Amelie Ikas war als Nicht-Verwalterin auf unserer Online-Konferenz dabei. Sie hat uns ihre Eindrücke geschickt, insbesondere ihre Gedanken um das Konferenzmotto „Zwischenräume nutzen“ und wie sie sich künftige geänderte Rollen der Verwaltung, nämlich der Vermittlung in und von Zwischenräumen mit Bürgern und Gesellschaft, vorstellen möchte.

Im Rahmen meiner Diplomarbeit im Design an einer Kunsthochschule durfte ich am 18.05.2021 an der Konferenz der „Agilen Verwaltung“ zum Thema Zwischenräume teilnehmen. In meiner Diplomarbeit beschäftige ich mich mit der Schnittstelle von „Vermittlungsarbeit“ zwischen Bürgerinnen und Beamtinnen. Im Zuge der Projektrecherche bin ich auf den Titel der Konferenz aufmerksam geworden, da mir dieser dem Thema Bürokratie am weitesten entfernt erschien. So nimmt man eine Verwaltung von Außen doch eher als eine Instanz wahr, die zwischen rechts und links, ja oder nein, blau oder rot entscheidet.
Weniger bringt man Verwaltungsabläufe jedoch mit Zwischenräumen zusammen. Zwischenräume, besonders aus Gestaltungsperspektive, sind Räume, in denen Variablen existieren – Variablen, die anzupassen sind. Die auf bestimmte Rahmenbedingungen eingehen und diese in eine vielfältige Zahl an Richtungen beeinflussen können. Ein Raum, der Möglichkeiten bietet – neu und anders – auf jeden Fall mit zu entscheiden und mitgestalten zu können. Ein Zwischenraum, ist etwas nicht Fertiges, etwas das sich stets im Wandel befindet. Ein Ort, an dem man vor- und auch wieder zurückgehen kann, der eben auf der Schwelle zwischen zwei Zuständen existiert. Ein Zwischenraum lässt Transformationsprozesse zu und gibt Raum zum Ausprobieren. Eine solche Schwelle setzt unglaublich viel Gestaltungspotential frei, das auf der Konferenz deutlich wiederzufinden war.
Als stille aber aufmerksame Zuhörerin habe ich versucht, die Gedanken und Diskussionen zu den einzelnen definierten Zwischenräumen mitzudenken und nachzuvollziehen. Abläufe oder Prozesse aus Ämtern sind aus Gestalter*innen-Sicht eine große Unbekannte. So beschäftigt sich eine Gestalter*in beispielsweise mit der Sichtbarmachung von Prozessen, um so dem Bild eine Ordnung oder sogar Logik zu geben. Die Dynamik des Termins schien die visuell- und strukturellen Themen miteinander zu verknüpfen und eine intrinsische Motivation der Veränderung zu wecken.
Diese Motivation habe ich mit Begeisterung wahrgenommen. Im Verlauf des Termins wurde mir jedoch deutlich, wie unterschiedlich die Ausgangslage sein kann: so lag der Fokus im Termin nicht auf dem Nutzer oder Besucher, sondern auf der internen Organisation. Konträr dazu verstehe ich die Gestaltung von Prozessen auf Ämtern als nutzerorientiert. So hat mich folgender Satz deutlich zum Nachdenken gebracht: Es muss Abstand davon genommen werden, dass ein Verständnis bei den Bürger*innen etabliert wird, dass eine Verwaltung als ein Kunden- und Dienstleisterprinzip funktioniert.
Warum musste ich lange über diesen Satz nachdenken? Besonders im Kontext von Ämtern war mein eigenes Verständnis bisher genau dieses gewesen: Das Amt ist dazu da, um mir zu sagen was die Antwort des Staates auf mein Anliegen ist. Ergo, es ist für die Bearbeitung meines Anliegens zuständig. Ich habe eine Frage/Anliegen, und bekomme eine konkrete Antwort, was zu tun ist: Ob ja oder nein, oder was es dafür braucht. Diese Annahme beinhaltet für mich ganz klar das Verständnis, dass das Amt als ein Dienstleister zwischen Bürger*innen und Staat zu sehen ist, dessen Leistung es ist, ausschließlich auf der Grundlage gesetzlicher oder vorgefertigter Bestimmungen Aussagen zu geben, die als Orientierung für Bürger*innen gehandelt werden. Ich als Kunde, ob zufrieden mit der mir erteilten Orientierung oder nicht, habe meine Antwort erhalten. Das Amt ist eben der verwaltende Arm des Gesetzgebers.
