Die Stadtverwaltung Goslar /Anmerkung 1/, das ist eine Kommune, am nördlichen Harzvorrand in Niedersachsen gelegen, mit rund 50.000 Einwohnerinnen und Einwohnern und drei UNESCO-Welterbestätten: unsere Altstadt, unser Bergwerk Rammelsberg und unsere Oberharzer Wasserwirtschaft.

Viel Historie und Industriegeschichte und die vierte industrielle Entwicklungsstufe vor der Haustür: die „Digitalisierung“. Im Jahr 2017 fassten wir den Entschluss, dieses Thema und seine Herausforderungen für die Stadtverwaltung und die Stadtgesellschaft Goslar anzugehen.
Wie digitalisiert man eine Stadt?
Das Thema Digitalisierung ist nicht einfach zu vermitteln. Bei nicht wenigen Bürgerinnen und Bürgern kommen Ängste und Unsicherheiten auf, weil die mit der Digitalisierung kommenden Veränderungen sowohl privat in der persönlichen Lebensumgebung als auch dienstlich am eigenen Arbeitsplatz noch nicht erfahrbar sind. Was ist eigentlich eine „Smart City“ oder eine „Smart Region“? Etwa Flugtaxis, die durch die Altstadt von Goslar mitten durch das Weltkulturerbe fliegen? Wenn ich also die Digitalisierung und die Smart City noch nicht konkret beschreiben und nicht in einer anderen Stadt „besichtigen“ kann, wie kann ich denn dann einen eigenen Plan, ein Konzept oder eine Strategie entwickeln? Und auf solch einer ungewissen Basis relevante Haushaltsmittel von den Mitgliedern des Rates der Stadt Goslar, denen das Budgetrecht obliegt, abfordern? Wenig überzeugend und erfolgversprechend, fanden wir. Sollten wir eine Beratung engagieren, die uns das smarte Bild unserer Stadt der Zukunft zeichnet? Das fühlte sich nicht richtig gut an, denn wir wollten ja gerne mit unserem Wissen, unserer Erfahrung und unserer Neugier das „Lookbook“ der digitalen Stadt Goslar selber zeichnen:

Dann hatten wir die Idee, dass wir uns doch selbst schon gut zum Thema Digitalisierung auskennen. Und es gab auch einige Kolleginnen und Kollegen in unserer Stadtverwaltung, die ebenfalls schon digitale Ansätze in ihren Aufgabenbereichen umsetzen oder schon ein bisschen der Typ „Digital Native“ waren. Und kannten wir nicht auch digitale Expertinnen und Experten in Goslar außerhalb der Stadtverwaltung, mit denen wir das Thema gemeinsam entwickeln konnten? Na klar – kannten wir!
Die Gruppe startet und wächst
Und so starteten wir am 02.06.17 mit einem zehnköpfigen Team: neun Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Aufgabenbereichen der Stadtverwaltung und ein kreativ-agiler Ratsherr. Alle trugen die Idee der Öffnung nach außen mit und heute besteht die Arbeitsgruppe GoSMART aus 30 Mitgliedern. Wir haben Ideenreichtum, Engagement und Kompetenz folgender Bereiche zusammengebracht: Wissenschaft und Forschung: Institute for Software and Systems Engineering der TU Clausthal, Digitalisierungslabor silverLabs IT-Dienstleister und Digitalisierungsagenturen: Bornemann AG, christmann informationstechnik + medien GmbH & Co. KG, t-systems, MARX IT Service GmbH, pdv-software GmbH, Dr. Graband & Partner GmbH, InvMan OHG Kreativwirtschaft, Jugend, Bildung, Museen: Makerlounge 3D-Studio, at//design, Stadtjugendpflege, Jugendzentrum, Stadtbibliothek, Weltkulturerbe Erzbergwerk Rammelsberg Goslar GmbH Ver- und Entsorger, kommunale Infrastruktur: HarzEnergie GmbH & Co. KG, EURAWASSER Betriebsführungsgesellschaft mbH, Stadtbus Goslar GmbH, Eigenbetrieb Betriebshof Goslar, Eigenbetrieb Goslarer Gebäudemanagement Stadtmarketing: GOSLAR marketing gmbh Stadtverwaltung Goslar: Wirtschaftsförderung, IT-Service, Stadtplanung, E-Government, Organisation, Geographische Informationssysteme, Tiefbau

