Was passiert, wenn man eine kleine Gruppe von Menschen jeweils mit einer gleich gefüllten Tüte Legosteine ausgestattet an einen Tisch setzt, und sie beauftragt, mit den Legosteinen darzustellen, was sie an „Verwaltung“ stört?
Spannende Skulpturen entstehen, eindrückliche Bilder. Da ist z.B. ein Basketballkorb, der verstopft ist. Davor eine Figur, den Blick auf den Korb gerichtet, im Rücken ein Fußballtor. Die zugehörige Erläuterung verdeutlicht die Darstellung weiter: man wirft immer wieder auf den Korb, auch wenn es offensichtlich nicht möglich ist, denn Ball ins Netz zu bringen. Es werden schlicht Vorschriften verfolgt anstatt nach anderen Wegen oder Lösungsmöglichkeiten zu schauen – würde sich die Figur bewegen, sie könnte das Fußballtor entdecken und sehen, das es einfachere Wege gibt, den Ball ins Netz zu bringen.
„Agiles Arbeiten braucht Kommunikation. Vertiefter Austausch mit Stakeholdern mit LEGO Serious Play“ hieß der Workshop, der Rahmen der Konferenz Agile Verwaltung, die am 10.2. als erste Veranstaltung dieser Art vom Forum Agile Verwaltung in Stuttgart ausgerichtet wurde, stattfand.
Häufig sind Bibliotheken als Organisationseinheiten in „ihren“ Institutionen auch der Verwaltung zugeordnet. Aus meiner langjährigen Tätigkeit in der IT-Abteilung einer großen Bibliothek sind mir agile Arbeitsmethoden bereits vertraut. Jedoch ist IT nur ein, wenn auch wichtiger, Aspekt von Arbeitsbereichen in einer Bibliothek und der agile Ansatz muss auch nicht auf solche Arbeitszusammenhänge beschränkt bleiben. Die Teilnahme an der Konferenz mit Vorträgen aus der Praxis und Workshops zu verschiedenen Methoden aus dem Bereich agiler Arbeitsorganisation war daher auch im Hinblick auf die Frage, inwieweit Ansätze, wie sie hier vorgestellt wurden, auch in Bibliotheken eingesetzt werden können, interessant.
Eindrücklich war der Workshop nicht nur im Hinblick auf die kreativen Modelle sondern vor allem durch die Veranschaulichung der unterschiedlichen Perspektiven, die verschiedene Menschen in Bezug auf die gleiche Fragestellung einnehmen. Dieser Aspekt – verschiedene Perspektiven einzunehmen, zu kommunizieren und in (Projekt-)Planungen zu berücksichtigen, ist ein wesentlicher Bestandteil agiler Arbeitsweisen. Treffend formuliert dies auch Veronika Lévesque in ihren Reflexionen zur Sinnhaftigkeit von agilen Arbeitsweisen: „[…] kollaborative koordinierte Arbeit als multiprofessionelles Team und eine adaptive Etappierung und Taktung des Arbeitsprozesses entlang der Erkenntnisse. So können Erkenntnisfelder gesucht und gefunden werden und dann pragmatisch und realitätsnah bearbeitet werden.“
Organisationen und die ihnen zugrundeliegende Arbeits- und Zuständigkeitsverteilung sind ein Forschungsthema für Soziologen, Psychologen, Wirtschafts- oder Verwaltungswissenschaftler, Publikationen zu diesem Thema füllen viele Regalmeter in Bibliotheken. Die Organisation von Arbeit soll dazu beitragen, anliegende Aufgaben gut zu erledigen. Regelungen z.B. von Zuständigkeiten oder auch im Projektmanagement, dienen der Reduktion von Unsicherheit, die in komplexen Systemen, wie es Organisationen sind, immer besteht. Es ist ausgeschlossen und auch nicht sinnvoll, alle möglichen und unmöglichen Konsequenzen einer Handlung zu erfassen und daraus wieder Rückschlüsse für die Handlungsoptionen zu ziehen.

