Das Digitalministerium – Ein Elefanten Projekt?

Das Digitalministerium gleicht dem Elefanten und der König steht symbolisch für die Bundesregierung.

Ja, Sie haben richtig gelesen – die Vorstellung eines Digitalministeriums wird mit einem Elefanten gleichgestellt und der König steht für die Bundesregierung.

In der Parabel „Die Blinden und der Elefant“ gibt der König seinen blinden Gelehrten den Auftrag, einen Elefanten zu untersuchen. Jeder dieser Gelehrten untersucht nur einen Teil des Elefanten. Da sie nicht den ganzen Elefanten untersuchen, entstehen unterschiedliche Sichtweisen, wie ein Elefant aussehen könnte. Dies verdeutlicht, welchen Einfluss, die Erfahrung und die individuelle Sichtweise auf das große Ganze haben können.

Überträgt man diese Parabel auf die Diskussionen um ein Digitalministerium, lassen sich Parallelen aufzeigen. Wie schafft man es, die diversen Perspektiven von Experten in die Aufbauorganisation eines neuen Ministeriums einfließen zu lassen und gleichzeitig den Blick für das „große Ganze“ nicht zu verlieren?
Eingeschränkte Perspektiven führen zu unterschiedlichen Realitäten. Jede individuelle Erfahrung beeinflusst die eigene Perspektive und folglich die Fähigkeit objektive Schlussfolgerungen zu ziehen.

Die Debatten um die Aufbauphase eines Digitalministeriums intensivieren sich, je näher die Bundestagswahlen rücken.
Folgendes wird aus politischer Sicht zitiert:

„Es wird ein Digitalministerium geben müssen. In dem Organisationserlass des Bundeskanzlers muss dieses Digitalministerium als Querschnittsministerium beschrieben sein, ähnlich wie ein Finanzministerium. Es muss ein starkes Ministerium sein und Kompetenzen haben. Es darf nicht nur ein Titel sein. Das Digitalministerium gibt die Richtung vor.“

Die Umstellung auf eine digitale Verwaltung soll dazu genutzt werden, um Verwaltungsverfahren einfacher und effizienter zu machen sowie um sie zu beschleunigen. In der Praxis hat es oft den Anschein, dass die digitale Transformation durch bürokratische Strukturen sowie dem traditionellen Mindset der KollegenInnen erschweren oder sogar verhindern. Das Verständnis für die andere Perspektive fehlt oder wird falsch eingeschätzt. Dies führt dazu, dass viele Verfahren eher verkompliziert werden.

Einige BeobachterInnen machen in Deutschland den Föderalismus für die mangelnde Digitalisierung verantwortlich.
Andere behaupten, dass Deutschland die Digitalisierung „verschlafen“ hätte.
Wieso sind uns die skandinavischen und baltischen Staaten in vielen Bereichen der digitalen Verwaltung so weit voraus?
Wie können wir uns von alten Denkmustern befreien und eine Grundlage schaffen für ein besseres Miteinander zwischen kleinsten Verwaltungseinheiten bis hin zu dem Verhältnis zwischen Bund, Ländern und den Kommunen?

Es gibt viele Handlungsempfehlungen, wie das Digitalministerium aufgebaut werden sollte.
Die gemeinnützige Plattform Next e.V., welche digitale Transformationen vorantreibt und im öffentlichen Dienst Beschäftigte miteinander vernetzt, veröffentlichte das Diskussionspapier „100 Tage Aufbauplan“, welches Handlungsempfehlungen aufzeigt, die bei einer operativen Errichtung eines Digitalministeriums helfen könnten.

Unter anderem entstand aus dem Work4Germany Fellowship-Programm 2020 die Konzeptidee „Das Neue Ministerium“, welche auf das Digitalministerium ebenfalls übertragen werden könnte. Das Programm vernetzt Experten aus der Privaten Wirtschaft mit der Bundesebene, um die digitale Transformation voranzutreiben sowie die Zusammenarbeit in den öffentlichen Verwaltungen effizienter zu gestalten.
Wie können wir es schaffen, diese ganzen Informationen aus diversen Stellungnahmen und Empfehlungen zu bündeln und Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede herauszukristallisieren und diese auf das Digitalministerium zu übertragen?

