Mittels der Systemtheorie anders kommunizieren
Wie kann man die Gesellschaft verstehen?
Wie helfen uns mögliche Antworten bei den aktuellen Herausforderungen der Digitalisierung in der Verwaltung?
Ist es möglich die Vielfalt und Komplexität sozialer Phänomene zu erklären?
Eine Teil der Antworten kann die Systemtheorie von Niklas Luhmann (Luhmannsche Systemtheorie) bieten.
Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die wichtigsten Elemente dieser Theorie und zeigt einige Ansätze für ihre Anwendung in den Bereichen Verwaltung mit der Wirtschaft.
Einleitung Systemtheorie :
Dem Soziologiestuhl an der Universität Bielefeld, verdanken wir einen weltweit berühmten deutschen Soziologen: Niklas Luhmann (1927-1998)
Luhmann widmete sich über 30 Jahre der Aufgabe die Gesellschaft als ein komplexes System aus verschiedenen Teilsystemen zu beschreiben, die jeweils eigene Funktionen, Codes und Programme haben.
Diese Systeme besitzen jeweils eine eigene Logik und Sinnhaftigkeit, die nicht mit anderen Systemen kompatibel ist. In den letzten Jahren findet „Luhmannsche Systemtheorie“ immer mehr Anhänger und die Theorie hilft Praktikern, bei Beschreibung von Verhalten und Abläufen in der Wirtschaft, Verwaltung, Politik und Gesellschaft.
Noch etwas detaillierter:
Ein wesentlicher Betrachtungspunkt ist die Kommunikation, denn nur diese erhält die Systeme. Und Systeme habe eigene und ihnen besondere Kommunikationsoperanten.
Die öffentliche Verwaltung kommuniziert durch Recht, basierend auf einem formalen Verfahren.
Luhmann Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie
Die Wirtschaft hat als Medium der Kommunikation Geld, welches ein Tauschwert nach Marktmechanismus darstellt.
Luhmann Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie
Luhmann geht davon aus, dass Gesellschaft aus selbstreferentiellen Systemen besteht, die sich von ihrer Umwelt abgrenzen und eine eigene Struktur und Logik besitzen. Sie sind außerdem operativ geschlossen sind und nur in der Lage mit sich selbst kommunizieren.
Eine direkte Kommunikation mit anderen Teilsystemen ist nicht möglich. Es bestehen aber auch strukturelle Kopplungen zu anderen Systemen, das heißt sie beeinflussen sich gegenseitig.
Aber nur wenn das Teilsystem dieses durch Anschlussfähigkeit oder Irritation, in ihre eigene Kommunikation aufnimmt.
„Der Sender muss anschlussfähig zu anderen Systemen kommunizieren, um für den Empfänger relevant zu sein“
Drei Haupt-Unterscheidungen:
Interaktionssysteme sind die einfachsten sozialen Systeme. Sie entstehen durch Kommunikation von mindestens zwei Personen.
Organisationssysteme sind soziale Systeme, die durch eine Mitgliedschaft definiert sind. Sie haben eine hierarchische Struktur und eine interne Ordnung. Sie verfolgen bestimmte Ziele und Erwartungen.
Funktionssysteme sind die komplexesten sozialen Systeme. Sie sind nicht an Personen oder Orte gebunden, sondern an Funktionen. Sie haben eine eigene Logik und einen eigenen Code.
Zwei Beispiele für ein Funktionssystem sind das Wirtschaftssystem und das Verwaltungssystem.
Operative Geschlossenheit
Definiert das Teilsystem Politik neue Gesetze / Regeln, wird es erst dann in das Teilsystem Wirtschaft „überführt“, wenn es Einfluss auf deren Operanten (des Systems) hat = Dann wird es im System kommuniziert.
Das Teilsystem Politik kann nicht auf das Teilsystem Wirtschaft direkt einwirken, weil es in ihrer Kommunikation geschlossen ist.
Erreicht die Kommunikation eine „Übersetzung“ zum empfangenden Teilsystem, wird diese „Übersetzung“ erst anschlussfähig.
Kommunikationsproblem
Der Theorie nach Luhmann folgend, entstehen die Probleme zwischen den Systemen, weil sie versuchen mit ihre eigenen Systemkommunikation, Auswirkungen auf andere Teilsysteme durchzuführen oder zu erzwingen.
Zum Beispiel kann die öffentliche Verwaltung versuchen, die Wirtschaft durch Gesetze und Regulierungen zu steuern oder zu kontrollieren, was zu Widerstand oder Umgehung von Seiten der Wirtschaft führen kann.
Oder die Wirtschaft kann versuchen, die öffentliche Verwaltung durch Geld oder Lobbyismus zu beeinflussen oder zu korrumpieren, was zu Verlust von Legitimität oder Effizienz von Seiten der öffentlichen Verwaltung führen kann.
Die Lösung liegt nicht darin, eines der Systeme dem anderen unterzuordnen. Sondern eine konstruktive Kooperation und Verständnis für die Verschiedenheiten, der jeweiligen Systeme, zu erreichen.
Hierfür bedarf es eines besseres Verständnis der Funktionen, Codes und Programme der verschiedenen Teilsysteme.
