Als Voraussetzung für eine agile Kultur in Organisationen wird oft das entsprechende mindset gefordert – vor allem von Führungskräften. „Mindset ändern“ – das hört sich nach einer platten Floskel an, ist für Veränderung unumgänglich, aber auch nicht mal eben getan. Eine kurze Reflexion zu einem komplexen Thema.
Geisteshaltung oder Denkweise würde der Begriff „mindset“ übersetzt im Deutschen heißen. Ergänzt um einen konkreten Bezug trifft die Bedeutung meiner Meinung nach genauer zu. Vereinfacht dargestellt geht es um die individuellen Einstellungen bzw. Haltungen einer Person zu etwas, in diesem Fall im Wandel von Organisationen.
Einstellungen werden zum Beispiel durch Erziehung, Zugehörigkeit, Vorbilder und Erfahrungen geprägt. Aus diesem „mindset“ heraus werden Dinge und Situationen positiv oder negativ bewertet, und die Personen verhalten sich dementsprechend. Einstellungen wirken wie ein Kompass, an dem Menschen sich orientieren, mit dem sie durchs (Arbeits-)Leben steuern und anhand dessen sie entscheiden und gestalten.
Mit der Einführung von Agilität wird in Organisationen erwartet, dass Beteiligte im Sinne der Veränderungsziele handeln. Die Rolle von Führungskräften hat bekanntlich besondere Signalwirkung und setzt Glaubwürdigkeit voraus. Sie stehen daher mit ihrem „mindset“ in Wandelprozessen besonders im Fokus – bleiben wir daher in der weiteren Betrachtung bei dieser Rolle. Nicht jede Führungskraft will verständlicherweise bei Einführung neuer Konzepte ohne weiteres neue Werte einfach so übernehmen und sie vertreten. Vielleicht passen diese ja gar nicht in das eigene „mindset“ und zu den eigenen Erfahrungen. Was heißt das nun für die Veränderungsfähigkeit von Organisationen und ihre Menschen?
Die Veränderung der Einstellungen ist möglich, braucht aber je nach Verankerung und Kontext sowie Motivation und Fähigkeiten mehr oder weniger Zeit. Die Veränderung der inneren Haltung, selbst wenn sie von einer Person gewollt ist, ist kein funktionaler Prozess und lässt sich nicht mit einem Fingerschnippen bewerkstelligen. Es braucht Bewusstheit dazu, die Bereitschaft, Risiken einzugehen, und Erlebnisse mit dem Neuen, die positiv bewertet werden. Diese liegen aber zu Beginn von Veränderungsprojekten nicht vor. Das betrifft mehr oder weniger alle Beteiligten. Auch wieder sehr vereinfacht dargestellt, kann das also zu (Nicht-)Verhalten veranlassen, das nicht zum definierten Ziel passt. Das ist für das Veränderungsprojekt hinderlich und kann als Widerstand wirken. Unter anderem deshalb sind Veränderungsvorhaben oft komplex und gelingen nicht immer.
Ich halte es für möglich, sich bewusst für eine andere Einstellung zu entscheiden – und nach dieser zu handeln, auch wenn es zunächst gegen die Routinen geht und unbequem ist. Dazu braucht es Überzeugung und einen sehr guten Grund: ein Motiv, Leidensdruck oder auch die Fähigkeit zur Reflexion und Selbststeuerung, und Wille. Ein einfaches Beispiel dafür: Innerhalb weniger Monate hat sich mit der Fridays-for-Future-Bewegung die Einstellung vieler Menschen zu innerdeutschen Flügen verändert. Immer mehr Menschen steigen nun auf andere Verkehrsmittel um.
Ein anderer Weg zur Veränderung ist, nicht kognitiv, sondern empirisch dran zu gehen und auf Erfahrungen zu setzen: da hilft nur Ausprobieren mit der Bereitschaft, negative Erlebnisse zu haben und diese zu verschmerzen (also eigene Risikobereitschaft und Fehlertoleranz auch im Umfeld). Dabei ist eine bewusste Entscheidung möglichst aller Beteiligten im System mit eingeplanten Lernschleifen unterstützend, und so besteht die Chance für eine positive Erfahrung. Vielleicht hilft an dieser Stelle auch das Bild des Pioniers weiter, der mit seiner Mannschaft eine Tour in unbekanntes Gelände wagt.
Pioniere haben eine klare Vision und glauben fest an diese, gewinnen sogar andere dafür. Sie wissen um das Risiko des Scheiterns, richten sich darauf ein, dass sie unterwegs die Richtung ändern oder auf Plan B umstellen müssen. Sie haben sich gut vorbereitet und das entsprechende Equipment dabei. Sie tasten sich schrittweise durch das neue Gelände vor und machen es sich so vertraut. Sie bringen eine grundsätzliche Bereitschaft mit, dem Ungewissen mit Offenheit zu begegnen, Chancen zu nutzen und unangenehme Situationen und Ängste auszuhalten: eben ein Abenteuer zu bestehen.
Nun ist die Verwaltung kein Dschungel, in dem man freiwillig unter Gefahr unterwegs ist und Gesellschaft, Politik und Bürger wollen trotz paralleler Veränderungsnotwendigkeit zuverlässig ihre Leistungen haben. Hilft also das Bild des Pioniers, Hürden zu überwinden und sich auf den Weg für Veränderungen zu machen?
Verwaltungspioniere könnten anders als bisher bei Problemlösungen vorgehen und neue Rollen ausprobieren. Sie könnten sich als Auftraggeber und ein gebildetes Team als Auftragnehmer verstehen. Für den Auftraggeber würde das bedeuten, das gewünschte Ergebnis zu definieren und den Auftragnehmenden die Entscheidung überlassen, in welcher Art und Weise sie den Auftrag ausführen; sie könnten das Team coachen und beraten, wie sie gesteckte Ziele erreichen können. Für das Team kann es bedeuten, die gegebenen Freiräume auszunutzen und außerhalb der üblichen Muster zu agieren, nämlich zum Beispiel die Kunden nach ihren Vorstellungen zu fragen. Pionier-Führungskräfte könnten sich als Ermöglicher verstehen, Ressourcen zur Verfügung zu stellen und Hürden aus dem Weg zu räumen. Reflektion in gewissen Abständen hilft, erfolgreich zu kooperieren und gegebenenfalls den Kurs zu korrigieren. Dabei können alle gemeinsam aus unterschiedlichen Blickwinkeln Erfahrungen machen, die zum weiteren Ausprobieren, Lernen und Experimentieren ermutigen, einschließlich der Möglichkeit, zu scheitern und Plan B in Angriff zu nehmen. Im Kontext von Agilität können die Werte und Prinzipien des agilen Manifests eine Orientierung für das gemeinsame Verständnis geben, angewandt füllen sie die Kultur mit Leben.
Wie gehen Sie an die Veränderung von Überzeugungen heran? Was ist Ihr Ziel? Welche Schritte nehmen Sie sich vor?Wer gehört dazu? Wie sieht Ihre Expedition auf dem Weg zu einer innovativeren Verwaltung und einem anderen mindset aus?