Das Anliegen, mittels Regelungen Unsicherheit zu reduzieren oder sogar zu absorbieren, führt jedoch auch dazu, dass Vorgänge komplizierter, mitunter auch starrer werden. In ihrem Referat zur Einführung eines modernen Dokumentenmanagementsystems (DMS) im Bischöflichen Generalvikariats des Bistums Fulda stellten Silke Keller und Gregor Antochin zunächst anschaulich dar, welche Auswirkung die Organisation von Zuständigkeiten haben kann.Sehr interessant war aber auch der Teil des Vortrags, in dem berichtet wurde, wie sich agile Vorgehensweisen im Arbeitsalltag einer stark hierarisch geprägten Organisation auswirken können.
Das Projekts wurde mit Artefakten von Scrum organisert: Anforderungen an das einzuführende Dokumentenmanagementsystem wurden in einem Productbacklog gesammelt, die Durchführung erfolgte in Etappen (Sprints), für die jeweils Ziele festgelegt wurden. Für jeden Sprint wurden aus dem Productbacklog priorisierte Anforderungen für die Umsetzung ausgwählt und in Sprintbacklogs erfasst. Die Erfahrungen aus den absolvierten Sprints flossen in die nächste Sprintplanung ein. Letztlich wurde mit dem Projekt nicht nur ein Dokumententenmanagementsystem eingeführt, sondern es wurden durch das agile Vorgehen auch Veränderungen in der Zusammenarbeit bewirkt: Über Abteilungsgrenzen hinweg entstand ein Teamgefühl, das Verständnis für Aufgaben aus jeweils anderen Bereichen ist gewachsen, Silogrenzen haben sich aufgelöst. Die fachliche Vertretung von Kolleginnen und Kollegen ist einfacher geworden, aktive Reflexion der Tätigkeit und das informatorische Selbstverständnis, dass es eine Holschuld und ein Holrecht und keine Bringschuld gibt, sind weitere Wirkungen der agilen Projektarbeit in Fulda.
Nach der Runde zu den Mängeln der Verwaltung gab es im Lego-Workshop den Auftrag, Modelle idealer Verwaltung zu bauen. Auch hier entstanden eindrucksvolle vielgestaltige Modelle, die – so zeigte sich in der Erläuterungsrunde – jeweils ähnliche Vorstellungen visualisierten. Anders als bei der Modellierung der Mängel, bei denen verschiedenste Aspekte benannt wurden, wurden bei der Vorstellung idealer Verwaltung von allen eine stärkere Serviceorientierung, mehr Flexibilität mit dem Blick auf den Menschen und seine Anliegen sowie der über den Tellerrand benannt.
Die Veränderung der Arbeit und Arbeitsinhalte, z.B. durch technische Entwicklungen, die Zunahme von Projektarbeit von und in Bibliotheken, erfordert immer häufiger die Zusammenarbeit verschiedener Kompetenzbereiche – in fachlicher und organisatorischer Hinsicht, nicht nur in Projekten. Die Erfahrungen, die auf der Konferenz thematisiert wurden, haben deutlich gemacht, dass agile Vorgehensweisen mit multiprofessionellen Teams und den mit den Lego-Modellen veranschaulichten Aspekten idealer Verwaltung können auch in Bibliotheken dazu beitragen können, den Umgang mit Veränderungen zu erleichtern.
Ein Anfang kann die Durchführung von Projekten mit kleinen, selbstorganisierten Teams, in denen eine rasche Verständigung und Arbeit „auf Augenhöhe“ möglich ist, sein . Projekte bieten sich an, weil sie in der Regel einem festen Zeitraum bieten und so auch einen Rahmen für Rückblicke, für die Reflexion der Arbeit und auch als Grundlage für „lessons Learned“.
Ein Gedanke zu „Anregungen für die Projektarbeit in Bibliotheken“