haben. Die unzufrieden sind mit der aktuellen Situation. Er hat aber auch ganz klar gesagt, dass so ein Team nur funktionieren kann, wenn es “freie Hand” von oberster Ebene erhält. Dieses Team braucht “volle Rückendeckung”.
Sich der Rückendeckung versichern
Schon während des Vortrags war mir schlagartig klar: So etwas will ich machen! Ich trat also vor der Personalversammlung auf und rief zur Gründung eines solchen Teams auf.
Vielmehr: nein, das tat ich nicht als Erstes. Das wäre nämlich voll “in die Hose” gegangen. Sondern vorher ging ich zum geschäftsleitenden Beamten in unserer Verwaltung und zum Bürgermeister und holte mir von beiden die Erlaubnis ab, einen solchen Aufruf zu starten. Das war von Anfang an eine der wichtigsten Voraussetzungen. Und hätte wahrscheinlich auch nicht geklappt, wenn beide nicht auf dem Vortrag von Prof. Meuche dabei gewesen wären.
Daraufhin bin ich zu unserem Personalrat gegangen und habe gesagt, dass es Zeit wird, auf unserer Personalversammlung auch über uns zu sprechen und nicht immer einen Vortrag von der Rentenkasse zu hören. (Ich bin seit 3 Jahren da und hab den Vortrag schon zwei Mal gehört…).
Der Start
Also stand ich 3 Wochen später auf der Bühne unserer “Kulturfabrik” und habe erstmal erzählt, was für tolle Projekte (wenigstens im Bereich Digitalisierung 😉) wir so machen. Und dass Veränderung von innen kommen muss. Und dass Veränderung alleine so anstrengend ist und man sich dabei so verlassen fühlt. Und ob es nicht toll wäre, dass die, die sich auch so fühlen, sich als “Team” zusammen tun. Ganz nach dem Motto “Zusammen ist man weniger allein”.
Unter dieser Voraussetzung war die Reaktion auf der Personalversammlung überwältigend. Von den anwesenden rd. 120 Teilnehmern meldeten sich spontan fünfzehn (in Worten: 15!) zu dem neuen Team aus Veränderungsbegeisterten. Wir trafen uns gleich zwei Wochen später und vereinbarten eine Vorgehensweise:
• Wir treffen uns alle drei Wochen jeweils für zwei Stunden.
• Dort sammeln wir Ideen, welche alten Zöpfe wir als nächstes abschneiden wollen.

Das erste Treffen war noch nicht konstruktiv – erst mussten alle Anwesenden ihren destruktiven Energien freien Lauf lassen und so richtig alles vom Stapel lassen, was ihnen an der aktuellen Situation in ihrem Bereich nicht passte. Das hat sich angefühlt, wie eine zweistündige Therapiesitzung – und danach ging es uns wirklich besser. Zum Schluss haben wir ausgemacht, dass wir bis zum nächsten Termin Ideen sammeln – natürlich digital über das Miroboard.
Dabei kam eine ganze Reihe von Ideen zusammen, und bei der folgenden Sitzung mussten wir erstmal sortieren.
Erste kleine Changes
Letztendlich konnten wir die Ideen in zwei Gruppen aufteilen: Einmal in das Gruppe “Optimieren von Arbeitsabläufen” und einmal die Gruppe “Kommunikation”.
Da wir erst einmal an dem Thema Kommunikation arbeiten wollten, haben wir uns zwei kleine Themen ausgesucht, die relativ schnell umsetzbar waren: ein neuer “News Blog” im Intranet und Kommunikation auf der Personalversammlung.
Die Anpassungen im Intranet waren schnell umgesetzt. Als nächstes kam die Idee, die Personalversammlung selbst gründlich neu zu organisieren. Und damit haben wir uns dann zwei Sitzungen beschäftigt: Das Ziel: die Mitarbeiter:innen selbst auf der PV zu aktivieren und nicht in der reinen Zuhörerrolle zu belassen. Das ist nämlich auch eine typische Situation in der Verwaltung: die Mitarbeiter als Leute, die sich etwas wünschen, und die Führungskräfte als Weihnachtsmann, die möglichst die Wunschliste abarbeiten.
Die ganze Geschichte, die ich hier erzählt habe, ist neu. Begonnen hat sie im Juni auf der Personalversammlung und jetzt ist erst Oktober, gerade vier Monate später. Seitdem haben wir uns vier Mal getroffen und zwei Verbesserungen umgesetzt bzw. angepackt. Und auch die nächsten Themen sind in den Startlöchern (Verbesserung Onboarding, E-Learning, standardisierter Vorlagen, …)
Für eine Bilanz ist es also noch zu früh, aber für einen ersten Eindruck reicht es: Es geht uns gut! Und die Liste der Ideen ist noch lang. Ein Zeichen dafür ist schon die Stabilität der Gruppe: von den anfänglich 15 Beteiligten sind noch 12 dabei und zwei Neue hinzugekommen. Die Stimmung ist offen, mal ernst, öfter lustig, und fast immer produktiv. Wir können anderen Verwaltungen nur den Tipp geben: selbst mal ausprobieren!
Was sind die Voraussetzungen für ein solches Team?
Kommunikation in alle Richtungen – nach oben und nach unten. Die Geschäftsführung muss im Boot sein und die ganze Sache unterstützen. Das bedeutet ein klares garantiertes Zeitbudget – bei uns eben zwei Stunden alle drei Wochen, in denen wir während der Arbeitszeit als Gruppe arbeiten können.
Und man braucht anfänglich einen “Treiber”. Der, der die Idee kommuniziert und die Gruppe zusammenhält. In der Gruppe selbst muss gegenseitiges Vertrauen herrschen. Jeder muss das Gefühl haben, seine Meinung offen sagen zu können und auch für exotische Vorschläge nicht abgestraft zu werden. Die Zustände kritisieren ist erlaubt – aber dann muss man auch zu Verbesserungsvorschlägen kommen, sonst werden wir zu einer Trauer- und Klagegemeinde. Und “sichtbar” bleiben. Leider gibt es in der Verwaltung viel zu viele Mitarbeiter die sagen: “Das mit der Gruppe, das wird sowieso nichts”. Also mischen wir weiter fröhlich mit und versuchen mit kleinen Schritten unsere “Verwaltungswelt” jeden Tag ein kleines bisschen zu verändern.
Danke für den spannenden und inspirierenden Artikel! Das mit dem Newsblog habe ich noch nicht verstanden. So etwas gibt es ja oft und es wird dann irgendwie nicht wirklich erfolgreich. Wer betreibt diesen Newsblog mit welchem Ziel, Umfang und Inhalt? Und wie schafft ihr, dass der Blog relevant ist? 🙂
Danke für die Einblicke & Erlebnisberichte, das macht sicher vielen Mut ..“Es auch einmal zu versuchen“
Eigentlich hätte ich diesen Post gar nicht gelesen..denn ich habe den begriff „.:Der Willigen“ auch oft für kleine „Schnellboote“ genutzt.
Bis mir ein guter Mentor einmal dazu mit der Frage das reflektierte:
Wenn das „Die Willigen“ sind, müssen ja alle Anderen die „Unwilligen“ sein?
Wie müssen sich also die „fühlen“, welche nicht im „Team“ sind.
Diese Betrachtung und immer wieder das austarieren bei der Sprache der Kommunikation, hat mir in der Vergangenheit geholfen.