Letzten Monat habe ich bei einem virtuellen Lean Coffee des Forums Agile Verwaltung teilgenommen. Eine Frage, die dort besprochen wurde lautete in etwa: Wie kann ich meine Kolleg:innen dazu bewegen, sich am (Kanban-) Board mit einzubringen? Ich fand das ein spannendes Thema, denn vor zwei Monaten haben wir bei uns im Team selbst Kanban eingeführt.
Ich habe immer noch ein Lächeln im Gesicht, wenn ich an den tollen Workshop denke, den wir als Team gemeinsam mit der Trainerin Ines Robbers /Anmerkung 1/ hatten, um das Prinzip hinter Kanban zu verstehen. Den ersten wirklich spaßigen Teil, in dem wir mit dem “Pizza Spiel” /Anmkerung 2/ selbst erfahren konnten, was arbeiten mit Kanban bedeuten kann. Und dann der zweite herausfordernde Teil, in dem wir basierend auf unserer Wertschöpfungskette und unseren Arbeitsbereichen anfingen, „unser Kanban-Board“ zu bauen. Das hängt nun bei uns im Büro und wir alle wissen: das ist erst der erste Versuch, ein Prototyp, der sich mit den Wochen und Monaten immer wieder verändern wird, weil wir ihn in der Praxis immer mehr verstehen, für uns passend verändern werden und noch besser nutzen können.

Ich will nicht behaupten, dass alle von Anfang an gleichermaßen begeistert und/oder offen von der Idee waren, Kanban im Team einzuführen. Gleichwohl haben wir es gewagt und uns darauf eingelassen. Und nun ist es ein Prozess. Ein Prozess, den wir gemeinsam weiter durchlaufen werden, in dem wir uns in unseren „almost dailys“ und kommenden Retros zuhören, den anderen mit seinen Bedenken sehen und verstehen möchten, gemeinsam voneinander lernen und noch mehr ein Team werden. Ich bin davon überzeugt, dass wir dadurch wachsen werden. Egal wie es ausgeht. Wenn wir in einem Jahr feststellen, dass es für uns nicht passt, dann passt es eben nicht. Wir haben trotzdem dazugelernt.
Vielleicht ist es beim Lesen aufgefallen, dass ich oft die Worte „gemeinsam“ und „wir“ benutze. Die Einführung von Kanban oder irgendeiner anderen agilen Methode ist eine wesentliche Veränderung, die meiner Meinung nach nur zusammen und in Gemeinschaft funktioniert. Einer Gemeinschaft, die einlädt, ermutigt und inspiriert, wie Gerald Hüther so schön sagt.
Nicht jedes Team ist eine Gemeinschaft
Um eine Gemeinschaft zu werden, braucht es gemeinsame Werte wie Wertschätzung, gelebte Augenhöhe, Teilhabe, Empathie und Vertrauen. Eine gelebte Wir-Kultur. Eine Wir-Kultur lebt von Kompetenzen wie Beziehungskompetenzen, sozialen Kompetenzen.
Vor kurzem habe ich an einem virtuellen WeQ Salondialog /Anmerkung 3/ teilgenommen. Thema dort war u. a. die Frage, welche Kompetenzen wir für die Zukunft benötigen. Es wurde dort als eine Antwort das 5K-Modell des Bildungsdirektors der OECD benannt: Kommunikations-, Kollaborations-, Kreativitäts-, Konfliktlösungskompetenz und kritisches Denken.
Wie können wir diese Zukunftskompetenzen erlernen? Wie schaffen wir es, in eine resiliente Wir-Kultur hineinzuwachsen als Basis für Kollaboration und Ko-Kreation?
Um Antworten darauf bieten zu können, haben meine Kollegin Claudia König und ich Anfang vergangenen Jahres die Netzwerkinitiative – Die Verwaltung der Zukunft. Entsteht. Jetzt. Im Wir. gegründet. Mit ihr wollen wir New Work erlebbar machen und erforschen, wie sich Zusammenarbeit in einer regenerativen Arbeitskultur anfühlt und wohin sie uns als Verwaltungsorganisation mit unserer Gemeinde führt.
Wir glauben, dass wir für das Ausprobieren und Einführen neuer Methoden „Räume“ brauchen, in denen echte Begegnung geschieht, aus denen Vertrauen erwachsen kann, in denen wir uns reflektieren und Potentiale entfalten können.
Die Experimentierräume erfordern für sich ein gewisses Mindset, sie müssen „geöffnet und gehalten“ werden. Veränderungs- und Lernprozesse brauchen viel Kommunikation und leben von Partizipation.
Jeder soll gehört werden. Das bedeutet für mich zum Beispiel auch, dass die, die begeistert von neuen agilen Tools und ihren Möglichkeiten sind, einen Schritt zurück gehen, um nicht mehr nur das zu sehen, was sie selbst sehen, sondern eine weitere Perspektive bekommen und bereit sind, das zu sehen, was der oder die andere sieht. Es bedarf eines besseren gegenseitigen Verständnisses.
Zum anderen bedarf es der Erkenntnis, dass manchmal einfach nicht das verstanden werden bzw. nicht gesehen werden kann, was man eigentlich meint, weil einfach jeder woanders „steht“. Damit ist nicht weiter oben oder unten gemeint, einfach nur woanders. Und das ist dann so. Deswegen ist es umso wichtiger zu schauen, wo es passt und wir in Organisationen und Verwaltungen Experimentierräume schaffen, die dann weiter nach außen strahlen können, neugierig machen und sich bestenfalls vermehren.
Wir können zum Kulturwandel nur einladen
Und dabei lohnt es sich zum einen, darauf zu schauen, wie die Einladung aussieht.
Ist sie für jeden verständlich? Hole ich die Menschen da ab, wo sie sind? (Was nicht heißen soll, dass ich „weiter“ bin.) Oder löse ich mit den Worten, die ich benutze, eher Widerstände aus? Müssen die neuen Buzz-Wörter, die schönen Namen der neuen Methoden sein? Wie reagieren wir selbst mittlerweile auf das Wort agil?
Was machen wir mit einer anderen Sprache? Streng genommen grenzen wir damit doch erst einmal aus… oder? Auch wenn das nicht unsere Motivation ist.
Und zum anderen kann sich auch ein Moment der SelbstReflexion lohnen: Was ist mein Motiv?
Habe ich immer das große Ganze im Sinn? Wo sehe ich meine Position im Prozess? Wie finde ich mich in der Rolle des/der voranschreitenden Erneuerers/in? Bin ich bereit diese mit anderen zu teilen? Will ich auch die Visionen von anderen verstehen und bin bereit, etwas Gemeinsames daraus machen?
Es bleibt wohl ein gemeinsamer Prozess…
Anmerkungen
/2/ www.agile42.com/en/kanban-pizza-game/
/3/ www.salondialoge.com – WeQ more than IQ www.weq.institute
Ein Gedanke zu „Warum schreien bei der Einführung neuer/agiler Tools eigentlich nicht alle Juchuu? – Eine Einladung zur Reflexion“