Ich weiß nicht, wie oft ich das schon gelesen habe: „Die Digitalisierung der Verwaltungen geht zu langsam voran“. Und leider stimmt es! Da wird öffentlichkeitswirksam an OZG-Frontends gebastelt, während hinter den Rathaustüren noch Bescheide wie bei den antiken Römern [1] dreifach auf Steintafeln gemeißelt werden. Nur um sie dann – wenigstens ein bisschen modern – zu scannen und in einem der 3.000 Boorberg-Aktenzeichen zu versenken. Selbst da, wo es gelungen ist, medienbruchfreie Prozesse zu gestalten, stellt sich nicht selten heraus: Das Prozedere ist digital, die Logik dahinter aber immer noch mehr Steintafel, als Ausschöpfen der Vorteile elektronischer Systeme zu Wohle der Allgemeinheit – eigentlich der Verfassungsauftrag der Verwaltung. [2]
Auch wo es nicht um Digitalisierung geht, ist ein schwer nachvollziehbares Beharrungsvermögen tradierter Denkweisen und Strukturen festzustellen. Fokus online machte – angesichts des behördlichen Chaos nach der Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 – „Strukturen aus Preußens Glanzzeit“ als wesentliche Ursache für die Schwierigkeiten bei der Koordination der Aufräumarbeiten aus.
Dabei haben nicht wenige Menschen in den Verwaltungen durchaus bemerkt, dass viele Aufgaben deutlich komplexer geworden sind: Bei Projekten sitzen plötzlich viel mehr Akteurinnen und Stakeholder am Tisch, Menschen aus der Stadtgesellschaft wollen aktiv mitmischen, schwierige Probleme müssen in kürzester Zeit gelöst werden, klare Ziele sind oft nicht auszumachen, viele sich widersprechende Aspekte müssen in stimmige Lösungen zusammengeführt werden, es besteht die Notwendigkeit organisationsübergreifender Kommunikation und Zusammenarbeit auf Augenhöhe und so weiter.
Obwohl diese Veränderungen offensichtlich sind, brechen sich an ihren Klippen regelmäßig die hergebrachten Strukturen und Denkweisen – nachzulesen in unzählige Publikationen und Studien zum Thema.
Die beliebteste Reaktion der Verwaltung darauf: Wir brauchen mehr Personal! Und dann wird weitergemacht, wie bisher.
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