Mythen der Agilität

Moin, ich bin Nick L. und seit nun fast drei Jahre schlägt mein Herz für Agilhausen. Hier ist vieles anders. Alle sind irgendwie cooler drauf. Obwohl wir nicht mal 5G haben und W-Lan-Hotspots sich nur langsam vermehren, scheinen sie es hier mit der Digitalisierung echt ernst zu meinen. Die einen oder anderen kennen mich vielleicht noch. Ich war bei der letzten Konferenz in Berlin im Storytelling-Workshop dabei. Heute muss ich mal was loswerden.

Es gibt viele Themen und Begriffe, die sich nicht mit einem Wort oder Satz beschreiben lassen. Oft ist es sogar besser, den Begriff nicht zu nutzen, wegen der Bedeutungsebene und so. Ihr wisst schon. So ist es auch beim Thema Agilität. Viele Informationen, Bücher, Artikel, Erfahrungsberichte und leider auch Mythen strömen durch die Welt. Doch was stimmt und was ist leider ein Mythos? Ich möchte heute meine Lieblingsmythen aus Agilhausen näher betrachten.

Nummer 1:

Agilität bedeutet nicht nur Scrum. Scrum ist ein methodisches Rahmenwerk und nur eine von über 40 anerkannten agilen Ansätzen. Ein weitverbreiteter Irrglaube in diesem Zusammenhang ist, dass es ausreicht, motivierte Menschen zu Scrum Mastern auszubilden, die dann nach einem zweitägigen Seminar ein Projekt herumreißen können. Neben Wissen und Können braucht es vor allem Zeit, die notwendigen Erfahrung zu sammeln.

Nummer 2:

Agilität bedeutet nicht nur, irgendwelche Post it’s von links nach rechts zu schieben. Eine weitere und wichtige Arbeitsweise ist die Arbeit mit (Personal) Kanban. Hier entsteht oft der Irrglaube, dass es ausreicht, Zettel von einer Spalte zur nächsten zu schieben. Das eigentliche Board, die Spalten, die Klebezettel, die Informationen entfalten nur ihre Wirkung, wenn die Prinzipien und Praktiken zu Kanban umgesetzt und gelebt werden. Die Systematik lässt sich schnell erklären und lernen. Das volle Potenzial entfaltet diese Arbeitsweise jedoch nur, mit einer ernst gemeinten Auseinandersetzung der Methodik.

Nummer 3:

Agilität bedeutet nicht, dass nur junge Leute agil sein können. Agilität ist keine Frage des Alters. In meinem Netzwerk und in Agilhausen erlebe ich, dass viele Menschen endlich so arbeiten können, wie sie sich es sich schon seit vielen Jahren wünschen. Meine Freunde vom Forum Agile Verwaltung bestätigen das immer wieder: Die Gesamtsituation, die Unternehmenskultur, die Haltung ist entscheidend, nicht das Alter.

Nummer 4:

Agilität bedeutet nicht, einfach planlos machen. Zwar erscheinen die agilen Ansätze im Vergleich zu den klassischen Methoden einfach. Dennoch steckt der Teufel im Detail. Agilität lässt sich nicht einfach von oben herab verordnen und einführen, sondern braucht Zeit. Sie ist ein kultureller und mitunter schmerzhafter Wandel. Denn im Zuge dessen treten Dinge an die Oberfläche, die bisher unbeachtet waren. Agilität bringt die Schmerzpunkte der Organisation ans Tageslicht. Dieser organisatorische Schmerz kann überfordern. Noch dazu, wenn mit der Agilität zu hohen Erwartungen verbunden werden, wie schnelle Veränderungen der kompletten Struktur.

Nummer 5:

Agilität heißt nicht, mehr Arbeit in weniger Zeit. Wer sich mit agilen Arbeitsweisen ernsthaft auseinandersetzt, wird schnell feststellen, dass sehr viel kommuniziert wird. Absprachen, Planungsmeetings, Feedbackschleifen, Aufgaben werden präzisiert, Anpassung der Zielrichtung und vieles mehr. Durch dieses Vorgehen wird die Zusammenarbeit intensiviert. Das erfordert Disziplin bei allen Akteuren. Nicht die eigentlichen Aufgaben steigen an, sondern die Geschwindigkeit des Lernens, um die Aufgabenerledigung und die Zusammenarbeit zu verbessern.

