Umgang mit Finanzknappheit: Sind die Kommunen in den Niederlanden „agiler“ als die in NRW?

In einem sehr lesenwerten Beitrag analysieren zwei kommunale Praktiker – ein Vertreter der GPA Nordrhein-Westfalen und ein Dozent von der Universität Utrecht – die unterschiedlichen Strategien, mit denen niederländische und NRW-Kommunen den finanziellen Herausforderungen in Folge der Finanzkrise begegnet sind. In unserem Zusammenhang interessiert natürlich besonders, welche Rückschlüsse sich daraus für die Einführung agiler Konzepte in unseren Kommunen ziehen lassen.

Die Dimensionen kommunaler Sparstrategien

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Abbildung 1: Fadenkreuz möglicher Strategien

Overmans und Timm-Arnold klassifizieren mögliche Antworten der Kommunen auf eine Situation der Finanzknappheit in einem strategischen Fadenkreuz, das in Abbildung 1 gezeigt wird. Das Schema wird von zwei Spannungslinien aufgespannt:

  • eine vertikale Linie wird zwischen steuerlichen und organisatorischen Änderungen aufgespannt;
  • eine horizontale Linie betrifft das Spannungsfeld zwischen Strategien, die auf Veränderungen setzen, im Unterschied zu Herangehensweisen, die eher die Stabilität betonen.

Daraus ergeben sich vier Kombinationen, die vier Quadranten eines Feldes entsprechen (siehe Abbildung 1): organisatorische Einschnitte, finanzielle Einschnitte, finanzielle Changes und organisatorische Changes.

Deutliche Unterschiede zwischen NL und NRW

Danach untersuchen die Autoren zwar nur wenige Städte (fünf niederländische und fünf aus NRW), diese aber sehr detailliert. Diese Städte sollten bezüglich sozio-ökonomischer Parameter möglichst ähnlich sein (um statistische Bias auszuschließen), bezogen auf das politisch-administrative System aber möglichst unähnlich sein (um Einflussfaktoren identifizieren zu können). Alle Einzelmaßnahmen dieser zehn Städte wurden in das Schema der Abbildung 1 eingeordnet, gewichtet und daraus ein Mittelwert gebildet, insgesamt 1.128 Maßnahmen.

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Abbildung 2: Verteilung der Zieldimensionen der Sparmaßnahmen aus 10 Städten (langfristige Wirkungen ab 2. Haushaltsjahr nach Einführung einer Maßnahme)

Das Ergebnis zeigt Abbildung 2: Nordrhein-Westfalen und die Niederlande unterscheiden sich danach deutlich in ihren städtischen Sparstrategien. Während die niederländischen Städte ihr Haushaltsgleichgewicht vor allem durch organisatorische Maßnahmen wieder zu erlangen versuchten, setzten die NR-Städte vor allem auf fiskalische Maßnahmen (und hier die Einnahmenseite, also durch Gebührenerhöhrungen).

Die Städte in den Niederlanden waren zudem – was das Schaubild nicht zeigen kann – vielfältiger in ihren Maßnahmen: sie wandten in der Regel alle vier möglichen Strategien an (wenn auch unrerschiedlich gewichtet), während die deutschen Kommunen jeweils nur zwei Strategien anwandten.

Welche Faktoren sind verantwortlich?

Was könnten die Gründe für diese Unterschiede sein? Timm-Arnold und Overmans leiten aus der Literatur ein Schema der Einflussfaktoren ab, wie über Sparpläne zustandekommen (siehe Abbildung 3).

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Abbildung 3: Einflussfaktoren für die Definition von kommunalen Sparplänen

Von diesen Einflussfaktoren interessieren uns – im Kontext der agilen Diskussion – vor allem zwei: die Verwaltungskultur und die Lebendigkeit kommunaler Diskussion.

Bezüglich der Verwaltungskultur unterscheiden sich die Niederlande und das deutsche Bundesland nur graduell: beide kommen aus einer legalistischen Perspektive, in der weniger der Dienstleistungsgedanke als vielmehr die Ausführung von Gesetzen als Ziel der kommunalen Verwaltung gilt. Allerdings habe sich in den Niederlanden, so die Autoren, ein Wandel hin zu einer mehr pluralistischen und konsensorientierten Auffassung ergeben.

Bezüglich der Diskussionslandschaft aber ergeben sich große Unterschiede zwischen beiden Ländern. Diese stelle sich in den Niederlanden eher als Streitkultur dar, die von einem breiten Mix von Ideen verschiedenster Quellen (von Kommunalpraktikern, Beratern, Wissenschaftlern und anderen Experten) gespeist werde. Dahingegen herrsche in Deutschland eher ein homogener Ideen-Mainstream, unter anderem dominiert durch die KGSt.

Was heißt das für unser Forum?

Für mich persönlich ist natürlich eine Herangehensweise, die eher auf organisatorische Veränderungen in Kommunen zielt, die spontan ideenreichere und sympathischere. Organisationsentwicklungen lassen sich eher zu Win-Win-Situationen gestalten, als dies bei Gebührenerhöhungen der Fall ist.

Das ist für uns aber auch eine große Herausforderung: entlang der konkrete Bedarfe der Kommunen neue agile Methoden zu erproben. Und dies auch in detaillierter Auseinandersetzung mit dem Neuen Steuerungsmodell und seinen Paradigmen.

Ich denke, dass unser Werkzeugkoffer für beide Aufgabenstellungen gut gerüstet ist.

Anmerkungen

/1/ Tom Overmans,  Dr. Klaus-Peter Timm-Arnold: Managing Austerity: Comparing municipal austerity plans in the Netherlands and North Rhine-Westphalia, in: Public Management Review, 2015, DOI: http://dx.doi.org/10.1080/14719037.2015.1051577

Autor: Wolf Steinbrecher

Volkswirt und Informatiker. Zuerst als Anwendungsentwickler in Krankenhäusern und Systemhäusern tätig. Dann von 1995 bis 2008 Sachgebietsleiter für Organisation und Controlling in einem baden-württembergischen Landkreis (1.050 MA). Seitdem Berater für Teamarbeit und Dokumentenmanagement. Teilhaber der Common Sense Team GmbH Karlsruhe, www.commonsenseteam.de. Blogger bei www.teamworkblog.de.

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