Liebe Leser/innen
Wahrscheinlich wundern Sie sich als Verwaltungsinteressierte, warum hier im Blog immer mal wieder Beiträge aus dem Bereich agil lernen und lehren auftauchen. Also aus einem Gebiet, das doch so weit entfernt von Verwaltungen und Silos scheint. Mit ein paar neuen Folgen aus unserer fiktiven Laborschule in Weit im Winkl wollen wir diesen Zusammenhang für Sie herstellen.
Und uns dabei an die Vision einer agil angehauchten Schulverwaltung wagen. Die mit einem eher geringen Aufwand so Vieles an den von ihnen verwalteten Schulen sich erfolgreich bewegen lassen könnte. Das Bild dazu gibt es hier. https://www.aufeigenefaust.com/2018/07/02/agil-schulverwalten/
Folge 2.1 – Wie alles begann.
Die Story
„Wir schreiben das Jahr 2033. Zwanzig Jahre ist es nun her, dass das Laborgymnasium in Weit im Winkl, kurz vor Basel erstes Tal rechts – also direkt an der Schweizer Grenze, zur „teilautonomen“ Schule wurde. Insiderkreise sprachen schon gar nicht mehr von Schule, sondern vom Café L.
20 Jahre Eigenständigkeit hatte der Schule einen phantastischen Ruf eingebracht. Ein Abitursschnitt, der in jedem Jahr weit über allen anderen gymnasialen Abschlüssen in Baden-Württemberg lag.
Ungefähr 10 Jahre ist es her, dass das kleine einzügige Schiller-Gymnasiums in Weit im Winkl, kurz „das Schiller“, der erstaunten Öffentlichkeit erzählte, dass es im Jahre 2013 zur Revolte angetreten war. 2013, das war der Beginn des großen vereinheitlichten Bildungssparprogramms im Ländle. Es war das zweite Jahr, in dem die Gymnasialempfehlung als Eintrittskarte für das Schiller weggefallen war und seither einfach alle Kinder dieser ländlichen Umgebung zu Gymnasiasten wurden. Es waren ja auch immer nur zwischen 25 und 30 Kinder, die sich in den zwei Grundschulen pro Jahrgang tummelten. Deshalb kooperierte das Schiller sehr schnell mit diesen beiden Schulen. Man kämpfte in der ländlichen Abgeschiedenheit mit Ideen gegen die immer über allem schwebende Bedrohung der Schließung aus Gründen der Ineffizienz. Die Bevölkerungspyramide speziell auf dem Land hatte für Schulen bedrohliche Formen angenommen.“
Kurz erzählt: Direktor Enderle kappte eines morgens die Leitungen zum Zentralcomputer des Kultusministeriums, um sich aus der engen Umklammerung der Behörden zu lösen.
„… Wie es Enderle vorausgesagt hatte, verschwand das Schiller unbemerkt vom Schirm des Regierungspräsidiums und vom Schirm des Kulturministeriums. Beim Landesamt für Besoldung und Versorgung ahnte man nicht, welche Ungeheuerlichkeit sich das Lehrerkollegium von Weit im Winkl geleistet hatte. Ja, sie hatten sich komplett aus dem Wahnsinn aus Vorschriften und Auflagen ausgeklinkt. Stecker gezogen. Und begannen ihre eigene Schule neu zu erfinden. …“
Eine kleine Gruppe Pädagog/innen rund ums Faust-Gymnasium Staufen hatte sich 2013 diese kleine Geschichte ausgedacht, um sich wie in einer Art persönlicher Zukunftswerkstatt eine eigene fiktive Schule zusammenzuschreiben, auf die man verweisen konnte. Speziell um Schüler/innen Mut zu machen. Um ihnen zu sagen, dass sie an vielen ihrer Schulprobleme keine Schuld tragen würden. Dass es viele dieser Probleme für sie in Weit im Winkl gar nicht gäbe. Das hat immer gut dabei geholfen, Schulprobleme nicht so schwer und belastend zu nehmen, wie das üblicherweise gemacht wird. Von Schüler/innen, aber auch von Eltern und von Lehrer/innen. Obwohl man als Erwachsener von Dutzenden Beispielen aus dem eigenen Freundes- und Bekanntenkreis weiß: Schulprobleme und späterer Lebenserfolg hängen nicht direkt zusammen. Beruflicher Erfolg hängt auch nicht von früheren Schulnoten ab. Einer der häufigsten Gründe für Schulprobleme: Die üblichen Jahrgangsklassen benachteiligen prinzipiell diejenigen, die sich langsamer entwickeln. Dabei ist langsamere Entwicklung überhaupt kein Leistungskriterium. Aber eine logische Erklärung für viele schlechte Noten. Man weiß inzwischen so viel über Gehirnentwicklung. Aber noch traut sich niemand an den öffentlichen Schulen an eine echte Blickwinkeländerung auf das Lernen und Lehren. Deshalb: Schule müsste prinzipiell anders aufgestellt werden. Wir behaupten: Agil. Wobei wir den Begriff sehr viel weiter fassen als üblich.
Die Story von Weit im Winkl haben wir später auch an Visionstagen für frischgebackene Schuldirektoren in der Schweiz verwendet. „Aufgabenstellung: Stellt euch vor, ihr hättet keine Schulverwaltungen, die euch reinreden. Wie würde dann eure Traumschule aussehen?“
„Als 2023 der ganze Schwindel aufflog, weil das Café L eine offizielle finnische Lehrerdelegation zu Besuch hatte, war dies den Verantwortlichen so peinlich, dass sie flugs das Laborgymnasium zum einzigen teilautonomen Gymnasium mit Versuchsstatus umwandelten, damit die Wellen in der Öffentlichkeit nicht zu hoch schlugen. Denn das Laborgymnasium hatte einige umwerfende Ideen in die Welt gesetzt und damit gezeigt, wie man erfolgreich Schule macht, sodass niemand mehr daran rütteln wollte.
Da alle Grundschüler/innen das Café L besuchten und es als komfortable Startbasis in ihr Leben nutzten, egal ob mit Hauptschul- Realschulabschluss oder Abitur und zwei Jahre nach der Teilautonomie des Laborgymnasiums auch die beiden Grundschulen den Stecker gezogen hatten, war Weit im Winkl eine echte pädagogische Trutzburg geworden…“
Und jetzt nutzen wir auf diesem Blog doch einfach einmal dieselbe Fiktion, um uns im Jahre 2023 anzusehen, wie sich das zuständige Regierungspräsidium, das Schulamt und speziell das Kultusministerium nach Auffliegen des Schwindels in unserer Vision infizieren lassen. Wenn man es wirklich zeigen könnte, dass eine agil infizierte Schule mit weniger Kostenaufwand, aber mit viel mehr Begeisterung eines Lehrerkollegiums samt agilen Lernprozessen für Schüler/innen viel bessere Abschlussleistungen vorzeigen kann, spätestens dann müsste sich auch ein Kultusministerium über Agilität dringend Gedanken machen.
Das Erfolgsgeheimnis: Schüler/innen stecken an agil arbeitenden Schulen mit im Prozess und haben dabei sehr viel aktiv für ihre eigene Bildung zu tun. An „normalen“ Schulen hören sie viel zu oft einfach immer nur passiv zu. Oder eben auch nicht.
2023 .. noch fünf Jahre. Da müsste doch was zu machen sein. Die Zeit ist reif dafür. Finden wir.
Heinz Bayer, Veronika Lévesque, Elisabeth Theisohn