Alle Jahre wieder muss ich das Pflanzenbetröpfelungs- und Besprenkelungssystem unseres Gartens neu ausrichten, weil der jedes Jahr wieder etwas anders aussieht. Klar, es ist natürlich immer der gleiche Garten und es gibt viele Pflanzen, die ich schon kenne – Sie müssen wissen, ich bin nur der wassertechnische Assistent, meine Frau ist zentral in der Leitung der Organisation. Wer als Pflanze in unseren Garten darf, wer sich ausbreiten soll und wer zurückgeschnitten gehört, wer wo steht und wer viel und wer weniger Wasser bekommen sollte, das hat die Leitung ungefähr im Blick. Aber am Ende braucht es jedes Jahr das direkte Feedback der Pflanzen, nachdem ich mir für jede die richtige Bewässerungsmethode ausgedacht und Leitungen neu verlegt habe. Mein Werkzeug ist sehr vielfältig. Ich habe Ihnen mal ein Foto meines Werkzeugkastens beigefügt. Manche Pflanzen kann man breit zusammen mit anderen besprengen, manche brauchen Einzelbedröppelung, andere brauchen nichts, da reicht schon der Regen, der spärlich fällt, weil sie lange schon angewachsen und tief verwurzelt sind. … Ich denke, Sie ahnen, worauf ich hinaus will.
Ich habe gerade einen Blogbeitrag gelesen: The Gardener Metaphor for Leadership von Pia-Maria Thorén und musste an unsere Bewässerungsanlage denken.
Frau Thorén vergleicht die Vielfalt eines Gartens mit einer Organisation. Sie schreibt:
„Jede Pflanze braucht andere Dinge. Einige brauchen viel Sonnenschein, andere bevorzugen den Schatten. Einige brauchen mehr Wasser als andere. Einige mögen es, eng zusammenzuwachsen, andere wollen mehr Platz um sich herum. Einige brauchen etwas Unterstützung, um besser zu wachsen, andere kommen alleine wirklich gut zurecht. Wer stellt also sicher, dass jede Pflanze das bekommt, was sie braucht, damit sie wachsen und groß und schön werden kann?“ Sie beschreibt den Boden mit der Kultur eines Unternehmens und weist darauf hin, dass man Pflanzen nicht befehlen kann, schneller zu wachsen. Nimmt ein Zitat dazu: „Manage the system, not the people“ Jurgen Appelo
Frau Thorén schreibt: „ Die Gärtner-Metapher für Führung ist nützlich, um agile Führung und die veränderte Rolle des Managements in komplexen Umgebungen zu beschreiben. Es konzentriert sich auf die Beseitigung von Hindernissen und die Schaffung eines Systems, in dem Menschen wachsen und sich entwickeln, Probleme lösen und Verantwortung übernehmen können.“
Sie spricht von Organisationen und ich denke dabei an die Schule und meine aktuellen Verstöpselungsaktionen. Klar, ich arbeite als wassertechnischer Asssistent ziemlich agil und eigenständig. Die Leitung geht davon aus, dass ich meine Wasserbetreuung wie in jedem Jahr optimiere. Ich benötige mehrere Durchgänge, mehrere Feedbackschleifen, fordere von den Pflanzen Rückmeldung. Probiere, rüste nach, nehme Bewässerung weg, wo es zu viel ist. Lege neue Leitungen, wo Wasser fehlt. Ich muss ja auch an die eigenen Ressourcen denken.
Und Sie merken es, ich beschreibe gerade mit derselben Metapher die Aufgabenstellung von Lehrpersonen. Lernende entwickeln sich individuell. Benötigen unterschiedliche Ansprachen, wenn ihr Entwicklung optimiert werden soll. Mit den großen Hochdrucksprenklern, die ich in manchen Bereichen auch eingesetzt habe, werde ich vielen Pflanzen nicht gerecht. Sie können die große Menge gar nicht so schnell aufnehmen. Sind wasserüberfrachtet. Agil lernen und lehren heißt, Hochdrucksprenkler nur dann einzusetzen, wenn es Sinn macht. Und eigene Ressourcen zu schonen, auch wenn es oft so viel einfacher erscheint, Frontalunterricht zu machen. Dann hat man den Stoff aus dem Lehrplan erzählt, aber die Pflänzchen in den Schulbänken konnten ihn nur bedingt aufnehmen.
Zurück in unseren Garten: Pflanzen entwickeln sich am besten, wenn der Boden, der Standort, die Nährstoffe und die richtige Bewässerung zusammenpassen. Dann sind die Pflanzen zufrieden und auch die Leitung des Gartens. Und ich als Wassertechniker natürlich erst recht. Denn obwohl ich ja nicht dafür verantwortlich bin, welche Pflanzen im Garten stehen, das Ergebnis meiner Arbeit tut mir natürlich sehr gut.
Wünsche einen schönen Sommer.
Ihr Otto Kraz
p.s. Frau Thorén verwendet noch eine Formel, die ich Ihnen als Mathematiker nicht vorenthalten will. „B=f(P,E) „Verhalten ist eine Funktion einer Person und der Umwelt“. Kurt Lewin, 1936“ schreibt sie. Und weiter: „Persönlichkeitsänderungen sind selten, es ist viel einfacher, Unternehmensumgebungen zu verändern…“ Ja klar, als agiler Gärtner weiß ich das natürlich. Aus einer Hortensie mache ich keine Rose. Aber ich kann die Umgebung von Hortensien und Rosen wesentlich gestalten.
Great article Heinz😊👍
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Es braucht
eine liebevolle Organisation
der günstigsten Bedingungen
für die optimale Entfaltung.
Das ist alles.
Das gilt für Schule und Garten.
Die Betonung liegt auf „liebevoll“.
Die Arrangements finden sich.
– Nirmalo
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