Was wird aus den Digitallotsen? Das Konzept eines „Digitalmanagers“

Mit Peter Bauer und Wolf Steinbrecher

Die Digitalisierung unserer Verwaltungen wird häufig noch innerhalb der Hierarchien geplant: Top-down, als Wasserfallprojekte. Parallel dazu wurden aber schon Konzepte angedacht, wie man dezentral – in den einzelnen Ämtern, Abteilungen und Sachgebieten – Energien für die Digitalisierung freisetzen könnte. Das wohl bekannteste dieser Konzepte ist der „Digitallotse“. Dafür wurden bundesweit Fortbildungen angeboten und auch gut angenommen. Viele Mitarbeiter:innen haben sich dabei engagiert.

Wir hören aus vielen Kommunalverwaltungen, dass das Ergebnis dürftig sei: Die Digitallots:innen seien da – aber sie kämen nicht ins doing. Es fehlt an Vielem: an einem klaren Auftrag; an einer Ausbildung, die nicht nur Gesetze umfasst, sondern Handlungsanleitungen, an praktischem Wissen und Methoden für den reellen Verwaltungsalltag usw.

Deshalb haben wir uns in einer Arbeitsgruppe Gedanken gemacht, wie man weiterkommen könnte. Und dabei haben wir ein erstes, grobes Konzept entwickelt und es „Digitalmanager“ genannt. Das stellen wir hier vor und laden zu drei kostenlosen Events ein, bei denen wir es mit euch weiter diskutieren wollen.

Niemand weiß, wohin uns die Digitalisierung führt (und wir sie führen)

Digitalisierung ist ein „Containerbegriff“. Sehr viele einzelne Vorstellungen und Begriffe schweben durch die Räume, die in sich schon sehr komplex sind.

Abbildung 1: Ditigalisierung als Containerbegriff

Wenn man vier Leute fragt, was sie unter Digitalisierung verstehen, erhält man mindestens fünf Antworten.

Das ist aber kein vermeidbarer Mangel, sondern der Tiefe der Disruption geschuldet, die wir gerade erleben. Diese Tiefe können wir am besten ermessen, wenn wir sie mit der Erfindung des Buchdrucks um 1440 vergleichen. Der Buchdruck hat die gesamte Gesellschaft plötzlich vom Ausgang des Mittelalters in die Neuzeit katapultiert. Die Reformation wäre vermutlich undenkbar gewesen ohne diese Möglichkeit, Millionen von Flugschriften zu drucken und zu verteilen. Wer hätte um – sagen wir – 1480 sagen können, was „Papierisierung“ alles bedeutet?

Auch die klügsten Führungskräfte mit den besten Absichten können das heute in Bezug auf die Digitalisierung nicht leisten. (Und wenn sie es von sich erwarten, werden sie zu Beharrungskräften.) Was wir brauchen, sind Experimente und Erfahrungen auf allen Ebenen der Verwaltung, bei denen ausprobiert, gescheitert und wieder neu angesetzt wird. Wir brauchen Schwarmintelligenz.

Die „blaue“ und die „rote Welt“

Digitalisierung ist einer der Herausforderungen, die Teil der „roten Welt“ sind. Gerhard Wohland hat dieses Bild entworfen. Danach gibt es zwei Arten von „Welten“, also von Umgebungen, in denen unsere Verwaltungen sich befinden:

Abbildung 2: Die blaue und die rote Welt

Die blaue Welt soll die herkömmliche Umgebung symbolisieren, für die unsere Verwaltungen gut aufgestellt wurden. Sie ist durch einen stetigen Fluss kleinerer Änderungen gekennzeichnet, auf die unsere Organisationen gut und verlässlich mit ihren gewohnten hierarchischen Führung reagieren können. Bei dieser Konstruktion der Top-Down-Steuerung (Abbildung 3) reagiert nur das Zentrum der Organisation – die oberste Führung – auf die Änderungen der Umgebung – egal, ob es sich um neue Techniken handelt, die eingeführt werden können oder müssen, ob es neue Gesetze gibt oder neue Handlungsanweisungen („Fahrpläne“) von Bund oder Ländern.

Abbildung 3: In der Verwaltungstradition ist das Zentrum – die oberste Führung – die einzige Instanz, die die Umgebung beobachtet und ihre Änderungen in Aufträge für das Innere der Verwaltung übersetzt.

Die rote Welt hingegen kennzeichnet eine turbulente Umgebung, die schnelle, große Umwälzungen mit sich bringt. (Überflüssig zu sagen, dass blaue und rote Welt nebeneinander und gleichzeitig existieren können: drei Abteilungen kämpfen mit der Pandemie und in fünf anderen ist Business as Usual.)

