Anwendungsszenarien für Obeya in der öffentlichen Verwaltung

Obeya ist ein Ansatz, der auf Visualisierung von Informationen setzt. Der Begriff „Obeya“ kommt aus dem Japanischen und wird gerne mit „Big Room“ (also „großer Raum“) übersetzt. Der Ansatz wurde durch den japanischen Automobilhersteller Toyota einem breiten Publikum bekannt; unter anderem entwickelte der Automobilhersteller innerhalb von nur 7 Monaten den Toyota Prius bis zur Marktreife. Eine außergewöhnliche Leistung, wenn man die übliche Entwicklungsdauer eines PKWs bis zur Serienreife kennt. In der Regel sprechen wir hier von zwei oder mehr Jahren

Das visuelle Management eines Obeya ist auch für die öffentliche Verwaltung geeignet. Davon bin ich fest überzeugt. Mit diesem Blogartikel möchte ich mögliche Anwendungsszenarien aufzeigen und anregen, die Idee auszuprobieren.

Obeya – kurz erklärt

Ziel von Obeya ist es, alle Menschen, die mit Informationen zu einer Entscheidung beitragen können, in einem großen Raum zu versammeln, damit sie in den Austausch treten und gemeinsam beraten und gute Entscheidungen treffen können.

Es gibt „feste Plätze“ für bestimmte Informationen, wodurch alle Beteiligten jederzeit wissen, wo sie welche Informationen finden. Die wichtigen Informationen sind visuell aufbereitet und für alle sichtbar; Zusammenhänge lassen sich daher schnell erkennen. Obeya dient also der Sicherstellung von qualitativ hochwertigen Entscheidungen. Zur Unterstützung dienen fest Kadenzen, in denen man sich trifft, um in den Austausch zu treten. Ausführlicher haben wir es bereits hier beschrieben: #AusAgilenMethodenkiste: Visuelles Management mit Obeya | 11 Prinzipien für die Umsetzung

Anwendungsszenarien in Behörden

Die folgenden drei Anwendungsszenarien im Kontext einer öffentlichen Verwaltung zeigen mögliche Einsatzmöglichkeiten und deren Ausgestaltung auf:

Strategische Steuerung der Gesamtorganisation

Jede Behörde hat einen gesetzlichen Auftrag. Hinzu kommen die strategischen Ziele der jeweiligen Behörde. Hier kann Obeya wertvolle Unterstützung leisten. Es hilft bei der notwendigen Ausrichtung der Umsetzung und schafft Klarheit über die Wirksamkeit der Maßnahmen. Es unterstützt das Reflektieren und Anpassen der Strategie durch die Einbindung von Feedbackschleifen aus den untergeordneten Ebenen. Das Obeya wird zum „Informationscockpit“ der Behördenleitung (Behördenleitung und ggf. Referatsleitung), in dem alle operativen Informationen aggregiert zusammengeführt und mit der strategischen Zielrichtung der Gesamtorganisation in Beziehung gesetzt werden. Dies umfasst z. B.:

  • die strategischen Ziele der Gesamtorganisation
  • Überblick über die strategischen Themen der Organisation und deren aktuellen Umsetzungsstand
  • strategischer Rahmen und Zeitplan für strategische Maßnahmen
  • Umsetzungsmetriken zur Messung der Wirksamkeit der strategischen Ziele
  • mögliche Hindernisse und Feedbackschleifen der untergeordneten Ebenen.
Verbesserungskata als Beispiel für Reflexionsschleifen

Das Obeya bietet die strukturierte Grundlage für die wöchentlichen Regel- und Abstimmungsrunden auf der Ebene der Verwaltungsspitze und dient gleichzeitig als „Informationsüberblick“ für den Austausch mit politischen Entscheidungsträgern.

Fachbereichsübergreifende Koordination von Teams

Obeya eignet sich auch zur Unterstützung der bereichsübergreifenden Abstimmung zwischen den Fachbereichsleitungen (taktische Ebene) innerhalb eines Dezernats. Aus den strategischen Zielen der Gesamtorganisation werden die „strategischen Ziele“ für das Referat abgeleitet, aus denen wiederum Umsetzungsmaßnahmen und entsprechende Kriterien für die Wirksamkeit der Maßnahmen abgeleitet werden können.

