Im Team lernen (3)
Wir wollen raus aus der Spezialisierungsfalle. Dazu brauchen wir im Team Strategien, wie wir uns nebenbei das neue Wissen aneignen.
Im ersten Teil haben wir zwischen fremden und eigenem Wissen unterschieden. Im zweiten Teil haben wir uns unterschiedliche Wege angesehen, fremdes und eigenes Wissen aufzubauen.
- Fremdes Wissen kann man einkaufen. Es gibt ExpertInnen dafür, die uns beim Lernen helfen können.
- Eigenes Wissen müssen wir selbst aufbauen. Wir brauchen jemand, der diesen Aufbau steuert oder in die Hand nimmt, auch wenn diese Person kein Experte ist.
Nun ist die Frage, wie viel Zeit wir für das Lernen einplanen sollten.
Bevor den Zeitaufwand für die unterschiedlichen Lernstrategien abschätzen, werden wir einen Blick darauf, wo sich neues Wissen manifestiert. Wir erinnern uns an unsere Definition von Lernen: Mitglieder eines Teams nehmen in einer gegebenen Situation die Lage wahr und handeln intuitiv. Handeln bedeutet (weitere) Fragen zu stellen, eine passende Aktivität auszuführen und den Entscheidungsraum zu verändern.
Wir treffen folgende Einschränkung: Lernen bezieht sich im weiteren Verlauf nur auf das gute Abschließen von Vorgängen oder auf das Entwickeln von Produkten oder Dienstleistungen. D. h. nach dem Lernen kann jemand in einem Prozess oder bei der Entwicklung mithelfen.
Um den Zeitbedarf später abzuschätzen betrachten wir jetzt nur zwei Situationen:
- Jemand wird angelernt, damit er oder sie mithelfen kann.
- Wir wollen gemeinsam lernen, um einen Prozess oder ein Produkt zu verbessern.
Jemanden anlernen
Immer wenn jemand neu ins Team kommt, machen wir die Person mit unseren Abläufen vertraut:
- Was sind unsere Kernprozesse?
- Was sind unsere strategischen Prozesse?
- Was sind unterstützende Prozesse?
Wenn wir unsere Ablage an den Prozessen orientieren, haben wir schon einen gute Voraussetzung bzw. einen Überblick über alle Prozesse.
Für das Anlernen brauchen wir eine verantwortliche Person und einen Leitfaden zur Arbeitsunterweisung für jeden Prozess. Dieser Leitfaden ist keine Workflowbeschreibung, sondern ein Spickzettel (1-2 Seiten) für die Ausbildung. Das TWI-JI-Programm schlägt 3 Spalten für diesen Spickzettel vor:
- Wichtiger Schritt
- Schlüsselpunkte
- Begründung
Beispiele findet man über die Google Bildersuche (Suchbegriff: „job breakdown sheet“). Das Buch „Toyota Talent“ (in deutscher und englischer Sprache verfügbar) und das TWI-Buch von Götz Müller helfen beim Erstellen.
Der Zeitbedarf variiert je nach Organisation und Ausbildungsbedarf. Aber vielleicht können wir uns an Größenordnungen orientieren:
- Überblick über alle Prozesse erstellen: 0,5 – 2 Tage
- Erstellen eines Job Breakdown Sheets: 10 Stunden Ausbildung für die Ersteller, danach 2 h – 2 Tage pro Prozess
- Anlernen und Nachverfolgung: 1 h – 1 Tag pro anzulernende Person und Prozess
Ich würde den Ausbildungsaufwand vom Bedarf für die Prozesse abhängig machen und eher rückwärts vorgehen. Also nicht gleich die Anleitung für alle Prozesse planen, sondern darauf blicken, welche Arbeit in den nächsten Monaten ansteht:
- Welche Prozesse und Projekte werden wir in den nächsten Wochen häufig bearbeiten oder abschließen?
