Flüchtlingsprogramm „angekommen in deiner Stadt“: Kommune, Land und Stiftung kooperieren

Bildung, Begleitung und Betreuung für junge Geflüchtete – diese Herausforderung verlangt eine Vielzahl engagierter gesellschaftlicher Kräfte. Das Flüchtlingsprogramm „angekommen in deiner Stadt“ zeigt, wie es der Walter Blüchert Stiftung als Akteur der Zivilgesellschaft gelungen ist, in Nordrhein-Westfalen das Land – konkret das Ministerium für Schule und Weiterbildung – und kommunale Verwaltungen zusammenzubringen, Energien zu bündeln, Ressourcen zu entdecken und neue Netzwerke aufzubauen.

Nicht eine „Flüchtlingskrise“, sondern eine Verwaltungskrise konstatierten Autoren des deutschen Normenkontrollrats (https://www.dropbox.com/sh/o2ujlcja3xx663h/AADk5G6HWSrDHkCI32j21e7ga?dl=0). Sie zeigten, wie die – im wörtlichen Sinne – kleinkarierten Silostrukturen der deutschen Verwaltungslandschaft den Herausforderungen nicht mehr gewachsen waren. Der folgende Beitrag zeigt umgekehrt an einem konkreten Beispiel, wie das Zusammenarbeiten verschiedener Akteure aus Zivilgesellschaft und Verwaltung zu Erfolgen führt.Bildung, Begleitung und Betreuung für junge Geflüchtete – diese Herausforderung verlangt eine Vielzahl engagierter gesellschaftlicher Kräfte. Das Flüchtlingsprogramm „angekommen in deiner Stadt“ zeigt, wie es der Walter Blüchert Stiftung als Akteur der Zivilgesellschaft gelungen ist, in Nordrhein-Westfalen das Land – konkret das Ministerium für Schule und Weiterbildung – und kommunale Verwaltungen zusammenzubringen, Energien zu bündeln, Ressourcen zu entdecken und neue Netzwerke aufzubauen. Mitte 2014 begannen die Gespräche. Im Februar 2015 – noch vor dem großen Flüchtlingsansturm – wurde die erste Kooperationsvereinbarung für junge Flüchtlinge und Zugewanderte mit der Stadt Dortmund unterzeichnet.

Drei Akteure bündeln Ressourcen

Die Walter Blüchert Stiftung mit Sitz in Gütersloh setzt sich für Menschen ein, deren Teilhabe an der Gesellschaft schwierig bis aussichtlos erscheint. Sie hilft ihnen, ihre Potenziale zu entwickeln, so dass sie persönliche und gesellschaftliche Barrieren überwinden können. Gemeinsam erarbeiteten Stiftung, NRW-Schulministerium und der Fachbereich Schule der Stadt Dortmund entwickelten ein passgenaues Bildungs- und Integrationsangebot für Jugendliche der Internationalen Förderklassen an den Berufskollegs, eingebunden in bestehende Strukturen: „angekommen in deiner Stadt“ (vgl. www.an-ge-kommen.de).

Die Walter Blüchert Stiftung brachte Erfahrungen im Bereich Bildung für minderjährige Flüchtlinge ein und stellte der Kommune über mehrere Jahre einen Förderbetrag von jährlich 200.000 Euro zur Verfügung.

Das NRW-Schulministerium genehmigte für den Zeitraum eine volle Lehrerstelle für die pädagogische Leitung des Projektes. Als Schulaufsicht und übergeordnete Behörde der kommunalen Schulämter nahm – und nimmt – das Ministerium eine wichtige Rolle bei der Kooperation ein, da neue Konzepte ohne Zustimmung des Ministeriums nicht realisierbar sind.

An der Umsetzung in Dortmund arbeiten alle Berufskollegs, das Projektteam und die Mitarbeiter des Fachbereichs Schule der Stadt gemeinsam. Ein Beirat begleitet und steuert die Projektentwicklung.

Die Säulen des Programms

Das definierte Ziel zum Start: Etablierung eines regionalen, zielgruppenspezifischen, kompetenzorientierten und ganzheitlichen Bildungsangebots für geflüchtete und zugewanderte junge Menschen zwischen 16 und 25 Jahren in Dortmund und darüber hinaus das Angebot eines geschützten Rückzugsortes, in dem die Jugendlichen Sicherheit erfahren und sich zu Hause fühlen können.