Abbildung 4: In der roten Welt muss die gesamte Organisation die Umgebung beobachten und sich Gedanken machen, wie sie auf neue Herausforderungen reagieren könnte.

Schwarmintelligenz bedeutet: Alle Mitarbeiter:innen müssen sich am Erkunden, Ausprobieren und an der Detailplanung der neuen Technologien beteiligen. Die herkömmliche Methode, dass die oberste Führung alles bis ins kleinste voraussieht und in einen Plan gießt, funktioniert nicht mehr.

Zwar schlagen externe Herausforderungen weiterhin oft in Form von Gesetzen und Fahrplänen bei der zentralen Führung auf (wie z.B. die eGovernment-Gesetze oder das OZG es vorexerziert haben). Aber diese kann sie nicht mehr in kleinteilige Handlungsanweisungen an die Bereiche (in Abb. 3 und 4 als „Teams“ dargestellt) weiterreichen. Sondern diese Teams müssen die Kompetenz erhalten, die neuen Techniken selbstständig einzuführen und zu evaluieren.

„Digitalmanager“: Was er können und dürfen muss

Das Konzept der Digitallots:innen drückt sich um diese klaren Schlussfolgerungen. In den Ausbildungen wurden ihnen vor allem Gesetze und Verordnungen vorgesetzt. Aber deren Kenntnis nützt ihnen nicht viel, wenn sie in ihrer Verwaltung etwas bewegen wollen.

Viele Behörden „erlauben“ ihren Digitallotsen per DA zwar, Ideen zu generieren und einer zentralen Stelle zur Prüfung zu übermitteln. Aber selbstständig umsetzen dürfen sie nichts, und bei jeder Entscheidung wird die IT und die Hierarchie eingebunden.

Als Weiterentwicklung zum Digitallotsen haben wir den Titel „Digitalmanager“ genommen und überlegt, was eine solche Rolle brauchen könnte:

  1. Organisationskenntnisse. Wie können Arbeit und Kommunikation in der Ver-waltung neu organisiert werden, um bessere und schnellere Ergebnisse für die Bürgerinnen und Bürger zu erzielen? Wie muss die digitale Arbeitsumgebung da-für gestaltet sein? Wie kann man die neuen Möglichkeiten ausprobieren? Wie kann man sich die Intelligenz von Teamarbeit zunutze machen?
    Kurz: es handelt sich um die Fähigkeit, Change-Prozesse aufzusetzen. Denn die Einführung neuer digitaler „Tools“ ist nicht in erster Linie ein einfacher „Roll-out“, sondern zuallererst das Erkennen von Verbesserungspotenzialen und den organi-satorischen Herausforderungen ihrer Realisierung. Digitalmanager brauchen eine hohe soziale Kompetenz. Im Fokus des Changes der Organisation steht nicht das Tool, sondern der Mensch, der damit arbeiten muss.
  2. IT-Kenntnisse. Und die Tools muss ein Digitalmanager natürlich auch kennen. Er muss wissen, wie man die E-Akte optimal nutzt (nämlich prozessorientiert und nicht nach Silos), was ein digitales Whiteboard ist (wie Miroboard oder Conceptboard), wie man elektronische Kanban-Boards aufsetzt und wie Co-Working in der Cloud funktioniert.


    Ein Digitalmanager muss nicht programmieren können und auch nicht Datenbanken konfigurieren. Sie oder er muss aber eine Vorstellung haben, was Datenbanken sind und was Programmieren bedeutet. So wie jemand, der ein Haus bauen (lassen) will, sich gewissen Grundkenntnisse aneignen muss, um mit dem Architekten verhandeln zu können: so müssen auch die Digitallots:innen quasi die „Bauherrenfunktion“ in Digitalisierungsprojekten spielen können. Das bedeutet schon ein erhebliches Maß an Expertise.

  3. Erlaubnis zum Loslaufen. Die Digitallots:innen brauchen die Zuschreibung einer aktiven Rolle – „Schwarmintelligenz“ haben wir es oben genannt. Sie müssen das Recht haben, im Rahmen gewisser Leitplanken Maßnahmen selbstständig zu definieren und auch praktisch umzusetzen – natürlich in Abstimmung mit den jeweils Betroffenen („Stakeholdern“), aber nicht die Hierarchien rauf und runter.

Drei kurze Webkonferenzen zum Austausch

Wir möchten mit all denen unter unseren Leser:innen ins Gespräch kommen, die am Aufbau von dezentralen Personalressourcen für Digitalisierungsprojekte in der Richtung von „Digitalmanagern“ interessiert sind.

Dazu bieten wir drei „Videokonferenzen in der Mittagspause“ an. Und zwar an den drei Mittwochen (Mittwöchern?) 11.01., 25.01. und 08.02.2023, jeweils 12:15 bis 13:15 Uhr.

