Hierarchie ist eine Form der differenzierten Arbeitsteilung…
Oder Ameisenhaufen mit zu wenig Kaffeepausen. Ein Kernproblem ?!
« Hierarchie ist eine Form der differenzierten Arbeitsteilung.
Sie funktioniert nur, wenn sich alle Stufen daran halten
– auch und insbesondere die oberen. »
Im Artikel « Agile Aphorismen 1 » vor einigen Wochen hatte ich angekündigt, zu einzelnen der weisen Sprüche dortherin auf Leserinnenwunsch noch mehr zu liefern. Dann ist lange nichts passiert. Bis ich vor drei Wochen dreimal von unterschiedlichen Seiten auf den Aphorismus unten angesprochen wurde. Zweimal davon – und das ist spannend – in Bezug auf die Schnittstelle Verwaltungshierarchie und politisch gewählte Führung.
Hierarchie. Geliebter und verhasster Begriff.
Oder doch so normal, dass man gar nicht mehr darüber nachdenkt. Ist beim Arbeiten halt da, wie PC und Papier …
« Stellen Sie sich vor, Sie sind in einem riesigen Ameisenhaufen, und jede Ameise sagt, wer der Boss ist. Aber hier ist das Problem: Ameisen können nicht sprechen und haben keine klaren Vorstellungen von Führung. Das ist so ähnlich wie eine Hierarchie, nur mit weniger Kaffeepausen.
In der menschlichen Welt ist die Hierarchie wie ein riesiges, undurchsichtiges Wimmelbild-Rätsel.
Sie haben den Chef ganz oben, der sich manchmal fühlt, als säße er auf einem Thron aus Papierkram und Entscheidungen, die er nicht treffen möchte.
Dann haben Sie die Manager, die versuchen, den Chef zufriedenzustellen, während sie gleichzeitig versuchen, die Mitarbeiter zu organisieren, die ständig versuchen, den Kopierer zu reparieren.
Und auf der untersten Ebene haben Sie die Fußsoldaten, die einfach nur versuchen, ihre Aufgaben zu erledigen, ohne sich zu fragen, warum sie das eigentlich tun.
Die Hierarchie kann also eine Art Puzzle sein, bei dem jeder versucht, seinen Platz zu finden, während er gleichzeitig versucht, den Kaffeevorrat nicht auszuschöpfen. »
Sagt Kollege ChatGBT auf die Aufforderung, der ‘Problematik Hierarchie’ humorvoll zu begegnen.
Was aber, wenn hohe Hierarchiestufen quasi royalistische Züge entwickeln? Alles bestimmen möchten, von operativen Kleinigkeiten über Stellenbesetzungen, von spontanen Ideen bis hin zu Entscheiden, die jemand anderes fällen und verantworten sollte / müsste / darf?
Besonders bei demokratisch gewählten Leitungspolitikerinnen ist das schwierig für ihr umgebendes System bzw. die Verwaltung. Denn das Argument, gewählt worden zu sein und das also demokratisch legitimiert zu dürfen, wiegt oft schwer und macht ein Dagegenhalten fast schon moralisch verwerflich….
Dazu gehören zum Beispiel Entscheidungen wie Stellen stellvertretender Amtsleitungen bestimmend besetzen zu wollen, obwohl zwischen der obersten Leitung und der besagten Stelle noch 3 Hierarchiestufen sind, die dadurch übergangen und ausgehebelt werden. Und irgendwo wird wahrscheinlich stehen, in einem Funktionendiagramm oder Stellenprofil, dass eine solche Stellenbesetzung zu den Aufgaben der Amtsleitung gehört – aber unter dem Argument « Mich hat das Volk gewählt, also entscheide ich ! » wird das gar nicht überprüft oder vertreten.
« Hierarchie ist eine Form der differenzierten Arbeitsteilung. »
«Das Idealbild einer hierarchischen Struktur geht davon aus, dass mit der Struktur eine Methodik für Menschenführung und Kooperation definiert ist, die eine bestimmte Strategie der bidirektionalen Kommunikation nutzt. Damit verbunden sind Filterkonzepte, die ein Überborden der Information von unten nach oben (bottom-up) verhindern.
Damit wird die Fiktion behindert, die oberen Hierarchien wüssten um Details.
Hingegen muss ein Konzept der Eskalation für Konflikte definiert sein, das Informationen von unten nach oben befördert oder den Zugriff auf Information von oben nach unten erlaubt.»
https://de.wikipedia.org/wiki/Hierarchie
Arten von Hierarchien:
«a) Zielhierarchie legt als Zweck-Mittel-Hierarchie das angestrebte Handeln einer Organisation fest.
wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/hierarchie-35110#head2
b) Aufgabenhierarchie beschreibt die aus den Unternehmenszielen abgeleiteten operationalen Teilaufgaben.
c) Stellenhierarchie legt das Stellengefüge fest, in dem den einzelnen organisatorischen Einheiten operationale Teilaufgaben zugewiesen werden.
d) Personenhierarchie bezeichnet die Positionierung der Stelleninhaber innerhalb einer hierarchischen Ordnung.»
Die Aufgaben- und Arbeitsteilung spielen in einer gut funktionierenden Hierarchie eine entscheidende Rolle. Sie sind meiner Ansicht nach sogar ein Teil ihrer Existenzberechtigung.
Hier sind einige Gründe dafür:
Effizienz:
Das Aufteilung von Aufgaben und Verantwortlichkeiten auf verschiedene Ebenen der Hierarchie ist effizient. Jede Ebene konzentriert sich auf spezifische Aufgaben, hat eigene Fachlichkeit und trägt so zum Gesamterfolg der Organisation bei.