Das Programm „angekommen in deiner Stadt“ basiert also auf einem zwei-Säulen-Modell. Die erste Säule besteht aus der Beschulung in Berufskollegs mit flexiblen Klassen. Die zweite Säule sieht die Betreuung und Begleitung der Jugendlichen in einem außerschulischen Lern- und Begegnungsort vor.

Beispiel Dortmund: Lernen auch in den Ferien

Die Vielfalt der Bildungsbiografien der jungen Flüchtlinge erfordert ein hohes Maß an individueller Förderung. Dies gelingt in Dortmund mit vereinten Kräften der Lehrer, Schulsozialarbeiter und umfangreicher externer Unterstützung – z.B. durch den Einsatz von Teach-First-Fellows, durch die Technische Universität (TU) Dortmund, die Schnupperkurse anbietet, oder durch Rotary-Spenden für Deutschkurse.

Das Team von Adam´s Corner, Dortmunder Treffpunkt der „angekommen“-Jugendlichen in einer ehemaligen Hauptschule, entwickelt Angebote, aus denen die Berufskollegs Fördermaßnahmen auch im Vormittagsbereich auswählen können – z.B. Zusatzkurse für Deutsch und Mathematik, Soziales Kompetenztraining, Sport, Ernährung sowie naturwissenschaftliche und handwerkliche Inhalte oder auch Alltagsthemen wie der Umgang mit Behörden.

Freizeitangebote werden  u.a. vom BVB-Lernzentrum des Fan-Projekts Dortmund e.V. und zahlreichen Vereinen gestaltet – mit Koch- und Schwimmkursen, Fußballtraining etc. Für viele junge Geflüchtete sind die „Lern-Ferien“-Kurse besonders wichtig. Derzeit – November 2016 – können ca. 1000 zugewanderte Jugendliche in 50 Klassen vom Programm „angekommen in deiner Stadt Dortmund“ profitieren.

Auch in Bielefeld, Münster und Recklinghausen

Dass das Dortmunder Modellprojekt für Kommunen erfolgversprechend ist, belegen die Folgeprojekte: Das Programm „angekommen in deiner Stadt“ wird seit September 2016 auch in Münster, Bielefeld und im Kreis Recklinghausen realisiert. Gemeinsam ist allen „angekommen“-Projekten das Zwei-Säulen-Konzept. Im Detail erfolgt die Umsetzung ganz unterschiedlich.

In Münster können umgestaltete Räume des Jugendausbildungszentrums JAZ für das „angekommen“-Programm genutzt werden. Hier unterstützt das  Amt für Schule und Weiterbildung mit den „MitSprache“-Kursen die Jugendlichen beim Spracherwerb. Und der Hochschulsport fördert mit einem Paten-Angebot in weit über 100 Sportarten das Kennenlernen und den persönlichen Austausch mit den Studierenden der Westfälischen Wilhelms-Universität.

In Bielefeld ist das Berufskolleg des Vereins BAJ mit der Durchführung der Nachmittagsangebote beauftragt. Seine Räumlichkeiten mitten in der Innenstadt dienen als zentrale Begegnungsstätte mit Gruppen- und Beratungsräume, Werkstätten etc. Auch die Regionale Personalentwicklungsgesellschaft (REGE) ist eingebunden. Ergänzend zum Schulunterricht erhalten die Jugendlichen nachmittags sowie in Ferienzeiten Angebote wie begleitetes Selbstlernen, Alltagshilfen und Kurse zur Persönlichkeitsentwicklung – auch im kulturellen und sportlichen Bereich.

Der Kreis Recklinghausen bezieht das Kommunale Integrationszentrum sowie das kommunalen Jobcenter ein und bietet zum Auftakt drei Begegnungszentren an: in Recklinghausen, Datteln und Gladbeck. Das Emscher-Lippe Netzwerk (ELNeT) unterstützt das angekommen-Projekt, organisiert z.B. Sprachförderung durch Integrationslotsen und Praktika.

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