Alles nach Plan? Wenn Projektmanagement in Verwaltungen agil wird

Kommt Ihnen das bekannt vor: Einige Wochen lang haben Sie nun den Kick-Off für Ihr neues Projekt vorbereitet, haben alle notwendigen Personen intern und extern eingeladen, haben sich genau überlegt, was Sie im Projekt und im Kick-Off erreichen wollen und natürlich den Zeitplan genau abgestimmt, Folien vorbereitet, Interaktionen für das Teambuilding – schließlich geht es um Etwas – und dann – am großen Tag – ist alles anders.

Vorbemerkung der Redaktion: Der vorliegende Artikel ist von einem Dienstleister verfasst, der DMS- und andere Software an öffentliche Verwaltungen vertreibt und bei der Einführung begleitet. Im Agilen Manifest heißt es: „… haben wir diese Werte schätzen gelernt: (…) Zusammenarbeit mit dem Kunden mehr als Vertragsverhandlungen …“ Dass auftraggebende Verwaltungen und Dienstleister ein neues Verhältnis zueinander finden, das auf Kooperation beruht und nicht immer den eigenen kleinlichen (kurzfristigen) Vorteil sucht, ist ein ganz zentrales Anliegen der agilen Arbeitsweisen. Es vermeidet Blockaden, und die Projekte machen mehr Spaß, weil harmonisches Zusammenarbeiten immer motivierender ist als unproduktives Gegeneinander. Wir freuen uns, unseren Lesern diesen erfrischenden Bericht vorstellen zu können.

… und dann – am großen Tag – ist alles anders.

Vielleicht fehlt eine der wichtigen Personen, vielleicht bringt ein Fachbereich schlechte Nachrichten zur Planung, vielleicht werden in den ersten Minuten wichtige Entscheidungen hinterfragt. In jedem Fall: Es läuft nicht nach Plan.

Und die Frage ist nicht nur – was tue ich jetzt (Aufgeben? Weiter wie geplant, auch wenn es nicht passt? Das Beste daraus machen und vom aktuellen Standpunkt aus neu planen?) sondern hätte man diese Situation verhindern können – zum Beispiel mit noch besserer, akribischerer Planung? Mit mehr Risikoanalysen und Szenarien?

Wir kennen Situationen wie die oben angesprochene nur zu gut aus unserer Praxis. Um nicht zu sagen: Das ist unser Alltag.

Viele unserer E-Akte Initial-Projekte sind auf ein halbes Jahr angelegt, das bedeutet einerseits: wir starten laufend neue Projekte und andererseits: in dieser knappen Durchlaufzeit ist nicht viel Raum für abwarten und geschehen lassen. Wir hören dabei viele gute Ideen und sehen viele Planungsunterlagen unserer Kunden, die mit viel Vorlaufzeit ausgearbeitet wurden. Manche dieser Pläne halten länger, andere kürzer.

Ein Fall, bei dem die Planung am ersten konkreten Kontakt mit der Realität zerschellt ist, fand in einer Kommune mit 400 Bediensteten statt. Die Leistungen sind gut beschrieben und der Vertrag ist unterzeichnet. Unser Kernteam freut sich auf den Start und hat den Kick-off intensiv vorbereitet. Noch in der Vorstellungsrunde unterbricht der Verantwortliche für den Pilotbereich aus dem Tiefbau die geplante Agenda: Er verlässt die Kommune, sein Stellvertreter übernimmt interimistisch seine Agenden. Auf Nachfrage gesteht dieser ein, das Projekt nicht wie geplant unterstützen zu können. Damit gibt es einen Pilotbereich weniger. Zugleich merkt man dem Verantwortlichen aus dem IT-Bereich an, dass auch er schlechte Nachrichten hat: Die geplante Schnittstelle eines Fachsystems kommt nicht wie geplant, sondern frühestens in einem dreiviertel Jahr. Damit fällt auch dieses Thema aus dem Projektrahmen. Noch vor dem Mittagessen des Kick-Offs liegen die Kalkulationsgrundlagen zerschmettert am Boden und alle bisherigen Projektpläne sind als gegenstandslos zu betrachten. Der Projekterfolg ist in Gefahr. Nach längerer Diskussion wird ein bisher deutlich später geplanter Bereich (Soziales) angefragt und dank eines engagierten Gruppenleiters sehen wir Licht am Ende des Tunnels. Der neue Pilotbereich sieht die Chance gleich zu Beginn mit dem neuen E-Akte-System arbeiten und eine Schnittstelle zum wichtigsten Fachsystem des Bereichs bekommen zu können.