Aber auch eine größere Flexibilität und Offenheit für die Anschlussfähigkeit und Irritation durch andere Teilsysteme.
Die Digitalisierung
Gerade die schleppende Digitalisierung zeigen, dass es hier neue Ansätze und Ideen braucht –Vielleicht hilft dieser Blogbeitrag dabei
Die Digitalisierung ist ein Prozess der Transformation von analogen zu digitalen Daten, von asynchroner Kommunikation zur Realtime-Kommunikation und weiteren, Transformation ganz bewusst, denn es ist mehr als Papier in PDF. Und sie ist kein Teil, der alleine die Verwaltung betrifft, hier müssen Herausforderungen für die Gesellschaft mit bedacht werden.
Was wiederum, deren Einbindung in die Kommunikation und Entwicklung, zur Folge hat.
Die Veränderung der Kommunikation, der Aufbau von Integration und die immer Verfügbarkeit – Haben die Notwendigkeit, sich mit allen relevanten Teilsystemen und deren spezifischen Operanten zu beschäftigen.
Komplexitätsverringerung
Die Theorie kann dazu beitragen die Komplexität der Teilsysteme zu verringern und zu verstehen. Auch wie ich Irritationen erkennen und nutzen kann.
Sie gibt Ansätze um als Beobachter aufzutreten und die verschieden Operanten der Systeme zu erkennen und zu respektieren. Das hilft als Kommunikator anschlussfähig, gegenüber anderen Systemen, zu handeln bzw. die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen.
Die Verwaltung
Die Anpassung muss der Kommunikation darf aber nicht alleine, den nach außen präsenten Personen obliegen. So eine grundlegende Transformation, erfordert es auch über aktuelle Prozesse und Abläufe kritisch zu schauen.
Basierend auf der Theorie, sollte es möglich sein, das jeder zum Beobachter wird und Irritationen erkennt. Hierfür ist es erforderlich, gewisse Methoden und Tools gerade in der internen Kommunikation auszuprobieren und wenn hilfreich zu implementieren.

Mögliche Anwendbarkeit im Verwaltungsalltag
Kommunikation als Bindeglied:
Einführung eines digitalen Kollaborationstools. Diese ändert die Nachrichtenkommunikation, weil allen internen die Möglichkeit der Informationserlangung und Teilhabe ermöglicht wird. Ein offener Austausch über Themen oder Projekte, nicht mehr nur vom „Sender“ gesteuert wird. Hier kann man schon im Kleinen starten, wenn man gemeinsam an Dokumenten oder Unterlagen arbeitet.
Kommunikation als Wissenstransfer:
Etablierung regelmäßiger Retrospektiven, in denen Sachbearbeiter Erfahrungen und Erkenntnisse teilen. Diese Erkenntnisse können allen helfen und helfen zukünftige Themen zu verbessern. Gerade bei Arbeit in Distanz, kann es schon bei einem kleinen Bereich, große Wirkung entfalten.
Kommunikation als Netzwerk:
Für den Austausch auch über Behördengrenzen oder in die Wirtschaft, bieten sich die Socialen Medien an. Es ist erstaunlich wie offen Menschen in ein Diskussion kommen, wenn sie um Rat oder Meinung gebeten werden. Für den Anfang reicht vielleicht ein Folgen spannenden Personen der öffentlichen Verwaltung.
Fazit
Die Probleme zwischen öffentlicher Verwaltung und der Wirtschaft im digitalen Zeitalter haben also nicht nur technische oder organisatorische Probleme, sondern auch systemtheoretische Probleme.
Und können nur mit einem gemeinsamen Verständnis und anschlussfähiger Kommunikation gelöst werden.
Quellen-Nachweise
Niklas-Luhmann-Archiv – Universität Bielefeld (uni-bielefeld.de)
Mit Nebelkerzen zur OZG-Umsetzung? – Tagesspiegel Background
Hallo Sebastian, danke für deinen Einblick in die Systemtheorie von Luhmann. Besonders die konkrete Anwendung von Kommunikationsüberlegungen auf die Verwaltung finde ich gut.
Bei mir bleibt die Frage zurück, ob es bei dieser gewaltigen von 30 Jahren Arbeit wirklich eine Essenz gibt, die „anschlussfähig“ für die Praxis vor Ort ist.
Für mich war beispielsweise sehr interessant, dass es nach Luhmann für uns Menschen nicht möglich ist, Realität auszudrücken, sondern es immer Konstruktionen sind, die der Logik der Systeme entsprechen. Gerade das beobachte ich gerade auch in der Verwaltung, die in der Binnenkommunikation absolut plausibel wirkt, wo das äußere System Bürger und Unternehmen nur noch irritiert ist.
Dennoch, danke, dass du dich an dieses große Thema gewagt hast und sehr viele Aspekte in den Blogbeitrag eingebracht hast.
Dankeschön André, für das umfangreiche Feedback. Ja die Theorie ist kein Leichgewicht. Vor allem weil einiges davon nicht so offensichtlich im Alltag anwendbar. Deswegen braucht es m.M. immer wieder Adaptionsversuche für die Praxis