Ja wir spinnen diese Idee des agilen Schulverwaltens einfach einmal weiter. Nicht als Blaupause für ein tatsächliches Konzept, eher als Anregung für ein Neudenken von Altmustern. „Haben wir doch schon gemacht. Vor 13 Jahren. Verwaltungsreform,“ rufen jetzt manche Insider aus Baden-Württemberg.
Wikipedia meint dazu: „Die Verwaltungsstrukturreform in Baden-Württemberg zum 1. Januar 2005 erweist sich in Hinsicht auf die Vernetzung einer Vielzahl von Spezialisten unter einem Dach als besonders vorteilhaft, indem sie sich bewusst für den Beibehalt einer 3-gliedrigen Verwaltungsstruktur und gleichzeitig für das Auflösen zahlreicher Sonderbehörden entschied, mit dem Ziel, dem Bürger als Verwaltungspartner, abhängig von der Aufgabe, entweder Landratsämter oder Regierungspräsidien anzubieten. Damit sollte das Kernziel der Reform einer bürgerfreundlichen, effizienten Verwaltung unter dem Motto:
Ein Haus
Ein Gebiet
Eine Behörde
Eine Entscheidung
erreicht werden. Die klaren Strukturen und Zuständigkeiten sowie die damit erzeugten Bündelungen führen zu einer größeren Verwaltungseffizienz, Klarheit und Akzeptanz der Verwaltungsentscheidungen und -strukturen bei Unternehmen, Verbänden und den Bürgern. Durch die hierarchische Struktur können innerhalb des Regierungspräsidiums bereits Interessensunterschiede entschieden werden, womit die Regierungsebene entlastet wird.“
Aber ja, sagen wir, hier stecken gute Ideen drin, z.B. der „Bürger als Verwaltungspartner“, aber was fehlt, ist die klare Einbeziehung dieses Partners. Denn noch immer ist es die hierarchische Struktur, die als die wesentliche Positivstruktur angesehen wird, weil sie wohl mehr Effizienz bringen soll. Wir meinen aber, dass in einer sich so schnell verändernden Zeit diese hierarchische Struktur zum echten Hemmschuh werden kann. 2005, das war vor Finanzkrise und vor Flüchtlingskrise, um nur einmal zwei Stichworte in den Ring zu werfen. „Ein Haus, ein Gebiet, eine Behörde, eine Entscheidung“ … das hört sich ja gut an, aber es passt leider immer häufiger überhaupt nicht mehr in eine Welt, in der morgen das Unvorhersehbare zur Wirklichkeit wird. Ein Haus, ein Gebiet, eine Behörde, eine Entscheidung ist sicher auch 2018 noch sinnvoll, wenn es um Dinge wie das Ausstellen eines neuen Führerscheins geht. Aber ist es noch effektiv und die beste Lösung, wenn es zum Beispiel darum geht, die richtigen Konzepte für die unterschiedlichsten Schülerkonstellationen der real existierenden Schulen zu beschließen. „Ein Haus, ein Gebiet, eine Behörde, tausend Entscheidungen, die die Behörde nicht mehr allein treffen kann, weil sie die Kompetenz der Lehrer/innen und Schuldirektor/innen (und anderer gesellschaftlicher Player – abnehmende Arbeitgeber der Region, neue Elterngenerationen u.v.m.) dringend dafür benötigt“ – etwa so müsste es in einer neuen Verwaltungsreform für den Bildungsbereich stehen, einem der vielen Fachbereiche eines Regierungspräsidiums. (Die Verwaltung hat eben, neben der ‚Kernverwaltung‘ an sich, auch Themen und Bereiche, die über die Verwaltungsebene hinaus gehen. Beispielsweise Museen und kulturelle Einrichtungen, im Tourismusbereich, der sich auf einem Markt mit Konkurrenten behaupten muss, im Gesundheitsbereich, wo neben der Verwaltung die Umsetzung eine besonders zentrale Rolle spielt und auch in der Bildung ist die Verwaltung nicht das Ende der Kette. Beim Führerschein oder Steuerfragen funktioniert hoheitliche Verwaltungsarbeit halt doch anders… bleibt aber oft kulturprägend auch für die Bereiche, die darüber hinaus gehen. Die öffentliche Schule ist hier schon ein Grenzfall: In erster Linie hoheitlich verordnete Schulpflicht, die erfüllt werden muss, oder ein Angebot des Service Public, das nicht in erster Linie vom wirtschaftlichen Erfolg der Einrichtung geprägt sein soll? (https://agile-verwaltung.org/2017/09/14/wie-innovierend-agierend-und-selbstaktiv-getrieben-kann-und-soll-eine-verwaltung-sein/)
Zur Begriffserklärung: „Regierungspräsidien sind in Baden-Württemberg und Hessen staatliche Mittelbehörden, die für das Gebiet eines Regierungsbezirks als Schaltstelle zwischen Ministerien einerseits und Landratsämtern, Städten und Gemeinden andererseits als weitere Landesbehörde fungieren.“ (Wikipedia)
Dann lassen Sie uns doch jetzt einmal zu unserer kleinen Science-Fiction-Geschichte nach Weit im Winkl gehen.
