Woran merken wir, dass wir mit unserer Arbeit, mit einem Projekt stecken geblieben sind? Woran können wir feststellen, dass nur noch ein letzter Schlenker, ein Ziehweg, ein bisschen zusätzliche Mühe fehlt, um ins Ziel einzufahren? Oder umgekehrt, wann wir lieber ein glanzloses Ende einleiten sollten – und dabei vielleicht einiges aus der Konkursmasse retten, statt vergeblich auf das gute Ende, den sonnigen Erfolg zu hoffen? Was kann helfen, ein glanzloses Ende zu vermeiden und was ist, wenn wir merken, dass lange Geplantes noch gar nicht angefangen, der Beginn verschoben und verschoben wurde?
Letztgenanntes, die Mühe des Anfangens, ist das Thema des vorletzten Teils unserer 8-teiligen Artikelserie. Genauer:
- Aufschieberitis oder welcher Prokrastinations-Typ bin ich?
- Exkurs: Mit kleinen Änderungen neue Routinen aneignen
- Das weiße Blatt starrt mich an
Teil 7 – Dinge (endlich) beginnen
Aufschieberitis oder welcher Prokrastinations-Typ bin ich?
Wir alle tun es. Mindestens gelegentlich. Das Fensterputzen aufschieben ist es bei mir. Das dauert bei meiner Wohnung eigentlich nicht lange. Trotzdem warte ich meistens, bis man fast nicht mehr rausschauen kann. Und immer fange ich erst kurz vor Sonnenuntergang an. Das Ergebnis: Putzstreifen über Putzstreifen, die aufwändig nachgearbeitet werden müssen, denn natürlich stehen die Zimmerpflanzen wieder auf der Fensterbank.
Nun ist das Aufschieben und Verschieben von Aufgaben nicht grundsätzlich schlecht. Es kann ja darum gehen, unwichtiges nach hinten schieben und dafür wichtiges oder dringendes zuerst zu erledigen. Das ist natürlich sehr sinnvoll. Bei Prokrastination geht es aber um ein Verhaltensmuster, dass uns daran hindert zu tun, was wirklich getan werden muss. Und zwar in einem für uns nachteiligen Sinn.
Prokrastination ist keineswegs ein seltenes Phänomen, im Gegenteil. Es wird auch nicht grundsätzlich als negativ empfunden. Viele fühlen sich – wenigstens anfänglich – durchaus wohl damit. Manche stilisieren Prokrastination sogar zu einem Lifestyle. Ab einem bestimmten Zeitpunkt oder Ausmaß kann Prokrastination aber einen erheblichen Leidensdruck erzeugen, sich sogar zu einer psychischen Störung entwickeln. Häufig entstehen auch körperliche Probleme wie Kopfschmerzen, Verspannung oder Schlafstörungen. Hier ist professionelle Hilfe angesagt.
Unsere Tipps fokussieren auf die milden Formen der Aufschieberitis.
Erkennen Sie sich im Folgenden wieder?
Ein nicht ganz ernster Test
Ich brauche Torschlusspanik, um richtig konzentriert zu arbeiten
Es gibt Leute, die meinen, dass sie nur unter Druck gut arbeiten können. Also schieben sie so lange alles auf, bis es beinahe zu spät ist und kaum Zeit bleibt, die Arbeit ordentlich zu erledigen. Manche können das gut und erzielen tatsächlich in kurzer Zeit erstaunliche Ergebnisse. Der Stress setzt Adrenalin frei: Beste Voraussetzungen sich zum Adrenalinjunkie zu entwickeln und immerzu erst im letzten Moment zu beginnen. Auf Dauer geht dieses Verhalten aber nicht gut.
Termin auf Termin, Kalender voll, busy, busy, ich find‘s klasse, wenn viel los ist
Sie ziehen die Aufgaben an wie Magneten. Kann sein, dass die Personen in diese Position gedrängt wurden. Es kann aber auch sein, dass sie nicht gut delegieren können, meinen, dass nur sie die Aufgabe in der erforderlichen Qualität erledigen können. Oder, dass es ihre Rolle ist. Die natürliche Folge: Nach und nach wird die Arbeit zu viel, der Überblick geht verloren, Fehler beginnen sich einzuschleichen. Es kann in einer mentalen Blockade enden, bei der nichts mehr geht.
