Digitalisierung agil geplant mit OKR

Kann eine Digitalisierung gelingen, wenn diese in Form von vielen parallelen Vorhaben gesteuert wird? Ist Digitalisierung mit den Mitteln des Projektmanagements überhaupt zu lösen? Und wie kann Digitalisierung vor dem Hintergrund einer durch hohe Aufgabendichte überforderten Verwaltung gelingen? Mit dem agilen Zielsystem Objectives & Key Results gibt es einen neuen Ansatz, um komplexe Digitalisierungsvorhaben in der Verwaltung zum Erfolg zu führen.

Digitalprojekte anhand der Top-6 der Bundesministerien

Vor einiger Zeit erschien in der Zeitung „Die Welt“ eine Grafik, die aus dem Monitor Digitalpolitik der Bitkom entnommen war. In dieser Grafik wird der Umsetzungsstand der Digitalprojekte der Top-6-Bundesministerien aufgezeigt. Ich zeige diese Grafik gerne in meinen Trainings und bin oft überrascht, wie schnell die Teilnehmer:innen die Probleme erkennen, teilweise auch aus eigener Erfahrung. 

Digitalprojekte der Top 6 Bundesministerien – Quelle: Bitkom / Welt

Umsetzungsstand der Digitalprojekte in 6 Bundesministerien

Drei Beobachtungen zu den Digitalprojekten

Hier sind meine drei Beobachtungen, die ich aus dem oberen Bild ableite.

  1. Parallelisierung – In allen Ministerien dominiert die Zahl der Projekte, die sich in Umsetzung befinden. Vor meinem geistigen Auge spielt sich folgender Dialog ab: „Herr Schmidt, was machen unsere Digitalprojekte?“ Antwort: „Wir arbeiten an allen Projekten mit Hochdruck, Frau Ministerin, aber uns fehlen Leute und Ressourcen“. Jeder Projektmanager weiß: wenn in allen Projekten mit Hochdruck gearbeitet wird, wird in keinem Projekt mit Hochdruck gearbeitet. Die bittere Wahrheit ist, wir verzetteln uns.
  2. Projekte dauern an – Eine zweite Beobachtung von mir ist, dass ausgerechnet das Ministerium, welches als Erstes ein öffentlich-relevantes Digitalprojekt startete, besonders schlecht abschneidet. Ich spreche vom Gesundheitsministerium und seinem Sorgenkind, der elektronischen Gesundheitskarte. 
  3. Wenig wird fertig – Die dritte Beobachtung ist recht einfach. Kein Ministerium hat mehr als 9 Projekte abgeschlossen. Auch hier schneidet das Gesundheitsministerium, das die längste Digitalerfahrung hat, besonders schlecht ab. 

Wie kommt es eigentlich dazu? 

Digitalisierung ist kein (alleiniges) Problem des Föderalismus

Diese drei Probleme existieren in fast identischer Form auf allen Verwaltungsebenen und daher auch in den Kommunen. Seien es elektronische Verwaltungsprozesse, die E-Akte, OZG-Leistungen oder behördenübergreifende Digitalisierung: Vieles ist in Arbeit, wenig ist fertig. 

Eine gute Nachricht gibt es. Mittlerweile akzeptieren die meisten Verwaltungsleitungen, dass Digitalisierung eine kontinuierliche Aufgabe ist. Fast alle Kommunen und Landkreise besitzen eine klare Zuständigkeit für die Digitalisierung, beispielsweise in Form des Digitalisierungsbeauftragten. In vielen Kommunen existieren bereits gute Digitalisierungsstrategien, und die schauen wir uns als Nächstes an. 

Digitalisierungsstrategien – Oho und Ach

Die mir bekannten Digitalisierungsstrategien sind partizipativ, stellen Mitarbeiter und die Stadtgesellschaft in den Vordergrund und wollen die Region modernisieren. 

Hier ist eine Vision zur Digitalisierung der fiktiven Stadt „Neustadt“.

