Wir wollen raus aus der Spezialisierungsfalle. Dazu brauchen wir im Team Strategien, wie wir uns nebenbei das neue Wissen aneignen. Im ersten Teil haben wir zwischen fremden und eigenem Wissen unterschieden.
Fremdes Wissen aneignen
Die übliche Vorgehen in Unternehmen, um externes Wissen ins Unternehmen zu bringen, ist das folgende:
- Irgendjemand entscheidet, dass das Unternehmen neue Gesetze, Standards oder Methoden übernehmen muss.
- Es werden (meist externe) Trainer für Schulungen ins Haus geholt. Ggf. muss der erfolgreiche Abschluss der Schulung durch eine Prüfung bestätigt werden.
- Ggf. wird in jeder Abteilung überprüft, ob die neuen Vorschriften eingehalten werden.
Im Prinzip können wir auf die Pädagogik, Didaktik und Psychologie zurückgreifen, die in Berufsausbildung, im Berufsschulunterricht, im On-the-Job-Training oder bei Inhousetrainings seit über 100 Jahren angewendet werden.
Sowohl für Einzelpersonen als auch für Teams gibt es immer Ausbilder, die wissen, was man wissen muss. Sie sind dafür verantwortlich, dass die Auszubildenden lernen. Ein Ausbilder entscheidet allein oder in einer Community mit anderen zusammen, welches Wissen die anderen brauchen.
Im Team haben wir zusätzlich eine besondere Verantwortung dafür, dass es eine gesteuerte Ausbildung gibt. Das bleibt leider oft liegen. Viele Organisationen vertrauen darauf, dass sich die Mitarbeiter das nötige Wissen selbst beibringen. Dieses Vorgehen ist zeitintensiv und unzuverlässig.
An dieser Stelle sei auf das sehr erfolgreiche Job Instruction Training aus dem Programm „Training Within Industry – TWI“ hingewiesen. Es wurde im Zweiten Weltkrieg in den USA entwickelt, um schnell Fachkräfte anzulernen. Nach dem Krieg wurde es Japan sehr häufig für die Ausbildung genutzt. Liker und Meier haben in „Toyota Talent“ festgehalten, wie Mitarbeiter bei Toyota ausgebildet werden.
Eigenes Wissen aufbauen
Eigenes Wissen aufbauen hängt immer von eigenen Zielen ab:
- Ein Ingenieur hat eine Idee für ein Produkt, sammelt Erfahrungen und baut das neue Produkt.
- Eine Softwareentwicklerin möchte ein Problem lösen. Sie hangelt sich von Hürde zu Hürde, bis das Problem gelöst ist.
- Ein Verwaltungsmensch geht durch die Institution und Prozesse, bis er das Anliegen einer Bürgerin gelöst hat.
Wir können hier auf erfahrungsbasierte Pädagogik zurückgreifen. Aber wir müssen die Lernsituationen selbst erzeugen.
Von Toyota wissen wir aus dem Buch „Toyota Kata“, dass sich die Firma sportliche, operative Zielzustände setzt. Jedesmal, wenn ersichtlich wird, dass der Zielzustand nicht erreicht wird, kommen alle zusammen und reflektieren, was sie übersehen haben.
Im Gegensatz zum fremden Wissen gibt es beim Aufbau von eigenem keine Person, die das Lernen steuert. Das können wir aber ändern. Sehen wir uns dazu Beispiele an.
Beispiel: eine gemeinsame, vorgangsorientierte Ablage im Team aufbauen
Wenn wir Ablageprojekte machen, werden wir oft gefragt, warum ein Team nicht fertige Aktenpläne übernehmen könne. Hier gibt es zwei Gründe:
- Die meisten Aktenpläne sind themen- statt vorgangsorientiert. D. h. die Grundordnung funktioniert nicht. Die Ablage läuft schnell wieder voll. Wir werden die Dokumente nicht los, die wir nicht mehr brauchen.
- Das Wissen, das in fertigen Aktenplänen steckt, ist für das neue Team fremd. Der Aktenplan nutzt nicht die Sprache, die das Team normalerweise nutzt. Die Lebensgeschichte der Prozesse mag im neuen Team auch etwas anders aussehen.
Wie könnte das Team also möglichst schnell lernen?
Im ersten Schritt bringen wir Berater fremdes Wissen ins neue Team. Wir fassen unsere Erfahrungen aus den Projekten zusammen und bringen den Beteiligten die wesentlichen Fachbegriffe bei: Was ist ein Vorgang? Was bedeutet Ablegen nach Vorgängen? Was ist ein Archiv? Was ist eine Akte?
Diese Begriffe muss sich das Team zu eigen machen und üben.
Dann sammeln wir Prozesse ein:
- Es gibt strategische Prozesse, die die Zukunft sichern.
- Es gibt Kernprozesse, in denen viel eigenes Wissen steckt.
- Es gibt unterstützende Prozesse, für die es häufig Standards gibt.
Innerhalb dieser Gruppen gibt es stark oder schwach strukturierte und komplexe Prozesse. Für jeden Prozess oder für jede Prozessgruppe können wir Verantwortliche festlegen. Diese Personen sind nun auch für das Lernen verantwortlich. Wir können die Prozesse dafür in zwei Kategorien zusammenfassen:
- In stark strukturierten und in unterstützenden Prozessen suchen sie die Standards raus und üben mit den Beteiligten die Abläufe ein.
- In schwach strukturierten, in Kernprozessen und in komplexen Prozessen setzen sie Ergebnis- oder Prozessziele. Es wird vereinbart, wann und wie über neue Erkenntnisse gesprochen wird.
Ein typisches Beispiel für die erste Kategorie der Prozesse ist die Beschaffung von Gegenständen. Das ist ein unterstützender Prozess. Es gibt eine Beschaffungsrichtliche und definierte Abläufe. Wenn ein neuer Mensch ins Team kommt, wird ihm erklärt, wie neue Dinge beschafft werden.
Ein typisches Beispiel für die zweite Kategorie ist eine Produktentwicklung. Wenn wir das Produkt agil entwickeln, wird jeder Sprint dazu genutzt, Wissen zu erzeugen und zu vertiefen. Dafür gibt es Erwartungen an das Produkt.
Ein anderes Beispiel wäre eine komplexe Genehmigung. Hier würden die Prozess- oder Vorgangsverantwortlichen Prozessziele setzen, z. B.:
- Alle Beteiligten haben jederzeit Zugriff auf alle nötigen Informationen.
- Offene Punkte müssen innerhalb von 48 Stunden geklärt werden.
- Alle Beteiligten bedienen sich auf dem gemeinsamen Zeit- oder Geldpuffer.
Auch hier brauchen die Beteiligten einen Takt, der sie dazu bringt, ihre Erkenntnisse auszutauschen.
Die Selbstverpflichtung auf die Produkt- oder Prozessziele sorgt dafür, dass neues Wissen erfasst und sinnvoll eingearbeitet wird.
Nun können wir uns einen Prozess nach dem anderen vornehmen und in die neue, gemeinsame Ablage überführen.
Wie viel Zeit brauchen wir nun dafür? Das überlegen wir uns im nächsten Beitrag.
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