Spezialisierung:
Arbeitsteilung ermöglicht es den Mitarbeiterinnen (maskulin ist klaro immer mitgemeint), sich auf bestimmte Aufgaben und Kompetenzen zu konzentrieren. Dies führt oft zu einer höheren Qualität der Arbeit, da Mitarbeiterinnen Experteinnenn auf ihren jeweiligen Gebieten sind. Je höher die Hierarchiestufe, desto strategischer die Aufgaben und Kompetenzen. Je höher die Hierarchiestufe desto breiter, einzelthemenübergreifender und übergeordneter die Aufgaben. Edle Aufgabe von Führung ist immer die anwaltschaftliche Vertretung der übergeordneten Ziele des Gesamtsystems. Für Teamleads ist das insbesondere die des Teams, für Abteilungsleitungen die der Abteilung. So werden unterschiedliche Schwerpunkte und Detailgrade innerhalb der Organisation vertreten und tragen zu ausgewogener, differenzierter Entscheidfindung bei.
Verantwortlichkeit:
In einer gut funktionierenden Hierarchie ist klar definiert, wer für welche Aufgaben und Entscheide verantwortlich ist. Im besten Fall gelingt es der Organisation, die Entscheide bei denjenigen Stufen, Funktionen oder Personen anzusiedeln, die am besten qualifiziert sind und die Verantwortung wirklich sinnhaft und begründet übernehmen können – und nicht bei den wenigen, die am weitesten oben stehen.
Hierarchische Struktur:
Eine klare Aufgaben- und Arbeitsteilung trägt zur Strukturierung der Hierarchie bei. Dies hilft, die Organisationsstruktur verständlicher und leichter zu gestalten zu machen. Und in gegebenen Situationen Sicherheit zu haben, welcher Bereich und welche Person zuständig sind.
Ressourcenallokation:
Die Aufgaben- und Arbeitsteilung ermöglicht es, Ressourcen wie Zeit, Geld und Personal gezielt für spezifische Aufgaben und Ziele einzusetzen.
Flexibilität:
Eine gut gestaltete Arbeitsteilung kann die Organisation auch flexibler machen. Wenn die Aufgaben und Verantwortlichkeiten klar definiert sind, kann die Organisation schneller auf Veränderungen reagieren, indem sie Ressourcen und Kompetenzen transparent nutzt oder aber gezielt umverteilt.
Diese wünschenswerten Effekte werden aber durchaus auch gern ausgehebelt.
Zum Beispiel durch eine zu starre Aufgaben- und Arbeitsteilung, insbesondere wenn sie Innovation und Kreativität behindert oder zu Silo-Denken führt. Daher sollte eine gut funktionierende Hierarchie auch Mechanismen zur Förderung der Kommunikation, Zusammenarbeit und Innovation in der Organisation integrieren. Und nie die gemeinsamen übergeordneten Ziele, Existensberechtigungen und Missionen aus den Augen verlieren und diese stets aktiv als Leitplanken und Endscheidbeeinflussungsaspekte vertreten. Anwaltschftlich und praktisch.
Oder eben wenn royalistisch die oberste Stufe und ihre Umgebung davon ausgehen, dass «oben» alles darf, weil sie eben oben ist – und nicht, weil sie qualifiziert wäre oder mehr Wissen oder Kompetenz hätte.
Prof. Peter Kruse nennt das ungefähr so:
Wenn Führung alles im Griff hat, dann ist die Organisation so intelligent – oder eben nicht– wie diese und damit notwendig begrenzt.
Zu finden ist das im Original in diesem Video bei 0:24 ff.
Vertiefung dazu findet sich hier in einem ausführlicheren Interview mit Prof. Kruse. Mein Tipp: Erst zuhören und dann auf das Datum schauen.
Gerade in der öffentlichen Verwaltung mit gewählten « entscheidungsbefugten Laien» als oberste Leitungsstufe der Hierarchie ist es wichtig, dass die Verwaltung weiss und schützt, welche Entscheidkompetenz per gesetztem Recht wo angesiedelt ist. Das gilt für politisch exekutive und legislative Entscheidstufen, aber auch für das ganz normale Arbeitsrecht. Wenn ich als Arbeitnehmerin per Stellenbeschrieb und Auftrag bestimmte fachliche Entscheidkompetenzen und -bereiche habe, wegen nachweislicher Expertise dafür angestellt wurde, dürfen oberste Hierarchiestufen nicht «einfach so» ohne besondere Gründe monarchistisch-absolutistisch darüber hinweg entscheiden. Das wäre sogar einklagbar…
Oft erlebe ich in Mediationen, wenn die Stimmung in einem System konfliktbeladen ist, die Situation, dass eine hohe Führungsstufe mehr oder weniger willkürlich nach Gusto entscheidet, was ihr gerade wichtig ist.
Wichtig ist – insbesondere, aber nicht nur in Verwaltungen – , zu wissen und aktiv zu schützen wie formal der Entscheidweg eigentlich wäre und wer denn die Entscheidstufe gemäss Reglement, Qualifikation oder Funktion wäre und dafür auch einzutreten. Oft hat man sich noch nicht einmal die Mühe gemacht, das herausfinden – weil ja «oben» gesagt hat …
Wir alle sollten in Unternehmungen und ganz besonders in Demokratien nicht royalistische Tendenzen stützen,
indem wir obere Führungsstufen einfach unreflektiert automatisch willkürlich machen lassen.
Denn das ist nicht demokratisch zu begründen.
Eher ganz im Gegenteil.
Und: Ja, das braucht etwas Zivilcourage, auch am Arbeitsplatz.
Aber die fällt leichter, im Wissen, dass das in Hierarchien nicht nur legitim ist, sondern notwendig, um Hierarchie sinnvoll zu behalten.

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