Zu überlegen ist auch, wie wir den Wissenstransfer aus den bereits bestehenden Ministerien zusammentragen, damit jedes Ministerium seine Lehren daraus zieht und das Digitalministerium davon profitiert.
Seit der Corona Krise versucht jedes Ministerium, in seinem eigenem Zuständigkeitsbereich und Tempo, Verwaltungsverfahren zu digitalisieren und generell die Digitalisierung zu beschleunigen.

Wir stehen vor einer komplexen Herausforderung!

Sobald eine Organisation sich umstrukturiert bzw. sich „neu erfindet“, durchläuft sie ein kulturelles Transformationsprogramm. Yves Morieux, Senior Partner und Geschäftsführer im Büro der Boston Consulting Group, beschreibt in einem Ted Talk Vortrag /Anmerkung 2/, wie mit Komplexität umgegangen wird, und geht auf seine langjährige Analyse ein, die sein „Prinzip der Einfachheit“ in 6 Schritten aufzeigt.

Die 6 Schritte des Prinzips der Einfachheit

  1. Verständnis für die Arbeit der Kollegen haben

Die Tätigkeitsbeschreibungen müssen über ihre „Einheit“ hinaus reichen, um den Kern zu erfassen.

Gibt es z.B. bei Banken ein Problem zwischen dem Backoffice und dem Hauptbüro, arbeiten sie nicht miteinander. Wie lösen sie das? Sie führen ein sogenanntes Verbindungsbüro ein, das als Schnittstelle agieren soll. Was passiert nach einem Jahr? Statt einem Problem zwischen dem Hauptbüro und dem Backoffice, hat man nun zwei Probleme. Zwischen dem Backoffice und dem Verbindungsbüro sowie dem Verbindungsbüro und dem Hauptbüro. Hinzu kommen noch die zusätzlichen Kosten.

  1. Integratoren mehr Ermessensspielraum ermöglichen
    Integratoren sind keine Verbindungsbüros – es sind Manager, die das Unternehmen oder die Organisation stärken, damit die Führungskräfte gestärkt werden, „ihnen den Rücken freihalten“. Sie sollten daran interessiert sein, dass andere sich gegenseitig helfen.
  2. Den Ermessensspielraum qualitativ erweitern

Jeder soll ermächtigt werden, sein Urteilsvermögen, sein Wissen einzusetzen. Man muss den Menschen mehr Spielraum geben, damit sie eine kritische Masse bilden und es riskieren miteinander, statt nur für sich allein zu arbeiten.
Ansonsten werden sie sich zurückziehen und im schlimmsten Fall sogar „innerlich kündigen“.

  1. Feedbackschleifen kreieren

In den Öffentlichen Verwaltungen werden neue Systeme und digitale Tools zwar getestet und ausprobiert, bevor es der ganzen Verwaltung zugutekommt, aber es hat oft den Anschein, dass diese nicht nutzerfreundlich sind. Die Systementwickler stellen aus ihrer Perspektive ein Produkt her und gehen davon aus, dass aus Sicht der Verwaltungsmitarbeiter dieses neue Produkt im Tagesgeschäft Akzeptanz findet. In der Realität verkompliziert es teilweise aber die Arbeitsabläufe.

  1. Förderung der Kooperationen

Es gibt zahlreiche innovative Köpfe in den ÖffentlichenVerwaltungen, aber meistens trauen diese sich nicht, ihre Methoden und Ideen für gute Zusammenarbeit zu teilen. Oder sie haben es mehrmals versucht und scheiterten an den KollegenInnen oder der Führungsebene und fügen sich in die bestehenden Strukturen ein.