Ich bin die/der Beste
Dahinter kann eine Person stehen, die besonders kompetent scheinen möchte. Vielleicht ist sie es auch. Entscheidend ist: Das ist diesen Personen nicht genug. Die anderen sollen ihr die Leistungsfähigkeit und Qualitätsarbeit auch zuschreiben. Damit ist der Weg, sich dauerhaft zu überfordern, und mit seinen Aufgaben hinterherzuhinken, geebnet.
Ach, wie interessant, das muss ich mir mal gleich anschauen
Wer sich leicht ablenken lässt, ist vielleicht nicht richtig gefordert oder hat eine langweilige repetitive Arbeit. Mit der Zeit fällt es immer schwerer, den Pflichten nachzugehen. Von hier aus führt der Weg in direkt in verschiedenste Ersatzhandlungen, die Beschäftigung vortäuschen.
Was kann man gegen Aufschieberitis tun?
- An erster Stelle sollte man versuchen, die Gründe für das Aufschieben herauszufinden. Das ist leider nicht ganz leicht und vielleicht auch nicht von heute auf morgen erledigt, ist aber dennoch wichtig.
- Ablenkungen auszuschalten, ist hilfreich. Tipps dafür gibt es weiter unten und im Teil 5 „Fokus, Fokus, Fokus“ unserer Artikelserie.
- Sich selber mit kleinen Hacks überlisten und damit fast unbemerkt neue Routinen lernen, die dafür sorgen, dass man leichter beginnt oder gar in den Flow kommt. Das funktioniert wirklich, wie der kleine Exkurs „Mit kleinen Änderungen neue Routinen aneignen“ weiter unten zeigt.
- Sich auf Wichtiges konzentrieren. Tipps, wie man das machen kann, gibt es im ebenfalls im Teil 5 „Fokus, Fokus, Fokus“ unserer Artikelserie.
- Vielleicht überraschend: Angenehme Aufgaben zuerst tun. Also mit 2, 3 kleinen Sachen anfangen, die man gerne tut. Das macht gute Laune, man kommt in den Fluss und hat Schwung für die unangenehmeren oder schwierigeren Dinge.
- Realistische Ziele setzen. Hilfreich sind verbindliche Zwischentermine für die Ziele. Sie zwingen zu einem frühen Anfangen.
- Aufgaben in kleine Stückchen aufteilen. So stellen sich immer wieder kleine Erfolgserlebnisse ein.
- Sich für Erledigtes belohnen. „Wenn ich das fertig habe, trinke ich einen Tee/Kaffee“, mache einen Spaziergang, etc.
- Unterstützung holen. Zum Beispiel gemeinsam mit anderen die Arbeit priorisieren und Ziele und Qualitäten festlegen. Perfektionisten können ihre Arbeit durch jemand anderes abnehmen lassen.
Kernbotschaft
Wer prokrastinatives Verhalten an sich feststellt, hat den ersten Schritt scon getan. Von da an gibt viele Möglichkeiten sich selbst zu helfen oder besser: Kleine oder große Hilfe anderer anzunehmen.
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- Blogbeitrag über Prokrastination
- Welcher Prokrastinations-Typ bin ich?
- Prokrastinations-Test der Universität Münster
Exkurs: Mit kleinen Änderungen neue Routinen aneignen
Der Neujahrs-Vorsatz 15 Kilo abzunehmen, ist schon nach wenigen Wochen dahin. Dreimal die Woche 5 Kilometer zu joggen, hat von Beginn an nicht funktioniert. Die vereinbarte Familienzeit ab 18 Uhr einzuhalten, erweist sich als schwierig. Der Berg der unvollendeten Vorhaben wächst stetig. Dabei wissen wir eigentlich alle: Gewohnheiten sind extrem zählebig. Sie zu ändern, ist schwierig – aber nicht unmöglich. Es gibt Rezepte, wie das Annehmen von neuen Gewohnheiten leichter funktioniert.