Letztendlich ist der Staat ja aber auch der Rahmen, in dem wir, die Gesellschaft, dazu aufgerufen sind mitzubestimmen, selbstbestimmt zu handeln, natürlich auf demokratischen Grundsätzen, und unsere Umwelt mit zu formen und zu gestalten. Ist die Verwaltung dann nicht eher als eine vermittelnde Instanz der Möglichkeiten in unserem Staat zu sehen? Möglichkeiten, die eben auch für ein bestimmtes Anliegen überprüft, abgewägt, formuliert und aufgezeigt gehören? Das Transparent-Machen von Möglichkeiten halte ich für ein Format, in dem Bürger*innen sich selbst nicht als Kunden und die Verwaltung nicht als Dienstleister verstehen dürfen.
Vielmehr sollte Verwaltung auch als unterstützender Partner bei der Gestaltung unserer gemeinsamen Umwelt betrachtet werden. Umgekehrt gilt daher aber auch für die Verwaltung, ihre Aufgabe darin zu sehen, Möglichkeiten auszuloten, Zusammenhänge zu denken und Handlungsspielräume sichtbar zu machen. Das Amt oder die Verwaltung als ein Ort, an dem unsere Gesellschaft gemeinsam ihre Rahmenbedingungen gestalten kann. So, dass die Beamt*innen als Partner bei der Suche nach Möglichkeiten angesehen werden. Ebenso, wie Beamt*innen sich selbst als Helfer bei der Gestaltung, also als Mitgestaltende, einer gemeinsamen Umwelt begreifen sollten. Somit sollte ihr Verständnis von Bürger*innen ebenso wenig sein, dass diese einen konkret formulierten Wunsch mitbringen, also Kunde sind, sondern ihre Motivation darin sehen, diese Anliegen mit ausformulieren zu können. Damit wären beide Parteien Gestaltende in einem Prozess, der sich gegenseitig befruchtet.
Diesen Gedanken fand ich aus Sicht der Gestaltung sehr inspirierend. Der Aspekt der Transparenz von Handlungsspielräumen hat für mich dabei besondere Gewichtung. Wie können Bürger*innen durch die Verwaltung mitgenommen werden, sich selbst als Mitbestimmende und Gestaltende in einer gemeinsamen Umwelt zu verstehen? Welche selbstbestimmten Handlungsspielräume geben Ämter Bürger*innen, um Zusammenhänge zu durchdringen und sich eigenständig orientieren zu können?
Aus meiner Gestalterinnen-Perspektive ist es daher besonders interessant, zu schauen, wie ein solcher gestaltender Prozess des gegenseitigen Vermittelns von Möglichkeiten und Anliegen aussehen kann. Welche Tools müssen Bürger*innen an die Hand gegeben werden, um ihre Anliegen so zu formulieren, dass sie der Verwaltung einen möglichst detaillierten Eindruck ihres Anliegen vermitteln können und wie sieht ein Tool aus, das dem Bürger Optionen vermittelt, wie aus Sicht der Verwaltung ein Anliegen ausformuliert werden kann?
Ich denke hier kann schon im Kleinen begonnen werden. Ein Verwaltungssystem, das sich neu strukturiert, hat vor allem im Blick: Abläufe zu beschleunigen und flexibler zu gestalten. Sowohl für Beamt*innen, deren eigene Arbeitsmotivation dadurch steigen soll, als auch für die Bürger*innen, die so schneller zu einem Ergebnis in ihrem Anliegen kommen können. Die Digitalisierung hat auch zur Orientierungsfähigkeit von Bürgern schon eine Menge beigetragen. Formulare wurden digitalisiert und eine Webseite gibt einem einen Überblick über die Themen, die die jeweilige Verwaltung bearbeitet. Oftmals wurden hier Praktiken aus dem Analogen direkt ins Digitale überführt. Dass sich das Verständnis für Formulare oder Prozesse von Ämtern dadurch nicht verbessert, wird oft außer Betracht gelassen.
Aus Gestalterinnen-Sicht hat mir die Konferenz den Zwischenraum gegeben, welchen ich benötige, um meiner Diplomarbeit ihre Relevanz und Motivation zu geben. Das Verständnis der inneren Prozesse in Ämtern nach aussen sichtbar zu machen und dabei den Wandel im Hybrid des Analogen und Digitalen im Blick zu behalten bedarf einer sensiblen Gestaltung.