  1. Belohnung der Mitarbeitenden für ein gutes Miteinander und das Rügen, für die Verweigerung

Das Rügen ist nicht für den Misserfolg gedacht, es sollte für mangelnde Hilfsbereitschaft oder Hilfegesuche eingesetzt werden. Das verändert alles! Plötzlich möchte jeder transparenter werden und die tatsächlichen Schwächen und das reale Potenzial zeigen. Immerhin folgen keine Konsequenzen für das Versagen, sondern nur dann, wenn jemand nicht hilft oder nicht um Hilfe bittet.

Wenn diese 6 Schritte eingehalten werden, hat das große Auswirkungen in einer Aufbauorganisation. Man bildet keine neuen Einheiten mehr, die bekannten gestrichelten und durchgehenden Linien, sondern man achtet vor allem auf das Zusammenspiel. Dies hätte große Auswirkungen auf finanzielle Ressourcen und den ökonomischen Erfolg sowie auf die Qualität der Personalführung. So könnte man die Komplexität in den Griff bekommen, ohne dass jeder Arbeitsvorgang dabei verkompliziert würde. Man erzielt mit weniger Aufwand mehr Gewinn. Gleichzeitig würde sich die Leistung und die Zufriedenheit am Arbeitsplatz verbessern.

Diese Schritte lassen sich nicht nur auf das Digitalministerium übertragen, sondern auch auf jedes Ministerium und ebenso auf Länder- und kommunaler Ebene.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in der Verwaltung die Faktoren: Qualität, Kosten, Zuverlässigkeit sowie Geschwindigkeit an vorderster Stelle stehen. Trotz einiger digitaler Fortschritte, wird in den öffentlichen Verwaltungen, demselben alten Ansatz gefolgt, sobald neue Anforderungen entstehen. Gezielte strukturabhängige Abläufe werden geschaffen, um mit der neuen Komplexität von Prozessen umzugehen. Dies ist überholt und passt nicht in unsere heutige Zeit.
Das Digitalministerium ist ein vielversprechender Ansatz und muss eine wichtige Schlüsselfunktion in der Digitalen Landschaft einnehmen. Nur Gemeinsam, in dem wir nicht über Andere zu schnell urteilen und die 6 Schritte des „Prinzip der Einfachheit“ berücksichtigen, werden wir positiver mit Veränderungen umgehen. So schaffen wir eine Grundlage, um für zukünftige Krisen gewappnet zu sein. So stärken wir unseren Staat und können die Gesellschaft zukunftsfähiger aufstellen.

Wie stellen Sie sich das Digitalministerium vor?

Anmerkungen

/1/ Bildquellen: Elefant: Henning Strubelt und Herr Janmontree, www.prozesselefant.de; König: https://pixabay.com/de/users/clker-free-vector-images-3736/

/2/ TED-Konferenz TED@BCG San Francisco, Oktober 2013, https://ted.com/talks/yves_morieux_as_work_gets_more_complex_6_rules_to_simplify

Autor: Islam Châabane

Seit 2021 in einer Landesvertretung - Koordination der Bundes- und Europapolitik sowie Internationales. B.A. Öffentliche Verwaltung. Berufserfahrungen in den Verwaltungen einer obersten Bundesbehörde sowie Berliner Verwaltung. Zuvor 9 Jahre in der Film-, Medien- und Luftfahrtbranche. Das agile Arbeiten war schon immer mein Wegbegleiter. Meine Interessen: Change Management, Agilität, Teamwork, Sprachen, Kultur, Reisen

Ein Gedanke zu „Das Digitalministerium – Ein Elefanten Projekt?“

  1. Sehr inspirierender Artikel und für mich eine Anregung, das Papier der Next e.V. zu lesen. Danke für die Erinnerung an die Parabel mit dem König und dem Elefanten und den 6 Prinzipien der Einfachheit, die mir in meinem aktuellen Transformationsprojekt außerhalb der Verwaltung sehr helfen.

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