Die Stadt Neustadt gestaltet den digitalen Wandel aktiv vor Ort mit der Stadtgesellschaft. Die Mitarbeitenden arbeiten in einer modernen, digitalen und kollaborativ ausgelegten Arbeitsumgebung und Arbeitsabläufe sowie Leistungen werden ressourcenschonend und bedürfnisorientiert weiterentwickelt. Durch die Nutzung der digitalen Möglichkeiten erleichtert die Stadtverwaltung darüber hinaus den Alltag ihrer Bürger*innen inklusiv, transparent und verlässlich.

Dieses Beispiel finde ich bereits gut. Mir gefällt, dass die Mitarbeiter und der partizipative Ansatz hervorgehoben werden. Wo ich Raum zur Verbesserung sehe, ist die Konkretisierung des Nutzens. Die Frage ist, welcher konkrete Nutzen sich für Bürger, Unternehmen, Behörden und Mitarbeiter infolge der Digitalisierung einstellt. Viele Visionen beschreiben wunderbar das „Was“ und „Wie“, verbleiben aber unscharf in dem „Wozu“

Parallele Lösungsbausteine

Mir fällt ein weiterer Punkt auf. Viele Digitalisierungsstrategien setzen zur Umsetzung auf Lösungsbausteine. Die Maßnahmen zur Umsetzung werden in Pakete gebündelt, die dann mit einem Zeitplan umgesetzt werden sollen. Was zunächst für Entscheider gut und richtig aussieht, beißt sich bald mit der Verwaltungsrealität:

  1. Die Verwaltungsleitung ist oft in der Strategieumsetzung nur berichtend eingebunden. Sie verfolgt eine eigene Agenda und interveniert mit wechselnden Prioritäten, die sich aus ihrer politischen Notwendigkeit speisen.
  2. Die Umsetzung der Lösungsbausteine wird stark parallelisiert, was zunächst aufgrund der großen Abhängigkeiten von Dienstleistern, Fachbereichen und Fachverfahren plausibel wirkt. Dennoch, wir sind dann schnell bei dem Bild der Top-6-Ministerien. Vieles ist in Arbeit, wenig wird fertig.

Fokus, Klarheit und Transparenz mit OKR

Kann hier ein agiles Framework helfen? In der freien Wirtschaft und zunehmend auch in der Verwaltung wird das agile Managementsystem Objectives & Key Results (kurz OKR oder auf gut Deutsch: Etappenziele und Kernergebnisse) populärer. OKR schließt die Lücke zwischen der strategischen Planung und der operativen Umsetzung durch mehr Fokus, Zusammenarbeit, Transparenz und Verbindlichkeit. 

OKR Zyklus – Quelle André Claaßen

In OKR fokussiert sich das Digitalisierungsteam alle 90 – 120 Tage auf 2 – 3 konkrete Ziele, die Objectives & Key Results (Etappenziele und Kernergebnisse). Das Framework OKR spannt um diese 2 bis 3 Ziele einen Schutzschirm, sodass die strategischen Vorhaben von der Dynamik des Tagesgeschäfts abgeschirmt werden. Die Beschränkung auf 2 – 3 Ziele bedeutet nicht, dass alle anderen Themen „hinten herunterfallen“. Fokussiertes Handeln bedeutet, dass diese zwei bis drei Ziele im Digitalisierungsprojekt mit einem Höchstmaß an Aufmerksamkeit und Zuwendung verfolgt werden. 

Interessanterweise beschreiben Objectives & Key Results weniger Projektmeilensteine, sondern eher ein Zukunftsbild für die nächsten 90 – 120 Tage. Die Key Results zeigen dann messbar auf, wie sich das Team diesem Zukunftsbild nähert. Die gewünschte Wirkung steht im Vordergrund, nicht so sehr die konkrete Arbeit. Klingt ein wenig verrückt, hilft dennoch, aus dem Umsetzung-Marathon herauszukommen.

Zwei Beispiele für OKR

Hier sind zwei Beispiele. O steht für das Objective, K1 bis K3 für Key Results

Beispiel 1: Projektbezogenes OKR

O: Die elektronische Personalakte begeistert unsere Mitarbeiter.

