Wie könnte die strategische Steuerung in einer Kommunalverwaltung aussehen, die die Brücke zwischen dem kommunalpolitischen Steuerungsgremium Gemeinderat auf der einen Seite und der vollziehenden Verwaltung auf der anderen Seite schlägt? Wie könnte ein kontinuierlicher Dialog zwischen den Beteiligten auf der strategischen Ebene aussehen, der Transparenz und Klarheit für alle Beteiligten schafft und den Austausch zwischen allen Beteiligten ermöglicht? Hierzu haben wir uns ein paar Gedanken gemacht.

Hierfür haben wir uns an Objectives and Key Results, einem iterativ-inkrementellen Ansatz zur strategischen Steuerung von Organisationen, orientiert, der den Anspruch erhebt, die operative Ebene mit den strategischen Zielen der Organisation eng zu verzahnen. Bei dem sogenannten OKR-Modell handelt es sich um eine Weiterentwicklung des Management by Objectives mit agilen Elementen, die im Silicon Valley entwickelt und durch große Unternehmen wie Google bekannt gemacht worden ist. Im Folgenden werden wir skizzieren, wie eine Adaption im kommunalpolitischen Kontext aussehen könnte.
Die Idee dahinter basiert auf folgenden Grundlagen:
- strategische Jahresziele werden im Dialog zwischen Kommunalpolitik und Verwaltung als Jahresvision definiert und vereinbart
- abgeleitet werden jeweils Ziele für einen Zeitraum von drei bis vier Monaten – 2-5 Ziele, die auf das Jahresziel einzahlen
- jedem Quartalsziel sind 4-5 Schlüsselergebnisse zugeordnet, an denen der Erreichungsgrad bemessen wird und die unterschiedliche Sichtweisen widerspiegeln
- in einem vierteljährlichen Rhythmus findet eine Feedbackschleife statt, bei der die Ergebnisse überprüft und die Ziele sowie die abgeleiteten Schlüsselergebnisse fortgeschrieben und angepasst werden (Review)
- neben der vierteljährlichen Überprüfung der Ergebnisse (Review) gibt es eine weitere Feedbackschleife auf der prozessualen Ebene, die den Schwerpunkt auf die Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten legt (Retrospektive)
Die Basis: Der jährliche Strategiedialog
Die Basis bildet ein jährlicher Strategiedialog zwischen Verwaltung und Kommunalpolitik. Zu Beginn der Legislaturperiode werden Themenschwerpunkte für den entsprechenden Zeithorizont als Leitbild definiert, aus denen jeweils Jahresziele als Schwerpunkte heruntergebrochen werden. Diese bieten die erforderliche Orientierung zur Entwicklung der Quartalsziele (Objektives). Der Bürgermeister hat hierbei die Mittlerrolle inne, da er beide Sphären vertritt. Er ist Vorsitzender des Gemeinderats und zugleich Leiter der Verwaltung. Gemeinsam mit dem Gemeinderat definiert er die strategischen Leitthemen für das kommende Jahr, wobei die Verwaltung inhaltlich unterstützt und entsprechende Grundlagen liefert. Hieraus entsteht eine priorisierte Liste an strategischen Handlungsfeldern, die im kommenden Jahr in den Fokus rücken und auf die ein besonderer Schwerpunkt gelegt wird. Hier werden in Form von vier bis fünf übergeordneten Handlungsfeldern Schwerpunkte gesetzt, an denen sich der weitere Umsetzungsprozess orientiert.
Objectives and Key Results: Visionäre Quartalsziele untermauert mit Schlüsselergebnissen
Die jeweiligen Organisationseinheiten erarbeiten hierauf aufbauend für den Zeithorizont eines Quartals 3-4 visionäre Zielsetzungen (Objectives), die erreicht werden sollen. Diesen werden jeweils 4-5 Schlüsselergebnisse (Key Results) zugeordnet, mit deren Hilfe das Ergebnis der Zielumsetzung bemessen werden kann. Die Key Results spiegeln unterschiedliche Perspektiven wider. Die Quartalsziele sind bewusst ambitioniert. Die Quartalsziele zahlen immer auf die Jahresziele, die durch den Gemeinderat definiert worden sind, ein.
Wichtig: Die Ziele werden nicht hierarchisch vorgegeben, sondern von den Mitgliedern der jeweiligen Organisationseinheit gemeinsam entwickelt und definiert. Es wird dabei darauf vertraut, dass die Betroffenen am besten wissen, wie sie zum Gesamtziel beitragen können und was hierfür auf operativer Ebene notwendig ist.
Die Zielerreichung wird in drei Zielkorridoren bemessen, die der Einordnung der Ergebnisse dienen. Wichtig: Quartalsziele sind Performance-Kennzahlen. Sie werden nicht zur Leistungsbeurteilung herangezogen. Die Erreichung der Zielerreichungskorridore geben Hinweise, ob die getroffenen Annahmen richtig und die vereinbarten Ziele ausreichend ambitioniert waren. Ein Zielerreichungsgrad von weniger als 40 % gibt zum Beispiel Anlass zu überprüfen, ob die zugrundgelegten Annahmen korrekt waren, während eine Zielerreichung von 100 % dafür spricht, dass das Ziel nicht ambitioniert gesteckt worden ist. Ziel ist es dabei, Verbesserungspotenziale und Entwicklungsmöglichkeiten zu entdecken.
Die jeweiligen Ziele jeder Organisationseinheit und Hierarchieebenen sind für alle Beteiligten zugängig und bekannt. Sie basieren auf einer gemeinsamen Vereinbarung zwischen den Angehörigen der jeweiligen Organisationseinheit, individuelle Ziele werden im Übrigen nicht definiert. So ergeben sich Teamziele auf Sach- und Fachbereichsebene.