Jon Acuff beschreibt in seinem Buch: „Bring es zu Ende! Wie man mit mehr Spaß und weniger Perfektion alle Ziele erreicht – und sich selbst belohnt“, wie man dem übertriebener Perfektionismuswahn ein Schnippchen schlägt und mit mehr Spaß Ziele erreicht.
Dr. BJ Fogg mit seinem Buch „Die Tiny Habits®-Methode: Kleine Schritte, große Wirkung“ und James Clear in „Die 1%-Methode – Minimale Veränderung, maximale Wirkung“ leiten dazu an, kleine Schritte zu machen. Dinge anzupacken, mit denen man gute Gewohnheiten fördert, um schlechte loswerden. Wichtig ist, sich zunächst die Auslöser für das Verhalten bewusst zu machen. Dann die neuen Routinen so zu gestalten und auszuwählen, dass sie Spaß machen oder Anerkennung und Respekt bringen. Unmittelbare Belohnung für kleine Erfolge hilft, nach-und-nach die großen, hartnäckigen Probleme zu lösen.
Kernbotschaft
Um erfolgreich gegen Aufschieberitis – und andere schlechte Gewohnheiten – vorzugehen, ist es besser, viele kleine Schritte zu machen.
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Das weiße Blatt starrt mich an
Manchmal fehlt nur ein kleiner Schubs, um anzufangen. Oft ist es viel leichter in eine Aufgabe hineinzufinden – das Verfassen eines Berichts, eine schwierige Stellungnahme oder ein umfangreicher Beschluss – wenn schon etwas da ist.
Was kann man tun?
- Pairwriting oder Pairworking: Man setzt sich zu zweit zusammen, vereinbart einen Zeitraum – 20, 30 oder 90 Minuten zum Beispiel – und startet ein leeres Dokument. Eine Person beginnt zu schreiben, sagen wir 5 Minuten lang, die andere schaut zu. Danach wird gewechselt. Die andere Person ergänzt, modifiziert, überschreibt, was zuvor geschrieben wurde. Diese Methode funktioniert auch sehr gut online. Man braucht dazu nur ein Tool wie Collabora, welches die gleichzeitige Arbeit an einem Dokument erlaubt.
- Fallkonferenz: Aufgaben des Tages oder der Woche werden in einem zeitlich fixierten Schema im Team vorgestellt und diskutiert. Die Lösungsansätze werden notiert. Das hilft bei der anschließenden Bearbeitung.
- Sich nicht leerschreiben. Bei längeren Aufgaben macht es Sinn, mitten im Fluss aufzuhören. Die Arbeit geistert so noch eine Weile im Kopf. Am nächsten Tag findet man dadurch leichter Anknüpfungspunkte, um wieder in den Fluss hineinzufinden.
Alle Methoden bieten einen gedanklichen Einstieg in die Aufgabe, man fängt bei der anschließenden Durcharbeitung nicht mehr bei null an.
Kernbotschaft
Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, die „Angst vor dem weißen Blatt“ zu bekämpfen.
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Ausblick
Mit dem nächsten Beitrag – Teil 8 – geht unsere Artikelserie zu Ende. Was macht man am Ende? Aufräumen! Und das wird unser nächstes Thema sein.
Die Artikelserie
- Teil 1 – Stories und Erfahrungen
- Teil 2 – Es ist vorbei, bye, bye: Erkennen, wann etwas zu Ende ist
- Teil 3 – Ausflug in den Zeitgeist: Prokrastination als Lifestyle versus Selbstoptimierung und Sparking Joy
- Teil 4 – Konzepte und Instrumente, um Dinge zu Ende zu bringen
- Teil 5 – Fokus, Fokus, Fokus
- Teil 6 – Konto Lebenserfahrung
- Teil 7 – Dinge (endlich) beginnen
- Teil 8 – Aufräumen