Wie die Gruppe arbeitet
Frei nach dem Motto „VON DER INDUSTRIEKULTUR IN DAS DIGITALE ZEITALTER“ treffen wir uns immer im Weltkulturerbe Bergwerk Rammelsberg /Anmerkung 3/.

Dass wir einmal auf 30 Mitglieder anwachsen, hätten wir nicht gedacht. Wie arbeiten wir? Die erste Phase war geprägt von Wachstum. Schnell kennt „einer einen in Goslar“, der digital begeistert ist. Wir sprachen die Institutionen und Menschen einfach an und luden sie ein, zu uns zu kommen. Es galt aber auch die Regel, dass jeder darf und keiner muss. Als Stadtverwaltung gaben wir jeweils mit einer Agenda für die Sitzung eine Struktur vor. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten zusätzlich ihre Punkte bringen. Jedes neue Mitglied bekam zu Beginn Zeit, sich, sein Unternehmen, sein digitales Angebot, sein Bild der digitalen Zukunft vorzustellen. Gerade in der ersten Phase haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer viele Ideen eingebracht, welche Unternehmen, Institutionen und „Digital Natives“ wir als Gäste einladen können, um von inspirierenden digitalen Konzepten und Angeboten zu erfahren. Das hat uns sehr bereichert und verschaffte uns auch tiefe Einblicke in die digitale Welt. Im Laufe der Zeit trat auch ein Vernetzungseffekt ein. Regionale Akteure merken erstaunt, dass – nicht weit entfernt in der Stadt von einem selber – jemand eine Kompetenz hatte, die er selber gut brauchen kann. Die Mitglieder vernetzten sich untereinander und geschäftliche Kontakte im besten Sinne von Wirtschaftsförderung entstanden. Was uns in der Arbeitsgruppe GoSMART wichtig ist: Alles wird offen diskutiert. Dies führt dazu, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Sitzungen der Arbeitsgruppe GoSMART als lebendig, inspirierend, spannend und innerlich erfüllend beschreiben. Ein Effekt daraus: Keine Sitzung endet pünktlich zu der jeweils anvisierten Zeit („11:00 Uhr“) und die Murmelgruppen gehen anschließend oft in die Verlängerung. In der aktuellen Phase 2 der Entwicklung der Arbeitsgruppe GoSMART treten Abstimmungs-, Diskussions- und Synchronisierungsgespräche zu möglichen digitalen Angeboten von uns als Stadt Goslar für die Bürgerinnen und Bürger und Institutionen hinzu. Die Arbeitsgruppe GoSMART wird zu unserem freundlichen und kritischen „Sparringpartner“:
- Brauchen wir eine Stadt-App und welche?
- Sollen wir Smart Benches /Anmerkung 4/ aufstellen?
- Wie kann ein KI-System vor Hochwasser warnen?
- Brauchen wir ein offenes WLAN?
- Sollen wir ein Geo-Portal starten?
- Wie können wir Fahrgastzahlen auf unseren städtischen Bussen messen?
- Wie digitalisieren wir unsere neue Stadtbibliothek?
- Wie können wir Tourismus und Einzelhandel digital unterstützen?
- Wie können wir smartes Parken digital umsetzen?
- Knöllchen, bei uns auch online?
- Coding-Camps für Jugendliche und Kids anbieten?
- Bürgerinnen und Bürger über Service-Design einbinden?
- Was können wir mit Sensoren in unserer Stadt messen?
- usw. …
In der folgenden Zeit war es auch möglich, die Akteure der Arbeitsgruppe GoSMART aktiv gestaltend in Work-Shops mit einzubinden:

und eine gemeinsame Informationsveranstaltung mit den Mitgliedern des Rates der Stadt Goslar zum Thema anzubieten:

