Agile Netzwerke zum Thema E-Akte: Wie erzielen wir den größten Nutzen?

Vor drei Monaten haben wir auf dieser Plattform eine Initiative zur Vernetzung gestartet. Dabei ging es um ein Nischenthema, nämlich „Austausch über Erfahrungen, die E-Akte mit der Software enaio zu implementieren“. Die ersten Treffen der Austauschgruppe haben stattgefunden und die ersten Ergebnisse liegen vor. Über das Nischenthema hinaus können die bisherigen Erfahrungen vielleicht für Projektleiter:innen mit anderen Digitalisierungsthemen oder anderen Softwareprodukten interessant sein. Denn bei solchen Vernetzungen stellen sich ja immer die gleichen Fragen: „Lohnt sich das für mich und meine Verwaltung? Wenn ich auf ein Treffen von einer Stunde gehe – bekomme ich dann eine Ersparnis von mindestens zwei Stunden heraus?“
Und auf diese Fragen haben wir jetzt erste, vorläufige Antworten.

Inhalt

Vorgehensrahmen
Ein gemeinsames Produkt als Ziel
Abgrenzung der Themen
Konkurrenz zu anderen Netzwerken? Optimierung für Mitarbeiter und Bürger: Finden, was man nicht sucht.
Keine Abgrenzung zwischen „innen“ und „außen“

Die „Wunschliste“ der Teilnehmer:innen beim ersten Treffen

Vorgehensrahmen

Bei einem ersten Kennenlerntreffen im Januar waren schnell einige Leitplanken klar:

  • Wir wollen den Aufwand minimieren. Wir treffen uns alle sechs Wochen virtuell 90 Minuten (donnerstags 15-16:30 Uhr). Arbeitsplattform ist ein Miroboard. Dort kann jede Notizen anbringen mit ihren Fragen und Antworten.
  • Wir wollen den Nutzen maximieren. Wir arbeiten nach dem Lean-Coffee-Prinzip. Jede Teilnehmer:in bringt ihre Themen mit. Diese Methode ohne jede vorgefertigte Agenda ist für Netzwerktreffen ziemlich einzigartig. Wann kann man denn schon mal in einer Gruppe von Experten eine Frage stellen und auf Antwort hoffen?
  • Die Themenvorschläge werden priorisiert, indem jeder Interessenspunkte vergibt. Und dann wird darüber 5 Minuten geredet. Wenn die Mehrheit es wünscht, kann es noch eine Verlängerung um 3 Minuten geben. Danach kommt die nächste Frage dran. Aber: wenn das Thema in dem 8-Minuten-Intervall nicht befriedigend geklärt werden kann, kann man einen „Arbeitsauftrag“ an zwei, drei Leute erteilen. Die machen sich in der Zwischenzeit schlau und berichten beim nächsten Treffen.
  • Alle Ergebnisse sollen dokumentiert werden. Das hat am Anfang nicht so gut ge-klappt, weil wir nur einen Moderator hatten. Beim letzten Treffen Anfang März hat ein Teilnehmer spontan die Rolle des Protokollanten übernommen und die wesentlichen Inhalte in Post-It’s geschrieben. Das war schon deutlich besser, aber es ist noch Luft nach oben.
Die Themenliste eines Lean Coffee mit Priorisierungspunkten

Ein gemeinsames Produkt als Ziel

Nach unseren Erfahrungen im FAV funktionieren solche Arbeitsgruppen nur dann gut, wenn sie ein gemeinsames Produkt als Ziel vor Augen haben. Treffen, die nur als Frage-und-Antwort-Spiel oder gar als Vortragsveranstaltung von „best practices“ funktionieren, gehen irgendwann an Ermüdung ein. Ein gemeinsames Ziel ist dagegen ein Ansporn. Neben der Antwort auf meine individuelle Frage verspüre ich als Teilnehmer auch dann eine besondere Befriedigung, wenn am Ende einer Session irgendwo ein „Nutzenzuwachs“ sichtbar wird.
Deshalb werden die mitprotokollierten Ergebnisse nach dem Treffen von Seiten des FAV-Moderators noch in eine FAQ-Liste eingepflegt. Dadurch werden sie auch für AG-Beteiligte, die an einer Session nicht teilnehmen konnten, zugreifbar.