OKR-Zyklus: OKR-Weekly, Review, Retro und Planning
Mit Abschluss der Planung zu Beginn jedes Quartals beginnt die konkrete Arbeit mit der Umsetzung der jeweiligen Quartalsziele. Wöchentliche Sychronisationsrunden mit strenger zeitlicher Limitierung finden im jeweiligen Team statt.
Am Ende des Planungszyklus werden die Ergebnisse in einem Review vorgestellt. Der Review steht allen interessierten Personen grundsätzlich offen und die Ergebnisse werden entsprechend transparent kommuniziert bzw. zugänglich gemacht. Innerhalb der jeweiligen Einheit reflektieren die jeweiligen Beteiligten über den Prozess der Zusammenarbeit und mögliche Verbesserungsmaßnahmen im Rahmen einer Retrospektive. Diese findet ausschließlich teamintern statt.
Im Anschluss startet der nächste Planungszyklus mit der Definition der Ziele und Schlüsselergebnisse für das kommende Quartal.
Um die Rückkopplung der Ziele und Ergebnisse aus der operativen Ebene der Verwaltungseinheiten in Richtung strategische Steuerung durch den Gemeinderat zu ermöglichen, werden die gesammelten Erfahrungswerte und -ergebnisse aus den Reviews aggregiert, ausgewertet und in öffentlicher Gemeinderatssitzung vorgestellt, sodass sie ihrerseits in die weitere strategische Planung der Jahresziele einfließen können.
Strategiekreis
Ein Strategiekreis, der idealerweise mit Vertretern des Gemeinderats und der Verwaltung besetzt ist, könnte an dieser Stelle die koordinierende Funktion übernehmen. Dieser begleitet auf übergeordneter Ebene den gesamten Prozess und dokumentiert die gewonnenen Erkenntnisse. Die Besetzung mit Vertretern des Gemeinderats und der Verwaltung erleichtert den Dialog. Denkbar ist, dass der Strategiekreis sich – dem Planungszyklus entsprechend – vierteljährlich zu einem Gesamtreview der aggregierten Ergebnisse zusammenfindet und basierend auf den Erkenntnissen ggf. Empfehlungen an den Gemeinderat ausspricht.
Es bietet sich an, den Strategiekreis auch als vorbereitendes Gremium zur Definition der strategischen Vision zu nutzen und so das Gesamtgremium Gemeinderat zu entlasten. Durch die Einbindung von Verwaltungsvertretern in den Strategiekreis ist die fachliche Rückkopplung – über den Bürgermeister hinaus – und damit auch die Einbindung der operativen Ebene deutlich einfacher, und das gegenseitige Verständnis der Beteiligten kann deutlich verbessert werden.
Fazit
Mit der Anlehnung an die Idee der Objectives and Key Results, die mit den iterativ-inkrementellen Feedbackschleifen ein organisationales Lernen auch auf strategischer Ebene ermöglichen und dabei die operative Ebene mit der strategischen Ebene koppeln, ergibt sich die Möglichkeit, die Zusammenarbeit zwischen Kommunalpolitik und Verwaltung stärker zu verzahnen und auch eine engere Rückkopplung zu erzeugen. Durch die rhythmisierte Rückkopplung in vierteljährlichem Rhythmus ergibt sich die Möglichkeit einer hohen Anpassungsfähigkeit an neue Erkenntnisse und fortschreitende Erkenntnisse bzw. auch die Chance, früh auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren zu können. Allerdings ist der methodische Rahmen sehr anspruchsvoll, da er auf einen hohen Selbstorganisationsgrad setzt.
Leider gibt es bisher im öffentlich-rechtlichen Kontext kaum Erfahrungen in der Adaption des methodischen Rahmens der Objektives and Key Results. Über entsprechende Rückmeldungen würden wir uns daher freuen.
Ich bin Fan von OKRs, sehe es aber genauso wie Oliver. Dabei ist nicht nur die politische Realität ein Hindernis, sondern auch der fehlende Mut bzw. Erfahrung zur strategischen Steuerung in den Verwaltungsvorständen. Vielleicht sind aber OKRs ein interessantes Mittel, um strategische Vorhaben oder Projekte, sei es größere oder auch kleinere, zu steuern. Thomas, vielleicht wären OKRs ein schönes Thema für das BarCamp in Ettlingen. Mal sehen.
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Leider ist mir keine Kommune bekannt, die sich derzeit mit dem Einsatz von OKR befasst.
Die hier skizzierten Gedanken zum Einsatz von OKR in der strategischen Steuerung von Kommunen finde ich erst einmal stimmig und diskussionswürdig. Insbesondere die strategische Sicht nicht auf Mehrjahresperspektiven zu „zementieren“, sondern mit unterjährigen Reviews und Retrospektiven zu arbeiten, gut. Ebenso den Ansatz, politische Vertreter des Gemeinderates, den BM, weitere Verantwortliche der Verwaltung und die Öffentlichkeit (über Information) zusammenzubringen.
Auf der anderen Seite darf nicht vergessen werden, dass die politische Rationalität und die Management-Rationalität sich nicht überall entsprechen. Ich denke an die langjährigen Bemühungen der KGSt zum Thema Strategisches Management und die Umsetzungsprozesse in Kommunen – mit mehr und mit weniger Erfolg.
OKR kann meiner Meinung nach aber ein Ansatz sein, das Thema „aufzufrischen“!
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