Die Stadt Freiburg hat die Bestellung des Mietspiegels durch die Bürger in das Service-Portal des Landes Baden-Württemberg gestellt. Im Verlauf des Projekts wurde der Prozess völlig umgekrempelt – weil Stakeholder beteiligt wurden und ihre Erwartungen äußern konnten. Von der Vorgehensweise können vielleicht auch andere Kommunen profitieren.
Verfasser*innen: Katharina Reitemeyer, Stadt Freiburg im Breisgau, Digitales und IT, und Matthias Hörmeyer, KGSt
Anlass
Die Initiative für die Entwicklung des Mietspiegel-Prozesses geht auf einen Zusammenschluss von Städten in Baden-Württemberg zurück, die sich das Ziel gesetzt haben, die Digitalisierung und den Ausbau des Serviceportals des Landes Baden-Württemberg „service-bw“ voranzutreiben. Dazu wurden Prozesse gesucht, die sich schnell und einfach digitalisieren lassen und so als Anwendungsbeispiele dienen können. Unter anderem hat Freiburg eine Dienstleistung auf eigene Kosten entwickelt und den fertigen Prozess über service-bw allen anderen Kommunen in Baden-Württemberg kostenfrei bereitgestellt.
Für die Stadt Freiburg wurde die Bestellung des Mietspiegels als zu digitalisierender Prozess ausgewählt, da dieser Vorgang in seiner damaligen Form umständlich erschien, dabei aber klar abgrenzbar und überschaubar war. Ines Mergel, die an der Universität Konstanz Public Administration lehrt, vermittelte Studierende, die im Rahmen eines Seminars mit dem Titel „Wie können wir öffentliche Dienstleistungen gestalten, die die Bürger tatsächlich nutzen wollen und denen sie vertrauen können?“ den bisherigen Prozess analysierten und Verbesserungen erarbeiteten.
Als Prozessziele wurden die Zustellung des Mietspiegels innerhalb einer Woche, einheitliche Prozesse und Leistungen, die leichte Auffindbarkeit und eine 80%ige Onlinebestellrate festgelegt. Wichtigste Messgröße ist hierbei die Onlinebestellrate, da die Nutzungszahlen im Prinzip leicht zu erheben sind. Die Zielerreichung soll erstmals ein Jahr nach dem Start des neuen Verfahrens überprüft werden.
Wie sind wir methodisch vorgegangen?
Die Studierenden der Universität Konstanz folgten den Grundsätzen des Public Service Design. Dem Grundprinzip der Nutzerzentrierung folgend, stand die Nutzerforschung am Beginn der Überarbeitung der Verwaltungsleistung der Mietspiegelbereitstellung. Es sollte herausgefunden werden, wer die Zielgruppe für diese Dienstleistung ist, was ihre Bedürfnisse sind, welche Anforderungen sie an die Dienstleistung stellt und wie die Dienstleistung leicht zugänglich gemacht werden kann.
Zu Beginn wurde überdies eine Stakeholder Analyse durchgeführt. Diese hat folgende Stakeholder identifiziert: Bürger, Unternehmen, Mitarbeitende des Fachamtes, Vermieter, Immobilienmakler und Wohnungsbaugesellschaften.
Es wurden Experteninterviews mit den zuständigen Sachbearbeitern des Fachamtes der Stadt Freiburg und qualitative Nutzerinterviews mit zufällig ausgewählten Bürgern in Freiburg geführt. Es wurden drei Experten und 17 Bürger interviewt.
Bei den Nutzerinterviews stellte sich heraus, dass viele Privatpersonen, also Mieter, die die Höhe der von ihnen zu zahlenden Miete überprüfen wollen, Interesse an dem Mietspiegel haben. Die Studierenden begleiteten die Nutzer durch den gesamten Prozess der Onlinebestellung des Mietspiegels von der Internetrecherche nach der Seite zur Mietspiegelbestellung bis zum Erhalt des Produkts und dokumentierten deren Erfahrungen.
Nachdem die Ergebnisse der Nutzerforschung vorlagen, konnte begonnen werden, einen neuen Prozess zu gestalten. Dazu wurde ein Prozesssteckbrief angefertigt, in dem der angestrebte Prozess kurz beschrieben wurde. Wichtig war hier, dass klare Ziele und ein Wertversprechen formuliert wurden.
Das Wertversprechen ist notwendig, um einen Prozess bzw. die Veränderung eines Prozesses überhaupt zu rechtfertigen. Die Formulierung von konkreten Zielen ermöglicht die Überprüfung des Nutzens bzw. Mehrwerts für die Nutzer. Im vorliegenden Fall war das Wertversprechen die vollständige Zustellung des Mietspiegels innerhalb eines kurzen Zeitraums, einheitliche Informationen rund um den Mietspiegel und die Ermöglichung der Zustellung ins Ausland.
