Wenn wir einem Publikum etwas vortragen oder erzählen wollen, greifen wir immer noch gerne zum Klassiker: Powerpoint. Oder dessen Entsprechungen aus der Apfel-, Suchmaschinen- oder Open-Source-Welt. Seit einiger Zeit gibt es aber eine neue Art von Programmen, die deutlich mehr können, als Folien hintereinander durchzublättern. Die Rede ist von digitalen Whiteboards, die beispielsweise von Miro, Mural oder Conceptboard angeboten werden.
Neue Freiheiten des Erzählens
Der Unterschied zu Folienpräsentationen wird unmittelbar klar, wenn man eines dieser Tools öffnet. Das Besondere ist gar nicht so sehr, dass alle diese Werkzeuge von Beginn an auf Online-Zusammenarbeit angelegt sind. Die Office-Programme der bekannten Suchmaschine können das auch schon seit längerer Zeit sehr gut. Selbst die Redmonder scheinen in dieser Richtung nachzurüsten.
Nein, der wesentliche Unterschied ist, dass hier eine frei bespielbare Fläche aufgespannt wird, die im Prinzip nach oben, unten, rechts und links unbegrenzt ist. Vorbei ist die Zeit, wo man gezwungen war die Informationen stückchenweise und auf einer immer gleich großen Fläche bereitzustellen.
Dieser große, frei verfügbare Raum erlaubt, beim Erzählen in allen Richtungen voranzuschreiten, hinein- und herauszuzoomen, einen Gesamteindruck zu zeigen, dann ins Detail zu gehen und wieder zum Gesamtbild zurückzukehren. Sie erlaubt assoziatives, bildhaftes Erzählen. Das ist etwas ganz anderes als eine Folienpräsentation, die der linearen Textwelt verhaftet ist.
Texte sind – genauso wie Musik – grundsätzlich so konzipiert, dass man sie linear rezipiert. Also von Anfang zum Ende, Wort für Wort, Satz für Satz, Absatz für Absatz (oder Note für Note). Die Botschaft entfaltet sich nach und nach über die Zeit.
Ganz anders Bilder. Bei ihnen sind alle Informationen, alle Details auf einmal sichtbar. Der Leseprozess wird vom Bildaufbau, der Positionierung und Gestaltung der einzelnen Elemente gesteuert; wechselt, wie schon gesagt, vom Gesamteindruck zum Detail und wieder zurück. Der große Vorteil, Informationen bildhaft aufzubereiten liegt darin, dass unser Gehirn Bilder viel schneller verarbeitet als Text und auch besser speichert.

Die neuen Möglichkeiten nutzen
Alle Online-Whiteboards erlauben einen Import von Folien/Bildern. Es ist also möglich, alle Folien einer Powerpoint-Präsentation nebeneinander anzuordnen und wie bei einer Wandzeitung nacheinander abzuschreiten. Das wäre aber schade, denn so wird das Potenzial der neuen Werkzeuge nur teilweise genutzt. Statt sich den Raum eines Online-Whiteboards als endlose Mauer – also zweidimensional – vorzustellen, kann man auf die Fläche auch die Illusion eines dreidimensionalen Raums projizieren, also Perspektiven oder Isometrien anlegen.

Fig. 2: Übertragung einer Folienpräsentation auf ein Whiteboard,
Fig. 3: Neues Erzählen auf einem Whiteboard
© Peter Bauer, Lizenz CC BY-NC-SA 4.0

Fig. 5: Perspektive oder Isometrie
© Peter Bauer, Lizenz CC BY-NC-SA 4.0
Beispiele für neue Erzählräume
Wie die Abbildung 5 oben zeigt, kann man auf Online-Whiteboards mit perspektivischen oder isometrischen Darstellungen arbeiten. Diese können als Hintergrund die Erzählung/Vortrag stützen oder, wie das folgende Bild zeigt, sogar verbildlichte Elemente zum Thema zeigen. Die Darstellung diente zur Illustration des Themas Grüne Stadt – Urbanes Dorf.

© Peter Bauer, Lizenz CC BY-NC-SA 4.0
Auf diesen Hintergrund werden dann die eigentlichen Vortragselemente an der entsprechenden Stelle hinzugefügt. Also beispielweise Informationen zu vertikalen Gewächshäusern bei der Gebäudegruppe oben rechts, Details zu Balkon- und Dach-PV-Anlagen bei den Wohnblöcken, Erläuterungen zu autonomen Verkehren an der Fahrzeugen usw.
Alte Folienpräsentation als „Erzählfluss‟
Das folgende Beispiel zeigt, wie eine vorhanden Folienpräsentation – um Bilder und vertiefende Informationen ergänzt – in ein Whiteboard überführt werden kann. Die Erzählung beziehungsweise der Vortrag entwickelt sich längs des dargestellten Flusses von hinten nach vorne, nachdem zu Beginn in der Gesamtschau (Ballonperspektive) die Themenblöcke erläutert wurden.

© Peter Bauer, Lizenz CC BY-NC-SA 4.0
Klassiker: Zielbild oder Vision
Die nächsten Bilder zeigen einen Hintergrund für ein Zielbild oder eine Vision, umgesetzt als Erreichen eines Gipfels. Darunter ist die Verwendung bei der letzten FAV-Konferenz zu sehen, nämlich für das Thema „Agiles Steuerungsmodell“.


Über eine Brücke wirst Du gehen
Eine beliebte Vortrags- oder Workshopthematik, ist der Übergang von alt nach neu. Hierfür kann folgende Hintergrunddarstellung verwendet werden. Wenn der Fokus mehr auf dem Weg vom Vorher zu Nachher liegt, macht man einfach die Brücke größer und weiter.

© Peter Bauer, Lizenz CC BY-NC-SA 4.0
Bühne frei für die Heldenreise
Das folgende Beispiel öffnet einen Erzählraum vom einem erhöhten Standpunkt aus. Man könnte damit verschiedene Details zu einem Gesamtbild zusammenfügen oder auch eine kreisförmige Erzählung wie die Heldenreise gestalten.

© Peter Bauer, Lizenz CC BY-NC-SA 4.0
Wimmelbilder & Co
Die Möglichkeiten sind damit noch lange nicht ausgeschöpft. Bei einem Auftakt-Workshop zu einem Projekt wurde erst jüngst vorgeschlagen, sich von der Vorstellung zu lösen, am Ende ein Whitepaper zu produzieren. Statt dessen soll nun das Ergebnis in einem Wimmelbild (nach dem Muster von Agile in a Nutshell) mit Text, Grafik und Video auf einem Online-Whiteboard dargestellt werden. Ich bin schon sehr gespannt auf das Ergebnis!
Holla,
deine Vorstellung von erzählende Präsentation gefällt mir und ich möchte es ausprobieren. Wie komme ich zu solchen Vorlagen? Ich bin für jeden Hinweis dankbar.
Beste Grüße
Berit Elfbin
Hallo,
vielen Dank für Dein Interesse! Die Vorlagen habe ich mir selbst gemacht (damit vermeidet man nervige Copyright-Probleme). Ich verwende dafür Power Point, mache dann aus der Folie ein Bild und lade es nach Miro hoch.
Wenn Du ein wenig Geduld hast, wirst Du in etwa 6 Wochen einen weiteren Artikel im Blog des Forums Agile Verwaltung (https://agile-verwaltung.org/) finden, bei dem ich zeige, wie das genau funktioniert.
Aufgrund Deiner Nachfrage werde ich in dem Artikel ein paar von den Vorlagen zur freien, nicht gewerblichen Verwendung unter eine CC-Lizenz zu kostenlosen Download anbieten. Deal?
Viele Grüße
Peter
Hallo Peter,
danke für deine schnelle Antwort … wenn ich dich recht verstehe, gibt es also noch kein richtiges Bildtool, wo dann Bildereiche per Klick aufspringen, sondern ich könnte mir ebenso irgendeine Bildvorlage suchen und per PowerPoint diverse Inhalte von Folie zu Folie aufspringen lassen. Logo.
Es steht also die Präsentationsmethode des Geschichtenbildes im Vordergrund und weniger ein Funktionstool.
Ich danke Dir also für diesen genialen Impuls und auch dass Du Boschs Garten der Lüste als Erklärung für diese Erzählweise herangezogen hast.
Munterste Grüße aus dem Harzvorland,
Berit Elfbin
Hallo Elfbin,
ja genau, es geht um Erzählweisen. Manchmal ist es gut eine Geschichte Stück für Stück zu erzählen, dann mache ich eine Folienpräsentation. Manchmal ist es aber wichtig, immer das ganze Bild zu haben und sich mal hier, mal dort zu vertiefen. Dann ist eine bildhafte Erzählung besser.
Als Hintergrund für letzteres kann Du wählen, was Dir gefällt und vor allem, was Deine Botschaft unterstützt.
Viele Grüße
PS. Ich würde gerne unsere Mailunterhaltung in den Kommentarbereich des Artikels setzen, denn ich denke das wäre für andere Leser*innen auch interessant. Bist Du damit einverstanden?
Hallo Peter,
ja, gerne kannst du unser Gespräch veröffentlichen. Wenn du meinen Namen erwähnst, dann vorzugsweise Elfbin.
Munterste Grüße heute aus Berlin,
Berit Elfbin
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Danke für den Impuls im Artikel. Ich nutze seit Jahren Prezi als Alternative zu Keynote/Powerpoint aber auf die Referenzierung dieser Technik im Miro-Board bin ich überhaupt noch nicht gekommen.
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