Eine der grossen Schwierigkeiten in der Auseinandersetzung mit Neuerungen ist der Schutz des Vorhandenen. So schwierig der bestehende Alltag sein mag, so sehr hat er einen grossen Vorteil:
Man kennt ihn. Man hat Strategien und Reflexe entwickelt, die „mehr oder weniger aber immerhin“ funktionieren. Was passieren wird, ist in einem gewissen Mass berechenbar – und lieber weiss ich, dass es mühsam und schwierig ist, als dass ich gar nicht einschätzen kann was passiert.
Die Change-Formel nach Kathie Dannemiller besagt:
„U x V x ES > W“.
Soll heissen: Unzufriedenheit mit dem Bestehenden mal eine lockende, formulierte Vision für das Neue mal möglichst eingängige einfache konkrete erste Schritte für den Weg in Richtung dahin müssen zusammen deutlich grösser sein als Beharrungsvermögen und Widerstände. Ist eines der multiplizierten Elemente gleich Null, ist nach Adam Riese der Widerstand sicher grösser als alles andere und es passiert – nichts.
Hier liegt ein wichtiger Aspekt im Umgang mit Agilität, wenn sie neu ist. Soll eine gesamte Verwaltung sich auf ein neues „Betriebssystem“ einstellen, wachsen mit den Ansprüchen an „alles anders“ auch der Widerstand und der Beharrungswille. Und die Frage stellt sich, wer wie während der Umstellungszeit auf „das Neue“ eigentlich die Arbeit macht …..? Wenn es aber gelingt, einzelne Aspekte agiler Arbeitsweisen in die bestehenden Vorgänge und Strukuren aufzunehmen und sie funktionieren dann, so können V und ES grösser werden.
Was macht den Alltag denn schwierig? Zum Beispiel: Eine grössere Zahl Flüchtlinge, neue junge Alte und ihre Ansprüche an das Gemeinwesen, eine neu Einfluss gewinnende politische Strömung oder wieder einmal eine neue Technologie fordern die öffentliche Verwaltung. Projekte und Querschnittsthemen – d.h. in diesem Fall Themen, die so in der Linienstruktur nicht abgebildet sind und daher einheitenübergreifend und damit innerhalb mehrerer Zuständigkeiten und Hierarchien bearbeitet werden müss(t)en – werden immer alltagsprägender. Oft sind solche Anforderungen nicht vorher so abzusehen und schon gar nicht einplanbar. Sie sind dann im Rahmen der Organisation, wie sie heute ist, kaum zu bewältigen, weil sie als ‚zusätzlich‘, ,nicht dazugehörend‘ und ‚speziell‘ wahrgenommen werden. Häufig nur, weil sie einfach nicht in die gewohnte Struktur passen wollen.
In neuen, temporären Zusammensetzungen als multiprofessionelles Team in Kontakt mit anderen Sichtweisen zu kommen, ist, selbst wenn manchmal vor allem zu Beginn ungewohnt und schwierig, doch auch ansatzweise hilfreich, hoffentlich lösungsnützlich und vielleicht auch bereichernd – und erhöht kurz- und auch mittelfristig das Systemwissen ungemein. „…Wenn ich weiss, was ich tue und ich weiss, was jemand anders tut und warum, dann ergeben sich neue Handlungsvarianten. Und da es ja ein temporäres Team ist, ist es auch nicht gar so gefährlich, sich für gewisse Zeit darauf einzulassen. Versuchen und ausprobieren, immer wieder justieren und anpassen. Mit dem Rest meiner Zeit kann ich mich immer noch am Bekannten orientieren und meine gewohnte Arbeit verrichten. Ich kann dann herausfinden, was ich im Koffer sicher mitnehmen möchte, weil es auf dem Weg egal wohin nicht verloren gehen darf, und was ich zugunsten des Neuen zurücklassen werde können. …“.
Persönliche Erfahrung mit Vorgehensweisen – und im Idealfall sogar positive – sind ein wunderbares Mittel, mit Ängsten vor dem Verlust der bewährten Strategien und Reflexe umzugehen.
Gleichzeitig im bekannten Jetzt und mit dem anderen Fuss in einer möglichen Zukunft zu agieren hilft dabei, vertraut und kompetent zu werden im Umgang mit beiden.
Denn die Zukunft hat immer heute schon angefangen.
„U x V x ES > W“.
Schönes Bild, gefällt mir…
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