Natürlich muss es nicht so laufen. Es gibt auch die Fälle bei denen Vieles stabil bleibt, das Team vom Kick-Off bis zur Abschlussfeier unverändert ist und die Vision es in weiten Teilen in die Umsetzung schafft. Aber selbst in diesen Projekten sind die Veränderungen das beständigste Merkmal.

Bei einem unserer Projekte in einer Stadtverwaltung war ein sehr engagiertes Team auf Kundenseite aktiv.

Die Überlegungen zur Digitalisierung der Baugesuche sind umfassend und basieren auf verschiedenen statistischen Analysen der vorhandenen Daten kombiniert mit allgemeinen Erkenntnissen über Digitalisierungsprozesse. Das Ziel ist die Reduktion des Bearbeitungsaufwands und der erste Hebel dazu ist die digitale Erfassung der Anträge. Über Onlineformulare soll bereits eine hohe Quote digital direkt im System landen, nur mehr ein kleiner Teil in Papier ankommen, um im Haus digitalisiert zu werden und über Mail eingebrachte Anträge (die oft mit schlechter Qualität gescannt werden und daher Probleme in der Bearbeitung machen) sollen ganz verschwinden. Die Systeme werden richtig konfiguriert und tun, was sie tun sollen – alleine die Quote der über Onlineformulare eingebrachten Anträge kommt nur langsam vom Fleck und die per Mail eingebrachten Anträge sind nahezu unverändert. Erst jetzt kommt durch weitere Analysen und Gespräche heraus: Die Mail-Anträge kommen von wenigen großen Architektur- und Ingenieurbüros für die der Mailversand aus ihren Systemen nur einen Klick weit entfernt ist – alle anderen Varianten jedoch aufwändiger. Erst eine Schnittstelle zum gängigsten System auf Seite der Unternehmen führt dazu, dass sich die Mailanträge drastisch reduzieren und sich das eigentliche Ziel bei den Erfassungsaufwänden erreichen lässt.

Bei all der Vernetzung und Komplexität die sowohl die heutigen Systeme als auch Organisationsformen aufweisen, bleibt uns keine andere Möglichkeit als mit der Veränderung zu leben. Die Möglichkeiten und Szenarien sind zu vielfältig um sie „einzuplanen“, daher ist es notwendig ein Vorgehen bei der Planung zu wählen, das flexibel genug ist, um auf die Veränderungen Rücksicht zu nehmen – ganz im Sinne von „embrace the change“.

Nicht der erreicht sein Ziel in einer solchen Welt mit größerer Wahrscheinlichkeit, der mit starrem Blick einem fixen Plan unerbittlich folgt, sondern der, der das Ziel stetig im Blick die Übersicht über das weite Umfeld behält und auf Hindernisse flexibel reagieren kann.

Um einen anderen Vergleich zu ziehen: Wir müssen in unseren Projekten mehr agieren wie unsere modernen Navigationsgeräte. Auch dort geben wir ein Ziel ein und erhalten nicht eine fix vorprogrammierte Route, sondern eine, die schon auf aktuell gesperrte Straßen und die aktuelle Verkehrslage Rücksicht nimmt. Und wenn sich die Verkehrslage ändert, ändert sich auch unsere Route. Und sollten wir einmal falsch abbiegen, dann gibt es einen neuen Plan.

Dieses System bringt uns tagtäglich mit hoher Verlässlichkeit ans Ziel – und das ist es schließlich was wir in unseren Projekten wollen: Bei allen Veränderungen gut ans Ziel kommen.

 

Autor: Franz Noll

Studierte Wirtschaftsinformatik an der Universität Wien. Danach diverse Anstellungen als Berater im IT-Bereich. Seit 2001 Prokurist und Projektleiter bei TechTalk (https://www.techtalk.at) - einem Unternehmen in Wien mit Fokus auf agile Abwicklung von Projekten im öffentlichen Bereich. Betreuung von e-Akte Projekten in unterschiedlichen Organisationsgrößen der öffentlichen Verwaltung (www.techtalk-eakte.eu).

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