- Wie viele Personen brauchen wir dafür, um unsere Ziele zu erreichen?
- Wie viele Personen haben wir aktuell? Wie groß ist die Lücke?
Wenn wir jemanden angelernt haben, kann diese Person in den entsprechenden Situationen erkennen, welcher Prozess jetzt zu starten ist und wie der jeweilige Ablauf ist.
Prozesse und Produkte verbessern
Vorab stelle ich eine Frage: Gibt es Teile in unseren Prozessen oder in der Produktentwicklung, die bereits (von anderen innerhalb oder außerhalb der eigenen Organisation) standardisiert wurden? Solches fremdes Wissen können wir in unsere eigenen Abläufe übernehmen.
Wir hatten gesehen, dass das eigene Lernen das Vereinbaren von Zielen voraussetzt. Typische Zielkategorien:
- Servicezeiten (Erreichbarkeit)
- Geschwindigkeit oder Prozesseffizienz
- Mengen, die in einer bestimmten Zeit bedient werden
- Einhalten von bestimmten (ggf. gesetzl. vorgegebene) Qualitätsmerkmalen
- Kostenziele
- Erreichen von bestimmten Produkteigenschaften
- Erreichen von bestimmten Zielgruppen
Es können aber auch Ziele zur Serviceerbringung selbst vereinbart werden:
- Arbeiten in bestimmten Formen (z. B. in U-Zellen)
- Nivellierung der ankommenden Anfragen
- Einhalten eines bestimmten Portfolios
Die Literatur ist voll von Beispielen.
Die Ziele werden im Team vereinbart. Jetzt brauchen wir etwas, das Soll und Ist anzeigt. Uns interessieren die Hürden, die uns davon abhalten die Ziele zu erreichen. Wir haben zwei Anlässe zum Lernen:
- Ad hoc: immer, wenn etwas nicht klappt, kommen wir zusammen und werten die Situation aus.
- Zeitgesteuert: wir vereinbaren, das Erlebte regelmäßig auszuwerten, z. B. wöchentlich oder monatlich.
Reicht die Zeit?
Vielleicht ist jetzt der eine oder andere Leser mit den Zeitangaben unzufrieden. Nehmen wir ein Beispiel: Sie wollen in einem Jahr an einem 20-km-Lauf teilnehmen. Wenn überhaupt, machen Sie nur unregelmäßig Sport und Sie haben noch keine Wettkampferfahrung. Wie viel Zeit wollen Sie für das Lernen nun aufwenden?
Weg 1: Ihr Coach geht mit Ihnen die üblichen Schritte zur Vorbereitung durch. Sie stehen zwar zu Ihrem Ziel, aber der Aufwand kommt Ihnen doch sehr hoch vor. Würden 15 Minuten pro Woche es nicht auch tun? Schließlich haben Sie ja noch viele andere Dinge zu erledigen.
Weg 2: Ihr Coach geht mit Ihnen die üblichen Schritte zur Vorbereitung durch. Sie gönnen sich eine Ein- oder Umgewöhnungsphase. Danach stellen Sie fest, dass es gut möglich ist, dreimal pro Woche 45 Min. Sport zu machen. Auf einmal ist die Zeit da. Es erscheint Ihnen zunehmend realistischer einen Trainingsplan zu erstellen und dem zu folgen. Mit jeder Woche fällt es Ihnen etwas leichter dem Plan zu folgen.
Welcher Weg wird Sie zum Ziel führen? Für das Laufen ist es klar. In Arbeitsprozessen ist das oft anders. Gute Ergebnisse gibt es nur, wenn man investiert; in diesem Fall Zeit. Wenn man sich daran gewöhnt hat, wird es mit jeder Woche einfacher und die Ergebnisse folgen.
Jetzt sind Sie dran. Besprechen Sie eine Lernstrategie in Ihrem Team. Es wird einfacher wenn wir uns klare Ziele setzen und wenn wir jede Woche und jeden Tag etwas tun.