Auf Grundlage des Prozesssteckbriefs und eines Flow-Charts für den zu gestaltenden Prozess erstellten die Studierenden ein Mock-Up der Seite (HTML-Seite) zur Bestellung des Mietspiegels. Der Anspruch war, dass die Nutzer innerhalb von drei Minuten einen Mietspiegel bestellen oder sich ihre individuelle Vergleichsmiete berechnen lassen können.
Das von den Studierenden erstellte Service Design wurde Ausgangspunkt für die Beauftragung eines IT-Dienstleisters mit der technischen Umsetzung. Diese wurde in mehreren Iterationen durchgeführt, sodass ständig überprüft werden konnte, ob das Produkt den gestellten Anforderungen, also dem Wertversprechen, gerecht wurde. Teil des Auftrags war auch die Protokollierung der Anzahl der Aufrufe, der Abbruchrate und der abgeschlossenen Vorgänge, damit das Erreichen der Zielvorgabe überprüft und der Prozess ggfs. verbessert werden kann.
Was ist unser Ergebnis? Was hat sich für Nutzer verbessert?

Es zeigte sich, dass bei der bisherigen Mietspiegelbestellung weder der Bestellvorgang noch das Produkt den Erwartungen und Bedürfnissen der Nutzer entsprach. Schon das Auffinden der richtigen Seite im Internet bereitete laut der Dokumentation der Studierenden mehr als 75% der Nutzer Schwierigkeiten, die Nutzerführung auf der Seite selbst wurde als unklar, das Layout als unübersichtlich empfunden.
Gewünscht wurde von den Nutzern die schnelle, verständliche und kostenlose Berechnung ihrer individuellen Vergleichsmiete und nicht die Bestellung des kompletten Mietspiegels mit allen Hintergrundinformationen. Um dem zu entsprechen, war es notwendig einen neuen Prozess zu gestalten, der komplett automatisiert ablaufen sollte. Somit wird der manuelle Aufwand im Fachamt gering gehalten, da der größte Anteil der Anfragen online abgewickelt werden kann.
Die Erkenntnis aus den Nutzerbefragungen ist, dass sich die Antworten ab der 5ten Person wiederholen. Ein großer Nutzerkreis ist also nicht zwingend notwendig für repräsentative Befragungen.
Referenzen zum Projekt
Die Stadt Freiburg stellt unter www.freiburg.de/mietpreisauskunft die Online-Mietpreisauskunft bereit. Damit kann jeder die ortsübliche Vergleichsmiete kostenlos und mit wenigen Klicks ermitteln.

Die Stadt erhielt dafür den „Preis für gute Verwaltung“, der von der Hochschule für Technik & Wirtschaft sowie dem Public Service Lab in Berlin vergeben wird. Der nutzerzentrierte Ansatz und die Umsetzung auf einer landesweiten Service-Plattform beeindruckten die Jury in Düsseldorf.
Was war unsere Herausforderung? Was würden wir beim nächsten Projekt anders machen? Was sind unsere Learnings?
Die Koordination und Kommunikation mit vielen Projektbeteiligten über verschiedene Standorte hinweg hat sich als problematisch dargestellt. Hinzu kam die Schwierigkeit, dass ein Prozess entwickelt wurde, der nicht in die Zuständigkeit des für die Maßnahme verantwortlichen Amtes fiel. Der Abstimmungsaufwand war somit hoch. Die Einbindung des Fachamtes hätte im Nachhinein noch deutlich besser sein können. Persönliche Treffen in regelmäßigen Abständen mit allen Beteiligten hätten die Kommunikationsproblematik sicherlich verbessert. Die Bildung eines Expertenteams mit festgelegtem Personenkreis über den gesamten Zeitraum ist sinnvoll.
Ein wichtiger Stakeholder wurde am Anfang nicht berücksichtigt und somit auch nicht in die Nutzerinterviews mit einbezogen. Dieser Stakeholder sind die Vermieter bzw. Wohnungsbaugesellschaften. Diese Zielgruppe hat abweichende Anforderungen an den Prozess. Dadurch, dass diese Zielgruppe nicht von Anfang an mit in die Entwicklung des Prozesses einbezogen wurde, mussten einige Prozessschritte wiederholt werden bzw. eine weitere Iteration entwickelt werden. Dies hat zusätzliche Kosten, Ressourcen und Zeit gekostet. Bei zukünftigen Projekten wird ein deutlich größeres Augenmerk auf die Stakeholder Analyse gelegt. Alle Stakeholder müssen von Anfang an involviert und interviewt werden. Keine Zielgruppe darf vernachlässigt werden.