Vkonf #1, 11.01.2023: Welche Orga-Kenntnisse braucht ein Digitalmanager?
Link zur kostenlosen Anmeldung: https://www.eventbrite.de/e/was-braucht-ein-digitalmanager-videokonferenz-in-der-mittagspause-1-tickets-478118524377
Vkonf #2, 25.01.2023: Welche IT-Kenntnisse braucht ein Digitalmanager?
Der Link zur kostenlosen Teilnahme wird an die Teilnehmerinnen des ersten Termins versendet.
Vkonf #3, 08.02.2023: Welche Kompetenzen braucht ein Digitalmanager?
Und: wie kann er sich diese Kompetenzen besorgen?
Der Link zur kostenlosen Teilnahme wird an die Teilnehmerinnen des ersten Termins versendet.

Ein Gedanke zu „Was wird aus den Digitallotsen? Das Konzept eines „Digitalmanagers““

  1. Lieber Niklas, lieber Wolf, lieber Peter,
    eines vorweg: Ich finde es super, mit thematischen Aufschlägen in Blogartikeln mittels Webmeetings in den direkten Austausch mit interessierten Rezipient*innen zu gehen.

    Und ich finde auch die aufgeworfene Frage in der Überschrift „Was wird aus den Digitallotsen“ sehr berechtigt. Nur die direkt – ebenfalls in der Überschrift – gegebene Antwort hat mich nachdenken lassen… Und da hat doch ein Blogartikel schon ein wichtiges Ziel erreicht oder
    Ich habe mir auch schon das eine oder andere Mal eine Frage zu der Initiative der Digitallotsen gestellt, nämlich „Was ganz konkret sollen sie tun in den Verwaltungen?“ Denn gefunden habe ich dazu nur sehr grobe Erwartungen; z. B. heißt es in dem Förderprogramm, dass sie Motivatoren und Impulsgeber für ihre Kolleg*innen sein werden, um Maßnahmen sowie Transformations- und Veränderungsprozesse des digitalen Wandels aufzuzeigen und anzustoßen.
    Doch welche konkreten Aufgaben sollen damit verbunden sein? Wie darf man sich die Einbindung in laufende Prozesse und Projekte vorstellen?
    Denn ohne die konkreten Aufgaben zu kennen, ist auch die Frage nach benötigten Kompetenzen nicht sachgerecht zu beantworten. Und ohne sich VORHER Gedanken gemacht zu haben, wie eine solche Rolle in die Organisationsprozesse integriert wird, erscheint es doch eher eine weitere Schnittstelle zu den Fachbereichen zu sein mit zusätzlichen Kommunikations- und Informationsbedarfen.? Und noch dazu: Braucht es wirklich in den Verwaltungen noch jemanden, der „drängelt“ bzw. neue Handlungsbedarfe aufzeigt – wo doch die innovativen und agilen Verwaltungsmitarbeiter*innen – die es sicher in jeder Verwaltung gibt – mit ihren vergleichbaren Aktivitäten oft schon an den dicken Brettern der Führungskräfte oder aber an fehlenden Ressourcen scheitern? Führt es dann nicht eher zu Frust in den Fachbereichen bzw. Fachämtern, wenn da jetzt noch jemand kommt, dem*oder der ebenfalls erst einmal mindestens etwas das eigene Fachgebiet erklärt werden muss? Da gibt es doch schon im besten Fall Prozessmanager*innen, Projektmanger*innen und Organisationsentwickler*innen, welche oft schon (und dennoch bedauerlicherweise) als Belastung wahrgenommen werden. Gerade diese Expert*innengruppen verfügen aus meiner Sicht im Team über umfassendes Know How für Digitalisierungsvorhaben.
    Daher stellt sich mir die Frage: Ist eine neue Funktion oder Rolle – egal ob Digitallotse oder Digitalmanager*in genannt – der passende Ansatz für das, was gewollt ist?
    Oder geht eine mögliche Antwort doch eher in die Richtung,
    1. Führungskräfte im Sinne des gewünschten Anliegens digitalisierungsförderlich konsequent weiterzubilden und jede neue Führungskraft nach entsprechenden Kompetenzen und Mindset auszuwählen,
    2. ebenfalls Mitarbeiter*innen in den Fachbereichen bzw. Fachämtern und o.g. Management-Supportbereichen in den Stäben dies als Querschnitts- und Methodenkompetenzen zu vermitteln.?
    Denn letztlich sind es aus meiner Sicht diese Gruppen, die für den Erfolg oder Misserfolg in ihrem Zusammenwirken verantwortlich sind und insofern sind WIR ALLE Digitalmanager oder müssen es werden.

    Daher fände ich es spannend, in den Webmeetings den Bogen in diesem Sinne nochmal breiter zu spannen …

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