K1: Der Zeitaufwand zur Dokumentation im Personalwesen sinkt gegenüber dem Vorjahr um 25 %.

K2: Über 80 % der Personalinformationen stehen digitalisiert für autorisierte Mitarbeiter zur Verfügung.

K3: Die Mitarbeiter des Personalwesens geben dem neuen Workflow mindestens 4 von 5 Sternen.

Beispiel 2: OKR zur Lösung von Problemen in der Zusammenarbeit

O: Die Zusammenarbeit zur Digitalisierung mit dem Fachbereich Arbeit und Soziales funktioniert richtig gut.

K1: Ein gemischtes Team von Digitallotsen und Mitarbeiter:innen des Fachbereichs bespricht einmal pro Woche die Ziele der nächsten Schritte.

K2: Zweimal die Woche gibt es einen Digitalisierungsnachmittag, an dem gemeinsam an der Digitalisierung gearbeitet wird.

K3: Viermal im Quartal finden gemeinsame Retrospektiven statt, zur Verbesserung der Zusammenarbeit.

Digitalisierung ist mehr Change- als Projektmanagement

Zu oft werden Digitalprojekte in der Verwaltung mit den Methoden des klassischen Projektmanagements oder als parallele Aufgabe gelöst. Irgendwie soll die Digitalisierung neben dem Tagesgeschäft bearbeitet werden. Wenn das Tagesgeschäft dominiert, und wo tut es das nicht, bleiben Digitalprojekte oft stehen.

OKR bringt einen neuen Anstrich in das Thema Digitalisierung. Der Fokus verschiebt sich vom Projektmanagement auf das Change-Management. Die Frage lautet jetzt: Was müssen wir konkret verändern oder noch besser, welche Veränderungen würden wir gerne sehen, damit wir wirklich weiterkommen mit der Digitalisierung?

Der Fokus auf die Veränderung und den richtigen Hebel zur Lösung von Problemen in der Zusammenarbeit ermöglicht OKR das Bohren der dicken Bretter. Und diese dicken Bretter brauchen einen starken Bohrer (Fokus) und nicht hundert kleine Akkuschrauber, um in diesem Bild zu bleiben. Das Framework OKR ist der starke Bohrer für die dicken Bretter der Digitalisierung.

Interesse geweckt? Impuls am Mittag am 4.12.2023 um 12:30 Uhr 

Falls Sie Interesse an dem Thema, „Umsetzung von Digitalstrategien mit OKR“ haben, besuchen Sie das kostenfreie Webinar am 4.12.2023 um 12:30 Uhr mit dem spannenden Titel: Digitalisierung agil geplant mit OKR. In dem Impuls stelle ich kurz OKR mit Blick auf die Digitalisierung vor und beantworte gerne alle Fragen.

Hier geht es zur Anmeldung mit Eventbrite!

Ähnliche Beiträge

Ein Kommentar

  1. Hallo André, vielen Dank für diesen tollen Beitrag. Ich habe ihn drei Mal lesen müssen, bis mir eine kritische Bemerkung einfiel (Key Result deines Posts!).
    Dein Beispiel 2 erscheint mir weniger ein „Zukunftsbild“ anzugeben als dein Beispiel 1. Ist eine gute Zusammenarbeit mit dem Fachbereich Arbeit und Soziales nicht eher durch Resultate wie „Anzahl von Missverständnissen und Rückfragen geht gegen Null“ gekennzeichnet statt durch die Anzahl der Meetings?
    Zweite Frage: Wer definiert die Ziele von Großprojekten (z.B. der Digitalisierung)? Ist die oberste Führung dazu in der Lage? Ich kenne kein Beispiel, bei dem die Verwaltungsspitze zu Beginn eines E-Akten-Projekts das Ziel einer DMS-Einführung definieren könnte. Die Mitarbeiter:innen können das viel besser, weil sie an der Kundenfront arbeiten – aber deren Beteiligung ist aufwendig und wird meistens gescheut. – Was ist deine Erfahrung?
    Ich komme gerne am 4. Dezember.
    Herzliche Grüße, Wolf

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert