Ein Gastbeitrag von Nadine Straubinger
Im Rahmen des berufsbegleitenden Master-Studiengangs Public Management an der Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl konnte ich Anfang dieses Jahrs meine Masterarbeit abschließen. In diesem Artikel möchte ich gerne die Ergebnisse der Thesis zum Thema „Anwendungsbereiche agiler Arbeitsweisen in baden-württembergischen Kommunen am Beispiel der Stadt Pforzheim“ vorstellen. Darin habe ich untersucht, für welche Aufgaben in baden-württembergischen Kommunalverwaltungen agiles Arbeiten förderlich sein kann und welche Arbeitsweise dafür geeignet ist.
Forschungsvorgehen
Ausgangspunkt für die in der Arbeit getroffenen Annahmen ist das Cynefine-Modell von Snowden und Boone (2007). Daneben werden drei agile Arbeitsweisen –Scrum, Kanban und Design-Thinking – untersucht. Darauf basierend wurden Annahmen entwickelt, die eine Aussage über die mögliche Anwendbarkeit der Arbeitsweisen in den Kontexten des Cynefine-Modells treffen. So wird vermutet, dass sich Kanban im komplizierten Kontext mit dem Potential komplex zu werden, Scrum im komplexen Kontext und im Kontext der Unordnung sowie Design-Thinking im chaotischen Kontext eignet.
Anhand von Experteninterviews in zwei Stufen wurden die getroffenen Annahmen untersucht. Bei den Expertinnen und Experten erster Ebene handelt es sich um fünf Amtsleitungen sowie um den Pressereferenten des Oberbürgermeisters der Stadt Pforzheim. Die Expertinnen und Experten zweiter Ebene verfügen über Fachwissen zum Thema Agilität und agile Arbeitsweisen.
Ergebnisse
Anwendung agiler Arbeitsweisen
Im Rahmen der vorgenommenen Erhebung stellte sich heraus, dass sich agile Arbeitsweisen für den Einsatz im komplizierten Kontext mit dem Potential zur Komplexität sowie im komplexen und im chaotischen Kontext eignen. Auch im Kontext der Unordnung kann die Anwendung agiler Arbeitsweisen sinnvoll sein, wobei eine unvollständige Informationslage wie z. B. bei Prognoseentscheidungen nicht durch agile Arbeitsweisen vervollständigt werden kann. Diese Erkenntnisse münden in einem allgemeingültigen Kriterienkatalog, welcher in Muss- Kann- und Abgrenzungskriterien aufgebaut ist. Insofern macht die Anwendung von agilen Arbeitsweisen für Aufgaben in baden-württembergischen Kommunalverwaltungen Sinn, für welche das Vorliegen der Musskriterien des Kriterienkatalogs bejaht und die Abgrenzungskriterien verneint werden. Nachfolgende Abbildung zeigt den entwickelten Kriterienkatalog:

Wahl der Arbeitsweise
Für die Wahl der passenden, agilen Arbeitsweise dient die Einordnung von Aufgaben in die Kontexte des Cynefine-Modells lediglich als erster Anhaltspunkt. Bei der Auswertung und Interpretation der Ergebnisse der Interviews erster Ebene stellt sich heraus, dass die Verantwortlichen bei der Bearbeitung aller Aufgabentypen mit verschiedenen, situationsspezifischen Herausforderungen konfrontiert sind. Die Wahl der passenden Arbeitsweise ist daher davon abhängig, welche Arbeitsweise dafür geeignet ist, den bestimmten Herausforderungen zu begegnen. Nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über mögliche Herausforderungen:

Darüber hinaus wird bei der Reflexion dieser Ergebnisse im Rahmen der Interviews zweiter Ebene festgestellt, dass die Wahl der passenden Arbeitsweise vom Gegenstand des Arbeitsablaufs abhängt. Was darunter zu verstehen ist, zeigt die folgende Grafik:

Wie in einem Trichter wird so die Wahl der passenden, agilen Arbeitsweise weiter eingegrenzt und schließlich getroffen:

In der Praxis erfolgt dies im ersten Schritt anhand des erarbeiteten Kriterienkatalogs sowie im zweiten Schritt nach der Beleuchtung des Gegenstands des Verfahrensablaufs.
Im Ergebnis kann bei einer Vielzahl von Herausforderungen auch eine Kombination aus mehreren agilen Arbeitsweisen sinnvoll sein. Im Gegensatz dazu, ist auch die Umsetzung einzelner Komponenten insbesondere der beiden Rahmenwerke Scrum und Kanban möglich.
Besonders die Ergebnisse bezüglich der Anwendung und der Wahl agiler Arbeitsweisen münden in einem Praxisleitfaden zur Anwendung agiler Arbeitsweisen in der Stadtverwaltung Pforzheim. Er vermittelt den Beschäftigten der Stadt Pforzheim Grundwissen zum Thema Agilität und der drei untersuchten Arbeitsweisen. Darüber hinaus wird anhand von Beispielen erklärt, wann eine Aufgabe mit welcher passenden, agilen Arbeitsweise bearbeitet werden sollte.
Zusammenfassend dienen die Ergebnisse dieser Masterarbeit für die Stadtverwaltung Pforzheim als erster Ausgangspunkt für eine agile Entwicklung, bei der auch andere Fragen wie z.B. ein bereits vorhandenes agiles Mindset oder die Qualifikation von Beschäftigten und Führungskräften eine Rolle spielen. Sie sind auch auf andere (baden-württembergische) Kommunalverwaltungen anwendbar.
Die Arbeit kann heruntergeladen werden unter dem Link: https://agilesverwaltungswissen.org/wiki/Datei:Masterarbeit_Straubinger_Agilit%C3%A4t.pdf