Abgrenzung der Themen

In den ersten beiden Treffen haben sich drei Kategorien von Fragestellungen herausgebildet:
A. Technik: Was kann enaio? Wie kann man ganz klar definierte Anforderungen in enaio technisch umsetzen (oder auch nicht)?
B. Strukturen: Welche Strukturen im Dokumentenmanagement haben sich be-währt? Wie optimieren wir unsere Zusammenarbeit in unserer Verwaltung und den einzelnen Teams mit enaio?
C. Projektmanagement, Changemanagement: Wie können wir unser Einfüh-rungsprojekt optimal gestalten? Wie können wir dafür sorgen, dass rasches Vorgehen und gute Qualität der Ergebnisse nicht in einen falschen Widerspruch geraten?
Eine Fragestellung vom Typ „A“ ist: „Kann man in enaio beliebig viele Ebenen von Unterordnern (Registern) bilden?“ Eine andere Fragestellung lautet: „Ist es sinnvoll, mehr als zwei Registerstufen zu bilden?“ – Diese Frage wäre vom Typ „B“.
Und schließlich „C“: „Wie überzeuge ich die Führung meiner Verwaltung, dass die Einführung der E-Akte ein anderes Kaliber ist, als wenn ich von Lotus Notes auf Outlook umsteige? Damit die Führung mir ausreichend Personalressourcen für das Projekt gibt.“

Konkurrenz zu anderen Netzwerken?

Mittlerweile haben wir festgestellt, dass es schon einige Netzwerke gibt, die sich auch mit dem Austausch über enaio befassen. In Baden-Württemberg gibt es ein großes Netzwerk, in dem mittlerweile fast alle Landkreise und einige Städte vertreten sind. Auch in anderen Bundesländern gibt es Initiativen.

Wir wollen keineswegs mit diesen Netzwerken in Konkurrenz treten. Das schafft nur Verwirrung und Doppelarbeit. Im Gegenteil, wir als FAV sehen unsere Mission gerade darin, jeden verwaltungsübergreifenden Austausch zu unterstützen. Das Netzwerk BW ist auf uns zugekommen und hat uns auf seine nächste Sitzung eingeladen, um Formen der Zusammenarbeit zu besprechen.

Unsere vorläufige Idee dazu ist: eine Arbeitsteilung nach Themen. Das Netzwerk BW kümmert sich vorwiegend um Fragestellung aus Themengruppe A: praktische Lösungen für „technische“ Anliegen und dafür auch Druck aufbauen gegenüber Optimal Systems, die nicht sehr aufgeschlossen auf Kundenwünsche reagieren. Und unser Netzwerk kümmert vor allem um die Themen B und C. Wenn wir zu einer Arbeitsteilung kommen, die irgendwie in diese Richtung geht, können wir sehr viel Doppelarbeit vermeiden und werden schneller.

Optimierung für Mitarbeiter und Bürger: Finden, was man nicht sucht.

Die Themengruppen B und C sind FAV-spezifisch hingegen sind. Sie sind Teil unserer DNA. In unseren kurzen Leitsätzen „Was bedeutet agile Verwaltung?“ heißt es gleich zu Beginn:

„Das Ganze in den Blick nehmen“.

Das „Ganze“ ist aber das, was man im Tagesgeschäft von Projekten leicht aus den Augen verliert. Man hat Aufgabe Nr. 123 vor sich – „Schnittstelle zu Fachverfahren XY“ – und das dauert und dauert – und man denkt gar nicht mehr darüber nach, ob der Aufwand den ursprünglichen Zweck überhaupt lohnt. Ist die Arbeitsersparnis für die Mitarbeiter:innen, für die die Schnittstelle sorgen soll, so groß, dass sie 15 Manntage lohnt? Kann man die Ressourcen nicht nutzbringender einsetzen, wo es doch an 5 anderen Ecken auch Bedarf gibt?

Das adressiert das Thema C „Projektmanagement“: Wie können wir die Einführung der E-Akte mit agilen Herangehensweisen organisieren, so dass der größte Nutzen erzielt wird?

Die Strukturfragen („B“) gehen noch einen Schritt weiter. In den Projekten werden häufig herkömmliche Arbeitsweisen in die E-Akte übertragen. Wie oft werden Workflows installiert, um Mitzeichnungs- und Freigabeprozeduren abzubilden. Aber diese Prozeduren waren auf die Papierwelt hin optimiert und da auch sinnvoll. Aber ist das ein Grund, sie unbesehen in die Vorgangsbearbeitung in der E-Akte zu übertragen?

Anderes Beispiel: Vor knapp 30 Jahren kreierte das Bundesverwaltungsamt in seinem DOMEA-Konzept das Ablageschema „Akte-Vorgang-Dokument“. Das beruhte auf damaligen Software-Standards. Müssen wir die unendlich weiter anwenden? Es gibt Verwaltungen, die andere, effizientere Strukturen in enaio abgebildet haben, die sich vom offiziellen Mainstream des „Organisationskonzepts elektronische Verwaltungsarbeit“ abgekoppelt haben. Solche Beispiele, an die man „gar nicht gedacht hat“, können wir in unserem Netzwerk vorstellen. Mit dem Ziel, dass Teilnehmende erst einmal Fragen gestellt bekommen, an die sie in der Hektik des Projektgeschäfts noch gar nicht gedacht haben. Die dann aber erhebliche Verbesserungen für Mitarbeiter:innen und letztlich die „Verwaltungskunden“ bringen.

Dieses „Finden, wonach man gar nicht gesucht hat„, ist ein wesentlicher Teil unserer Netzwerk-Philosophie.


Keine Abgrenzung zwischen „innen“ und „außen“

Schneller werden wir auch, wenn alle Ergebnisse immer dokumentiert werden. Wie oft kommt es auf solchen Arbeitstreffen statt, dass in der Diskussion irgendeine Frage aufgeworfen wird und jemand sagt: „Das haben wir doch schon mal letztes Jahr besprochen, oder?“ Und alle schauen sich an, und niemand weiß mehr genau, was damals war.

Deshalb als erster, vorläufiger Ansatz von uns: alles wird in eine FAQ-Liste geschrieben. Und diese Liste steht in der Cloud und kann von allen Interessierten weltweit und im Universum eingesehen werden. Es gibt keine Abgrenzung gegen „außen“.

Ist das nicht ungerecht, wenn ein paar Leute mühsam Ergebnisse erarbeiten und alle anderen, die nichts dazu beigetragen haben, profitieren?

Vielleicht ungerecht. Aber andere Kolleginnen und Kollegen in anderen Verwaltungen tun vielleicht andere gute Dinge, für die wir keine Zeit haben. Und wenn alle von unseren Erkenntnissen profitieren können und bessere Dienste für die Gesellschaft leisten, ist das ja nur die Mission des Öffentlichen Dienstes. Deshalb hier der Link auf unsere allererste bescheidene FAQ-Liste zu enaio.

Wer an unserer Arbeitsgruppe teilnehmen möchte, findet hier das Kontaktformular.

Autor: Wolf Steinbrecher

Volkswirt und Informatiker. Zuerst als Anwendungsentwickler in Krankenhäusern und Systemhäusern tätig. Dann von 1995 bis 2008 Sachgebietsleiter für Organisation und Controlling in einem baden-württembergischen Landkreis (1.050 MA). Seitdem Berater für Teamarbeit und Dokumentenmanagement. Teilhaber der Common Sense Team GmbH Karlsruhe, www.commonsenseteam.de. Blogger bei www.teamworkblog.de.

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