Zusammen mit der Übersicht über die aktuellen Themen und den dazugehörigen Metriken zur Wirkungsmessung sind hier alle relevanten Daten, Erkenntnisse und Sachstände in einer visuellen Informationszentrale zusammengefasst. Damit stehen den jeweiligen Abstimmungsrunden der Abteilungsleitungen mit der Abteilungsleitung alle wichtigen Fakten und Vorgänge in einer Übersicht zur Verfügung.

Die hier gewonnenen Erkenntnisse können – aggregiert – z.B. im Rahmen einer wöchentlichen Regelbesprechung wieder auf die Ebene der Abteilungsleitung zurückgespiegelt und im Hinblick auf neue Erkenntnisse diskutiert werden.

Beispiel eines Kanbanboard zur Steuerung von Beschlussvorlagen als Teil eines Obeyas


Ein Portfolio-Kanban gibt einen guten Überblick darüber, welche Fachbereiche aktuell an welchen Themen mit welcher Priorität arbeiten, welche Themen derzeit zurückgestellt sind und welche Themen bereits abgeschlossen wurden. Fortschritts- und Wirkungsmetriken geben Hinweise darauf, welche Maßnahmen tatsächlich geeignet sind und wo mögliche Hindernisse auftauchen bzw. eine vertiefte Reflexion der Zusammenarbeit oder gar Anpassungsbedarf besteht. Engpässe können so frühzeitig erkannt, Prioritäts- und Zielkonflikte transparent und sichtbar gemacht werden. Dies ermöglicht eine gezielte Bearbeitung und Lösung von Hindernissen.

Projekt- und Teammanagement mit Obeya
im Fachbereich und Sachgebiet

Wenn in einem Team eines Fachbereiches bereits ein Kanban- oder Scrum-Board existiert, ist dies eine gute Ausgangslage für den Aufbau eines Obeyas, da bereits eine Visualisierung vorhanden ist, auf der aufgebaut werden kann. Im Fachbereich verschaffen sich die Teammitglieder bereits in der täglichen Dienstbesprechung einen Überblick über die anstehenden Aufgaben und Themen und tauschen sich über mögliche Hindernisse aus. Die Integration von Meilensteinzielen (Iterationszielen, Sprintzielen), die aus den strategischen Zielen des Teams abgeleitet werden, bietet Orientierung bei der täglichen Entscheidungsfindung.

Mögliche Verbesserungsmaßnahmen und deren Wirksamkeit finden sich ebenfalls im Team-Obeya wieder, wodurch bereits in der täglichen Umsetzung neue Erkenntnisse gewonnen werden können, die dann in den Reflexionsrunden des Fachbereichs, z.B. im Rahmen einer zweiwöchentlichen Team-Retrospektive, aufgegriffen werden können.

Durch die Visualisierung von Fortschritts- und Verbesserungsmetriken kann frühzeitig erkannt werden, ob die geplanten Maßnahmen greifen oder ob es Anpassungsbedarf gibt. Eventuelle Zeitpläne, die Auswirkungen auf die Tagesplanung haben, sind durch die Visualisierung im Rahmen der Teamretrospektive sofort präsent.

Beispiel für ein einfaches digitales Kamshibai-Board


Ein Kanban-Board (und ggf. ein Kamishibai-Board für periodisch wiederkehrende Aufgaben) gibt einen Überblick über die aktuellen Aufgaben, deren Priorität und den jeweiligen Stand im Arbeitsfluss des Teams

Obeya als Verknüpfung zwischen Strategie, taktischer Ebene und operativer Umsetzung

Im Idealfall sind alle drei Ebenen ähnlich strukturiert und miteinander verknüpft, so dass die jeweiligen Obeyas sowie das „Monitoring“ ineinander greifen und sich ergänzen. Informationen fließen von oben nach unten und von unten nach oben. Obeya unterstützt hier ein Problem, das in vielen Organisationen zu beobachten ist: die fehlende Verbindung zwischen Strategie, Taktik und Umsetzung. Informationen fließen leichter über alle Ebenen hinweg und ermöglichen Reflexion und Anpassung im Rahmen eines gemeinsamen Lernens innerhalb der Organisation. Genau das Richtig, auch für die öffentliche Verwaltung.

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