Oftmals ist die Notwendigkeit der Einführung eines Dokumentenmanagementsystems für Fachpersonen, Expertinnen und Experten klar auf der Hand liegend – sei es auf Grund der Vorteile für die Organisation im Vergleich zu den aktuell gelebten Verfahren oder auch auf Grund aktueller sowie kommender gesetzlicher Rahmenbedingungen.
Es kann jedoch sein, dass die Hausleitung von der Initiierung der Maßnahme zur Inbetriebnahme eines solchen Systems zu überzeugen ist, bspw. auf Grund der zu erwarteten Kosten, der Befürchtung einer Überorganisation oder schlicht aus mangelnder Sachkenntnis. Folgende vier Aspekte und entsprechende Argumente sollen dabei helfen, seitens der Leitung ausreichend Kenntnisse über das Vorhaben sicherzustellen, etwaige Vorbehalte zu kompensieren und schließlich der Einführung des Systems zuzustimmen.
1 Komplexität verringern
Schriftgutverwaltung, Posteingänge, Verfügungen, Signaturen und Antragsverfahrensunterstützung sind nur einige Bereiche, welche mit einem guten Dokumentenmanagement digitalisiert werden können. Entsprechend können sich die konzeptionellen Vorarbeiten, die Entwicklungsmaßnahmen zur Herstellung der organisatorischen Regelbetriebsbereitschaft und die eigentliche Projektarbeit als komplex darstellen. Für Projektleiter:innen ist es eine Herausforderung, Führungskräfte – die über keinerlei Fachkenntnis verfügen, aber trotzdem entscheiden sollen – zu einer Entscheidung zu befähigen
Ein Lösungsansatz wäre hier die Einführung eines Dokumentenmanagementsystems als ein Projektpaket zu formulieren, welches sequenziell bzw. wo sinnvoll auch parallel abzuwickelnde Projekte enthält. So wäre die Basisinstallation und -konfiguration nebst einem Prozess wie bspw. der digitalen Posteingangsbearbeitung ein initiales Projekt. Nachfolgend, auch unter der kontinuierlichen Evaluation des bisherigen Projekterfolges und sich etwaiger organisatorischer Rahmenbedingungen können dann auf dieser Basis weitere Projekte geplant, separat durch die Leistung beauftraget und anschließend mit überschaubareren Ressourcenbedarfen und Effekten für die Organisation umgesetzt werden.
2 Prozesskosten aufzeigen
Im Spannungsfeld von immer komplexer werdenden Verfahren einerseits und die zunehmende Herausforderung, dass eigene Verwaltungshandeln durch geeignetes Fachpersonal nachhaltig zu ermöglichen, anderseits kann die Einführung eines Dokumentenmanagementsystems als ein Baustein der Lösungsstrategie angesehen werden. Wie viele Einführungsstrategien und Erfahrungsberichte korrekt empfehlen, sollte die zu digitalisierenden Prozesse auf jeden Fall analysiert, dokumentiert, visualisiert und vor allem optimiert werden.
Dies quantitativ nicht zu unterschätzende Maßnahme kann je nach Strategie auch als eigenes Projekt in dem vorgenannten Projektpaket definiert werden und sollte durch ein Prozessmanagementwerkzeug, welches bei den vorgenannten Aufgaben unterstützt, fundiert werden. Am Ende sollten optimierte, das Dokumentenmanagement als Basis nutzende, Prozesse stehen. Denn die Ist-Prozesse sind alles andere als effizient. Sie sind durch überflüssige Schleifen, Kaskaden von Mit- und Schlusszeichnungen (ohne Beitrag zur Ergebnisqualität) und unnötige Doppelerfassung von Antragsdaten zu Prozessbeginn gekennzeichnet.
Und gerade diese Artefakte sind zuträgliche Argumente in einer Diskussion um die Freigaben des Projektgesamtpaketes zur Einführung eines Dokumentenmanagementsystem. Denn hier werden die Kostentreiber benannt, übermäßige aber vermeidbare Arbeitsbelastungen bei Rollenträger sichtbar und aktuell bestehende Mehrbedarfe an Personal transparent in ein neues Licht gerückt.
3 Medienbrüche aufzeigen
Im 21. Jahrhundert ist es aus Anwendersicht verständlicherweise immer fragwürdig, warum es innerhalb eines Prozesses zu Medienbrüchen bzw. einen Nebeneinander von Medien kommt. Die mit diesem Phänomen einhergehende Probleme wie Verzögerungen in der Bearbeitung und Fehleranfälligkeit auf Grund der Unklarheit, welche Informationen die Führende ist, können auch fachfremde Entscheider nachvollziehen, sogar meist aus eigener Erfahrung. Dies insbesondere dann, wenn sie auch interner Kunde in Prozessen sind, welche von Medienbrüchen gekennzeichnet sind.
