Digitalisierung, agile Werte und die sozio-ökologische Transformation

Vorab: Was ist die sozio-ökologische Transformation? Die Idee dahinter ist, dass die Bewältigung der Klimakrise gesellschaftlich nur gelingen kann, wenn Nachhaltigkeit zugleich ökologisch, sozial und ökonomisch gedacht und umgesetzt wird. Das bedeutet, dass zum Beispiel bei neuen Technologien auch auf Arbeitsplatzerhalt bzw. Beschaffung neuer Arbeitsplätze geschaut wird. Oder dass die Einführung von klimagerechten Maßnahmen auch die sozialen Aspekte bedacht werden. Die Hans Böckler Stiftung schreibt dazu: „Der Umbau zur Erreichung der Klimaziele kann nur gelingen, wenn er demokratisch, fair und sozial-nachhaltig ausgestaltet wird“.

Behörden und Verwaltungen spielen hier eine zentrale Rolle, als Gestalter:innen und als Verbraucher:innen. 2017 hat die Bundesregierung zum Beispiel rund 1,255 Milliarden Blatt Papier verbraucht – das sind eine Menge Bäume, die bis heute in Aktenschranken liegen. Im Landkreis Calw ist das Dach im Rathaus unter dem Gewicht der vielen Akten fast eingebrochen, weswegen dort der Bürgermeister früh auf einen digitalen Archiv gesetzt hat. Das neue Bürokratieentlastungsgesetz sieht deswegen vor allem Digitalisierungsmaßnahmen vor, die den Papierverbrauch in Behörden, Verwaltungen, sowie in der Wirtschaft verringern soll.

Ein Blick nach Brasilien lässt uns verstehen, wie wichtig digitale Prozesse sind, um Existenzen zu sichern. Während der Corona-Pandemie hat die Regierung – trotz Widerstand des damaligen Präsidenten – es geschafft, eine Art „bedingungsloses Grundeinkommen“ an die Ärmsten auszuzahlen. Und zwar großenteils digital, vor allem durch das landesweite Programm „PIX“ mit dem in Echtzeit eine digitale Überweisung an eine elektronische Geldbörse getätigt werden kann. Alle gemeldeten Brasilianer:innen, die eine E-Mail Adresse, eine Handynummer und einen PIX code haben, können Geld erhalten. Sogar die Kokosnüsse am Strand kann man damit bezahlen.

Würde das gleiche in Deutschland funktionieren? Im Podcast „Lage der Nation“ (einer meiner Lieblingspodcasts, übrigens) sprechen Ulf Buermeyer und Philip Banse über das versprochene „Klimageld“, das laut Koalitionsvertrag bereits dieses Jahr ausgezahlt werden soll. Unabhängig davon, ob genug Geld in der Kasse ist (Spoiler – ist nicht) stellen sie mit Erstaunen fest, dass die Regierung nicht in der Lage wäre, eine Eimalzahlung an alle Bürger:innen zu machen. Erst 2025 soll das – wenn überhaupt – möglich sein.

Frau arbeitend online Image by pch.vector on Freepik

PIX und agile Werte

Das Besondere am PIX-System ist seine Übereinstimmung mit agilen Werten, allen voran „Working Software“ und „Responding to Change“. Im Artikel „Lessons from Pix: How to build a real-time payments platform at its full potential” schreiben die Autor:innen, dass die’ “simplicity, extensibility, and potential for data richness” PIX zu einem kraftvollen Werkzeug machen. Unter “Extensibility” – also die Erweiterbarkeit des Programms – verstehen die Autor:innen eine Art Anpassungsfähigkeit. PIX ist kein Endprodukt, sondern ein Plattform, dass gestalbar und flexibel ist: „Pix’s extensibility and evolvability allow the protocol to adapt easily without the need to change the base protocol”. Ich bin zwar kein Softwaremensch aber ich verstehe, dass hier eine Idee mitschwingt, dass nicht das Produkt, sondern der oder die User:in im Vordergrund steht.

Und vor allem – PIX simple. Keine Anmeldung, keine Schlangen stehen, einfach nur eine QR-Code. Und genau diese Einfachheit ist grundlegend für finanzielle Inklusion und letztendlich auch für die sozio-ökologische Transformation. Die Klimakrise ist komplex mit vielen Schichten von historischen Fehlentscheidungen, Ängsten und starken Lobbys. Wir brauchen einfache, easy-to-understand Lösungen, die Menschen mitnehmen und die Auswirkungen der Klimakrise greifbar machen. Lösungen, die aber auch aufzeigen, was jede:r tun kann, um die massiven klimaschädlichen Auswirkungen unseres Verhaltens zu verringern. Im ersten operativen Jahr hat PIX dazu geführt, dass mehr als 45 Millionen Brasilianer:innen, die vorher keine elektronische Finanzprodukte wie Onlineüberweisungen genutzt haben, plötzlich online Geldtransfers durchgeführt haben. Stellt euch vor, wir würden den Ausstieg aus fossiler Energie so einfach machen. Wouldn’t that be great.

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert