Ich versuche heute weniger zu schreiben und dafür mehr zu visualisieren. 🙂
Die Sache mit den digitalen Gruppenräumen
Ja natürlich. Mir geht es gefühlt auch so. Lockerung hört sich so menschlich an. So normal. Schule endlich wieder mit direktem Kontakt. Na ja, leider dann doch nicht so ganz. Eben mit Abstand. Feste Sitzordnung. Total frontal angesagt. Frontaler geht’s wahrscheinlich nicht mehr. Meistens. Ist zumindest zu befürchten. Und alles ohne Nebensitzer/in. Dabei sind recht viele Lehrer/innen mit ihren Online-Gruppenarbeitskonzepten ganz schön weit gekommen. Und immer mehr Videoplattformen bemerken, dass Gruppenräume für die Lehre viele Möglichkeiten bieten. Und dass sie immer mehr nachgefragt werden. Wenn es jetzt auch noch bei den meisten Plattformen üblich wäre, dass sich die Lernenden frei zwischen den Räumen bewegen könnten, dann würde möglicherweise für viele Lehrer/innen die Online-Erfahrung auch in Kopplung mit dem analogen Unterricht einen nachhaltigen Schub bekommen. Ja es wäre wirklich an der Zeit. Und warum sollte es nicht möglich sein, auch für Schulen eine für alle leicht zu bedienende Plattform bereitzustellen, die so etwas wie Barcamp-für-Unterricht kann.
Und dann hier die ganz große Bitte an Bildungsverwaltungen und Schuldirektionen: Zulassen. Das Ausprobieren zulassen. Den Lehrer*innen die Angst nehmen. Die Chancen für ein Umdenken in Richtung zeitgemäße Bildung waren selten so groß. Und noch eine Bitte: In manchen Schulen tut sich viel … Es wäre so schön, wenn das in die Fläche gehen könnte. Agile Bildungsverwaltungen, was für ein Traum. 🙂
Die Sache mit der Selbstständigkeit
Liebe Schüler/innen, liebe Eltern, liebe Lehrer/innen, liebe Bildungsverwaltungsmenschen, liebe Bildungsinteressierte … Schulnoten sind kein Gradmesser für späteren beruflichen Erfolg und schon gar nicht für Lebenszufriedenheit. Selbstständiges Handeln und Denken, reflektiertes Entwickeln, Eigenverantwortung, Experimentierfreudigkeit, Ausdauer, Einsatzwillen etc. dagegen sehr wohl. Aber genau das haben die allermeisten jungen Menschen in den letzten zwei Monaten gelernt … völlig unabhängig davon, ob sie auch alle Arbeitsblätter ordentlich und richtig abgearbeitet haben. Und unabhängig davon, ob sie „im Stoff“ groß weitergekommen sind. In Sachen Selbstständigkeit ist jeder weitergekommen … zwangsläufig und oft zum eigenen Erstaunen, was geht, wenn man seine ganz persönlichen Lernerfahrungen macht. Und auch hier die ganz große Bitte an die Bildungsverwaltungen und Schuldirektionen: Bearbeitete Aufgabenblätter lassen sich scheinbar objektiv bewerten, individuelle Selbstständigkeit nicht so einfach. Deshalb brauchen Lehrkräfte die Möglichkeit – ohne dauernde Angst vor dem „Ja darf ich das?“ – neue Wege zu gehen. Denn diesen unerwarteten Zuwachs an Selbstständigkeit sollte man bitte nicht wieder in die Tonne klopfen, indem man zum „normalen“ Unterricht zurückkehrt und Corona vergisst.
Die Sache mit den Arbeitsblättern
Liebe Lehrer/innen. Diese Geschichte mit dem Homeschooling ist ja noch immer nicht vorbei. Wir Agilen haben da eine Methode, die sich bewährt hat. Pull statt Push. Und die Bitte gilt auch nach dem Homeschooling. Dann nicht einfach schnell, schnell mit allen Schüler/innen gemeinsam durch den Lehrplan brettern. Lieber Pull statt Push. Die eigenen Schwächen finden lassen und genau dort stärken. „Hiiiiilfe… ja was denn noch?“ höre ich so manchen Lehrer rufen. „Nein“ halte ich dagegen. „Es geht nicht um mehr Arbeit, es geht um einen anderen Ansatz. Es geht darum, seinen Schüler/innen beizubringen, wie man seine eigenen Schwächen und Lücken findet. Um dann Arbeitsblätter zur Verfügung zu stellen, anstatt sie allen zum Bearbeiten zu schicken, egal wie der Wissensstand ist. „Ja aber wie soll ich dann überprüfen und Noten machen?“
Und genau hier sollte man einmal innehalten und überlegen, ob diese notenfixierte Überprüfbarkeit nicht einmal grundsätzlich auf den Prüfstand gehört. Mit einer Direktion im Hintergrund, die solche Ideen unterstützt und Experimente zulässt, geht ganz viel. Mehr kümmern, weniger überprüfen. Bringt alle weiter. Und ist nur ein „Scheinberg“. Bildungsverwaltungen in diese Richtung schubsen zu können leider nicht.
Die Sache mit der Rückkehr zum neuen Frontal
Liebe Lehrer/innen. Eure Schüler/innen kommen mit einem gewaltigen Schatz aus dem Shutdown zurück an eine Schule, die jetzt von euch sehr viel abverlangt. Hygiene, Abstandsregeln, Aufholen … und ihr werdet, so wie ich das einschätze, wohl ein klares Frontalprogramm fahren. Ihr werdet den mitgebrachten Schatz für eure Schüler/innen nicht heben können, wenn ihr jetzt nur darauf schaut, wie der Lehrplan einigermaßen zu erfüllen ist. Unterstützt bitte, bitte die starke Entwicklung, die auch eure notenschlechteren Schüler/innen durchgemacht haben. Pflegt dieses kostbare Pflänzchen … für manche eurer Schüler/innen war es ein ungeheures Aha-Erlebnis, selbstständig so viele Dinge umzusetzen. Und wenn es noch so wenig stofflichen Leistungsfortschritt brachte. Denkt bitte nicht an die Erfüllung des Lehrplans. Denkt an das spätere Leben eurer Schüler/innen. Es ist die Generation meiner Enkelkinder. Sie sollten fit für die Zukunft gemacht werden, denn die ist aller Voraussicht nach nicht mehr so so einfach … und ein früher mal erfüllter Lehrplan hilft ihnen später da leider nicht wirklich weiter. Eher der Schatz, mit dem sie jetzt zurück an die Schule kommen. Ich weiß, ich kann hier leicht solche Dinge über Schätze schreiben. Ich muss ja keine Noten mehr machen – als Pensionär out of school. Aber ich habe dafür die Zeit, in ganz viele Schulen hineinzusehen und hinter viele Kulissen und muss feststellen: Es tut sich ganz viel. Wenn Schule muss einmal anders gedacht wird.
Liebe Bildungsverwaltungsmenschen. Ich wiederhole mich. Es wäre zu schön, wenn diese spannenden Veränderungen nicht nur an einzelnen Schulen passieren würden und meist hinter den Kulissen.
Ankündigung
Das nächste Helix-Magazin unseres Forums agil lernen und lehren behandelt übrigens das zentrale Thema Agile Leitung. Meine aktuelle Beobachtung: Je agiler eine Schulleitung aufgestellt ist, desto mehr tut sich hinter den Kulissen. … Wenn das Heft fertig ist, wird man es hier erfahren. Oder auf www.aufeigenefaust.com