Aus der agilen Methodenkiste: Lunch & Learn
Von Johannes Schurr, Bürgermeister der Gemeinde Spraitbach (Ostalbkreis)
Vorweg sei erwähnt, dass ich nicht der Erfinder dieser tollen Idee bin und mich nicht gut dabei fühle, nun die Lorbeeren dafür einzuheimsen. Ich habe die Idee von Philip Stolz, der in der Stadt Schorndorf die Digitalisierungsstelle leitet. Er hat sie 2022 bei der Jahrestagung der Digitallotsen in Bruchsal vorgestellt. Allerdings habe ich den Mehrwert schnell erkannt und mich sozusagen direkt in den fahrenden Zug gesetzt.
Noch immer gibt es viele, teilweise sehr junge Menschen, in den Verwaltungen, die ihre Kalender gerne auf Papier führen. Dagegen ist an sich auch nichts einzuwenden, auch ich lese gelegentlich ein Buch in Papierform. Wenn man jedoch bis auf die sehr intuitive Bedienung von Messengern und OnlineShops kaum Berührungspunkte mit der digitalen Welt hat, dann kann das dazu führen, dass man im Arbeitsalltag auch dazu tendiert. Das wiederum ist dann schon eher ein Problem, denn die Digitalisierung wird ihren Einzug halten – immer und überall! Wer dann das Thema nicht in den Fingerspitzen hat, muss vieles lernen. Was aber, wenn man nicht lernaffin ist?
Die Digitalisierung wird geistige Routinearbeit abschaffen. Das wird hoffentlich bald geschehen. Wir brauchen das dann freiwerdende Personal für die Aufgaben, die eben vom Menschen erledigt werden müssen (die wird es auch weiterhin geben!). Andernfalls werden wir schon bald nicht mehr in der Lage sein unsere Pflichtaufgaben zu erfüllen.
Was also, wenn man einen Arbeitsplatz hat, an dem geistige Routinearbeit stattfindet, man im privaten Umfeld kaum Berührungspunkte hat und dann noch wenig Lernaffinität da ist?
Da greift die Idee von Lunch & Learn. Wenn der Arbeitgeber die Zeit, in der man Mittagspause macht, auf das Gleitzeitkonto überträgt, ist das schon mal ein interessanter Mehrwert. Wird nun noch das dazugehörige Essen bezahlt, dann wird ein unschlagbares Angebot daraus. Nun hat man alle Leute versammelt, alle haben den Mund voll und können daher gut zuhören. So lässt sich gut über Digitalisierung reden.
Man kann Themen aus dem Arbeitsalltag aufgreifen. Zum Beispiel einfach mal einen Serviceprozess, den ein Bürger nun fiktiv anstößt, komplett durchspielen.
Dabei fällt auf, dass das keine Zukunftsmusik mehr ist, sondern schon heute Realität. Schon morgen kann es passieren, dass jemand online einen Serviceauftrag startet, der dann auch ganz real bearbeitet werden muss.
Oder man schaut sich kurze Clips an, die sich mit smartem Umfang mit bereits bekannten Softwares beschäftigen, wie z.B. Excel. Wir alle nutzen es, aber kaum jemand kennt den gesamten Umfang. Noch weniger bekannt sind aber die kleinen Kniffe, die oft Stunden mühsamer Routinearbeit des Geistes ersparen.
Wichtig sind auch die Themen, die man aus dem privaten Umfeld herausgreift. Einfach mal einen Cent per PayPal überweisen oder vorführen, wie praktisch es sein kann, den Familienkalender online zuführen. Das sorgt nicht nur für Begeisterung, sondern schlicht für Aufklärung. Dabei ist Aufklärung und Bildung schon lange bekannt als bestes Mittel gegen Angst und damit auch gegen viele negative Gefühlszüge.
Abschließend kann man sagen, dass das Lunch & Learn viele Aspekte einschließt und auf vielen Ebenen wirkt. Nicht nur, dass fachliche Themen besprochen und vorgestellt werden können. L&L ist der stete Tropfen, der den Stein höhlt, welches bisher den Umsetzungsfluss der Digitalisierung blockiert hat.
Alle können so erkennen, dass man die Digitalisierung nicht aussitzen kann. Der junge Mitarbeiter, der die Affinität nicht mitbringt, wird animiert, sich damit auseinanderzusetzen. Die ältere Kollegin, die noch drei Jahre bis zur Rente hat, erkennt, dass sie doch etwas tun muss, denn es ist ihre Verantwortung, eine Stelle zu hinterlassen, die keinen jahrzehntegroßen Aufholbedarf hat.
Allen wird spielerisch aufgezeigt, wo die Reise hingeht, es wird Bewusstsein geschaffen und man erkennt auch, dass wir alle in diesem Boot sitzen. Finden die Termine dann in Zusammenarbeit mit anderen Rathäusern statt, kann sogar ein Best Practice Austausch stattfinden.
Letztlich werden alle Köpfe erkennen, dass die Digitalisierung kein IT-Projekt ist, sondern die Revolution der Arbeitsform in der Verwaltung.

Vielen Dank für den Beitrag. Sicherlich eine Möglichkeit für zusätzliche Effizienz in der dienstlichen Tagesgestaltung.
Ich freue mich dagegen immer über Kolleginnen und Kollegen, die die Mittagszeit tatsächlich als Pause und Möglichkeit nutzen, sich mit Anderen zu treffen und mit ihnen zu sprechen. Z. B. über Veränderungen und den eigenen Umgang damit.
Diese wunderbare Form des in der digitalen Welt weiter reduzierten sozialen Austausches (und gesunden Essens) würde ich nicht durch eine zusätzliche Lerneinheit verhindern wollen.
Deshalb mein eher kritischer Blick auf ein lunch and learn – ein „genießen und Luft holen“ wäre mir an dieser Stelle persönlich lieber……. Danach geht auch wieder lernen……
Herzlichen Gruß von Werner
Guten Gedanke Herr Schwarz, da machen Sie sich aber in unserem Fall mal keine Sorgen. Alle anderen müssen das natürlich auch für sich bewerten. Bei uns sehe ich das genießen und Luftholen nicht als zu kurz bemessen.