So, was hat das jetzt alles mit agiler Verwaltung zu tun?
Das Thema Digitalisierung und Smart City ist ein komplexes Vorhaben. Wie die zukünftige smarte Stadt aussieht, kann noch niemand genau sagen – es ist ungewiss. Damit sind zwei Kriterien (komplex und ungewiss) erfüllt, die für ein agiles Vorgehen sprechen. Und so haben wir begonnen – Maßnahme für Maßnahme. Damit ist es aus meiner Sicht allerdings nicht ausgeschlossen, dass weitere Digitalisierungsmaßnahmen, insbesondere für eine digitale Infrastruktur mit den notwendigen Investitionen, zukünftig strategische und konzeptionelle Planungen notwendig machen. Für den Start der Arbeitsgruppe GoSMART war die schrittweise Vorgehensweise mit den vorhandenen Kompetenzen der Akteure ein Glücksfall. Die positiven Feedbacks im gesamten Prozess bestätigen es. Die Arbeitsgruppe GoSMART lebt vor allen Dingen davon, dass sich unterschiedliche Akteure aus unterschiedlichen Feldern/ Sektoren mit ganz unterschiedlichen beruflichen Hintergründen institutionsübergreifend zusammengefunden haben. Wir vom Forum Agile Verwaltung nennen das „cross-funktionale“ Teams. Cross-funktionale Teams bearbeiten komplexe Themen, sind zuständigkeitsübergreifend zusammengesetzt, haben unterschiedliche funktionale Expertise und multidisziplinäre Fähigkeiten /Anmerkung 5/.
Wie geht es weiter?
Die Arbeitsgruppe GoSMART arbeitet kreativ und diskussionsfreudig weiter. Im Frühjahr 2020 wird sich die Stadt Goslar beim Förderprogramm „Modellprojekte Smart Cities“ des Bundesministeriums des Inneren, für Bau und Heimat bewerben /Anmerkung 6/ – mit ordentlich Rückenwind von der Arbeitsgruppe GoSMART. Wenn wir erfolgreich sind, dann folgt Teil 2 des Blogposts. Für die Zwischenzeit gibt es weitere Story´s auf unserem Blog https://machmit.goslar.de/ zu entdecken.
/1/ https://machmit.goslar.de/ | https://www.goslar.de/ | Instagram: @goslar.de und @meingoslar /2/ Twitter, Instagram: @grzno /3/ https://www.rammelsberg.de/ /4/ Intelligente Parkbänke, u.a. mit WLAN-Hotspot, Solarbetrieb, Ladestation für Smartphones, LCD-Monitor. /5/ Vgl. Grundsatzbeitrag „Agile Arbeitsmethoden: welcher Nutzen für die öffentliche Verwaltung? auf https://agile-verwaltung.org/was-bedeutet-agile-verwaltung/was-heisst-agile-verwaltung/ /6/ https://www.smart-cities-made-in.de/
Ordentliches Arbeiten beginnt mit einer Ist-Analyse: Wo stehen wir. Nächste Frage: Wo wollen wir hin. 3. Frage: Wie machen wir das am besten. Aber bitte nicht: Wie setzen wir brav um, was uns von oben aufgetragen wird — und von wo oben genau eigentlich: vom Munizipat, vom Land, vom Bund, von der EU, von den die EU tragenden Eliten?
Leseempfehlung (nicht von oben), die zeigt, daß zumindestens die globalen Topeliten wissen, wie ordentlich gearbeitet wird: http://linkezeitung.de/2019/12/15/was-ist-sustainable-development
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