Nummer 6:

Agilität ist keine methodische Wunderwaffe. Auch wenn so Mancher den Eindruck hat, dass sich mit Agilität alle Probleme einer verkrusteten Struktur im Sinne einer höheren organisatorischen Anpassungsfähigkeit lösen lassen, so hat die Agilität ihre Grenzen. Sie kann nicht jedes Problem lösen. Die agilen Ansätze bieten einen Rahmen und Unterstützung. Sie schaffen eine Art Infrastruktur, in der weitere mögliche Methoden zum Einsatz kommen. Viele Probleme, an denen Organisationen kranken, lassen sich nicht ausschließlich durch agile Ansätze lösen. Es braucht nach wie vor weitere Ansätze und Methoden. Die agilen Methoden brauchen Unterstützung aus anderen Disziplinen und müssen ergänzt werden durch weitere Werkzeuge der Organisations-, Team-, Strategieentwicklung und Moderationstechniken.

Nummer 7:

Der Einsatz von agilen Methoden macht eine Organisation nicht sofort agil. Agile Methoden finden immer dort ihren Einsatz, wo Komplexität zu Hause ist. Dort entfalten sie ihre Stärken. Agile Methoden ergänzen die methodische Werkzeugkiste einer jeden Organisation. Stell dir vor, du baust einen Schrank zusammen, dann nimmst du für eine Schraube doch auch keinen Hammer. Jedes Werkzeug hat seinen Zweck. So entfaltet jede Methode ihre Stärken im richtigen Kontext. Agile Methoden können somit auch gut in einem nicht agilen Umfeld zum Einsatz kommen, um komplexe Sachverhalte anzugehen. Eine gute Werkzeugkiste und erfahrene Begleiter machen es möglich. Eine agile Methode kann eine Lösung für ein komplexes Problem hervorbringen. Die Organisations selbst ist damit jedoch nicht agil.

Nummer 8:

Agilität bedeutet nicht, dass die Führungskraft ausgedient hat. Ganz im Gegenteil. Führungsaufgaben ändern sich. Es bedarf eines neuen Blickwinkels. Es geht darum, die Menschen zu befähigen, ihnen ein Rahmen zur Verfügung zu stellen, in dem sich das volle Potenzial jedes Einzelnen entfalten kann. Führung kann rollenbasiert je nach Kontext übernommen werden. Dies zu fördern ohne Konkurrenzdenken ist ein sehr großer Schritt im Sinne der Zusammenarbeit und einer förderlichen Unternehmenskultur.

Nummer 9:

Agilität bedeutet nicht immer bunte und schrille Methoden. Es gibt viele Organisationen, die seit vielen Jahren eine evolutionäre Eigenentwicklung leben. Dabei spielt die Haltung, das Mindset die entscheidende Rolle. Nicht die hippen Methoden, die wirklich Spaß machen, bringen die Agilität in die tägliche Arbeitspraxis, sondern Disziplin, Mut und Durchhaltevermögen, die agilen Prinzipien mit jeder Aufgabe und an jedem Arbeitstag mit Leben zu erfüllen. So leben wir es in Agilhausen. Unsere Transformation begann vor ca. fünf Jahren und ist noch lange nicht zu Ende.

Nummer 10:

Ein agiles Mindset lässt sich nicht von heute auf morgen verordnen. Wie gewinnst du Vertrauen? Durch positive Erlebnisse. Wie sammelst du Erfahrungen? In dem du die jeweiligen Situationen erlebst und reflektierst. Wie funktioniert gutes Lernen? Mit Geduld, Zeit und den richtigen Rahmenbedingungen. So ist es bei der Entwicklung einer veränderten Haltung, dem Mindset. Das geht nicht von heute auf morgen, sondern mit vielen kleinen Schritten. Die Richtung ist entscheidend.

Es gibt sicherlich noch viel mehr Mythen. Mit einigen wird gern bei Twitter aufgeräumt. Welche Mythen sind dir schon über den Weg gelaufen?

2 Kommentare zu „Mythen der Agilität“

  1. Einer der größten falschen Mythen: „Agilität ist ein Ziel.“

    Aus meiner Sicht führt das immer wieder zu Problemen in Organisationen. Für mich ist Agilität ein Mittel, um zu selbst gesteckten Zielen zu kommen. Starte immer mit dem „Warum? / Wofür?“.

    Gefällt 3 Personen

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