Somit ist dieses Phänomens in der Entwicklung einer Vision für das Projektpaket zur organisationsweiten Einführung eines Dokumentenmanagementsystem grundsätzlich zu adressieren. Auch hier kann eine Dokumentation aller Istprozesse und deren Visualisierung zum Aufzeigen des Auftretens von Medienbrüchen das geeignete Werkzeug sein.
4 Formalisierung und Transparenz als Mehrwerte betrachten
Oftmals ist allen Beteiligten und Adressaten bewusst, dass die Einführung eines Managementsystems einen gewissen Formalismus und ein Mehr an Transparenz im Arbeiten mit sich bringt. Gleichzeitig sind unter Umständen gerade diese Aspekte auch die Gründe für ein latenten Widerstand gegen solch ein System. Bei Entscheidern und Führungskräfte manifestiert sich dies dann in der Ablehnung der Einführung.
Ein Baustein in der Aufdeckung dieser Widerstände ist die Herausarbeitung und Formulierung der Vorzüge von Formalisierung und Transparenz. So sollte die Formalisierung im Rahmen der Definition der Sollprozesse als Grundlage und Notwendigkeit für die Reduzierung von Prozesskosten dargestellt werden. Ein Dokumentenmanagementsystem bedeutet mehr Transparenz. Es wird nachvollziehbar, wer an Akten und Dokumenten beteiligt war. Auch Durchlaufzeiten werden nachvollziehbar. Aber Führungskräfte sollten überzeugt werden können, dass es sich hierbei nicht um Kontrollmaßnahmen gegenüber den Beschäftigten handelt, sondern um Grundlagen zeitgemäßer kollaborativer Arbeitsweisen und ein unabdingbares Merkmal im Kontext von Self-Service-Funktionalitäten innerhalb des Systems.
Gleichzeitig sollte auch bei der Betrachtung der Digitalisierung bestimmter Prozesse und Schriftgutverfahren auch immer die spezifische Implementierung ausgehandelt werden. So steht auf der einen Seite die stark formalisierte Unterstützung durch Workflow-Engines, auf der anderen Seite der Ansatz Case Managements, welcher ausreichend Freiheit bei der Bearbeitung von Akten, Dokumenten und Prozesse gibt. Diese Aushandlung kann in der oben skizzierten Strategie des Projektpaketes dann im Vorfeld jedes einzelnen Projektes geschehen, so dass eine Festlegung zwischen den genannten Polen noch nicht bei der initialen Freigabe für das Gesamtprojekt erfolgen muss und so die Entscheidung für ein System erleichert.
Eine Bitte um Unterstützung zum Schluss
Eine Arbeitsgruppe ist gerade dabei, einen Leitfaden „Implementierung von E-Akte und DMS“ zu erstellen. Er soll Projektbeteiligten helfen, über Projekthürden hinwegzukommen und dabei nicht immer das Rad neu erfinden zu müssen. Der vorstehende Artikel ist der erste Beitrag, der in den Leitfaden aufgenommen werden soll.
Ihr würdet uns sehr helfen, wenn ihr uns z. B. die eine oder andere der folgenden Fragen beantworten könntet:
- Würde der Artikel bei der Überzeugung von Führungskräften helfen?
- Wie stehen FK insbesondere zu dem Vorschlag, Prozesse zu verschlanken, ggfls. sogar umzustellen („Zeichnungskaskaden“)
- Was fehlt dem Artikel noch aus Eurer Sicht, um die Führungskräfte zu überzeugen?
- Wurden alle wichtigen Aspekte beachtet/Welche Aspekte wurden vergessen?
- An welchen Stellen ist der Artikel unverständlich?
- Was sind eure eigene Erfahrungen beim Umgang mit Führungskräften in diesem Kontext?
Nutzt doch bitte die Kommentarfunktion, wenn ihr uns noch Hinweise geben möchtet.
Moin, ich glaube nicht, dass Führungskräfte so einfach auf Argumente reagieren. (Das hat jetzt nichts mit Fatalismus oder Enttäuschungen zu tun). Es reicht also nicht allein, mit Argumenten zu kommen. Stellt Fragen, z. B.: Welche Ziele willst Du erreichen? Wie machst Du das gerade? Woher weisst Du, ob das funktioniert? Was passiert, wenn die Vorgänge transparenter werden? Wie ändert das die Machtverhältnisse? Wirst Du künftig mehr Entscheidungen treffen? Die Machtstrukturen in einer Hierarchie machen jeder Führungskraft das Leben schwer. Konzentriert Euch auf ganz konkrete Probleme. LG, Jan
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