Wie sich von Weit im Winkl aus eine Idee breit machte
Als 2023 der ganze Schwindel aufflog, weil das Café L eine offizielle finnische Lehrerdelegation zu Besuch hatte, war dies den Verantwortlichen so peinlich, dass sie flugs das Laborgymnasium zum einzigen teilautonomen Gymnasium mit Versuchsstatus umwandelten, damit die Wellen in der Öffentlichkeit nicht zu hoch schlugen. (So steht es in der Originalgeschichte.)
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Hanno Schmitt, Abteilungsleiter Schule und Bildung am Regierungspräsidium Freiburg, das für das frühere Schiller-Gymnasium in Weit im Winkl zuständig war, schäumte. „Ja die machen sich das mal wieder recht leicht im Kultusministerium. Sie stecken die Lorbeeren ein, weil ihnen ganz unerwartet eine Leuchtturmschule in den Schoß fiel und wir sollen jetzt die Arbeit machen. „Binden Sie bitte die Laborschule als teilautonome Schule in Ihre Schulverwaltung ein. Sie haben freie Hand. Hochachtungsvoll…““ las er seinen Mitarbeitern gerade vor, als die Sekretärin Eva Lobisch Kaffee servierte. „Wie soll das denn funktionieren? Teilautonomie, da haben wir doch überhaupt keine Erfahrungswerte dazu. Erst Rebellen zu Helden machen und dann uns den Rest überlassen. Na wunderbar. Sorry, keine Ahnung, wie wir damit sinnvoll umgehen sollen.“ Schmitt schaute in die Runde und sah nur auf achselzuckende Mitarbeiter. Frau Lobisch, die Sekretärin, schaute kurz auf und meinte: „Vielleicht sollten Sie einfach mal nach Weit im Winkl fahren, um sich dort beraten zu lassen.“
Schmitt war zuerst irritiert, dass die einzige Idee von seiner Sekretärin kam, aber er musste zugeben: Wenn das Kultusministerium seiner untergeordneten Behörde schon freie Hand in dieser Sache ließ, dann war das vielleicht wirklich sie beste Lösung, sich mit den Rebellen zusammenzutun. Was hatte man schon zu verlieren.
Und so kam es, dass sich eine Delegation von sieben Sachbearbeitern und einer Sekretärin aus dem Regierungspräsidium Freiburg am 15. September 2023 morgens um Viertel nach acht aufmachte, um sich mit den Bildungsrebellen in Weit im Winkl zu treffen.
An der Laborschule herrschte schon ein reges Treiben, als die Delegation um 9 Uhr 12 dort eintraf. Zwei Schülerinnen und ein Schüler kamen ihnen entgegen und stellten sich als Empfangskomitee vor. „Gestatten: Lena, Paula, Odwin. Wir sind die amtierenden Schülersprecher und werden sie zuerst einmal durch unsere Schule führen, damit Sie einen ersten Eindruck bekommen. Danach bekommt jeder von Ihnen eine Fachperson an die Seite gestellt. Heute sind das konkret: Eine Architektin, ein Journalist, eine Politikerin, ein Jurist, eine Einzelhandelskauffrau, ein Bäcker, eine Unternehmerin und ein Elektroingenieur … alle derzeit noch in Ausbildung, also Schüler/innen. Von ihnen können Sie so ziemlich alle Antworten erhalten, was Weit im Winkl für uns Schüler darstellt. Aber versuchen Sie bitte, nicht Schüler/innen, sondern die zukünftigen Leistungsträger in ihren Gesprächspartnern zu sehen, dann verstehen Sie leichter, worum es im Kern in Weit im Winkl geht.
Danach gibt es für Sie eine erste Kaffeerunde, zu der dann auch Schuldirektor Enderle und sein Stellvertreter Rütli hinzukommen werden. Der weitere Besuchsplan wird sich erst entwickeln – je nachdem, wie Ihre Anliegen nach der Kaffeerunde aussehen. Wir nennen das agile Programmplanung. Noch Fragen?“
Hanno Schmitt war völlig sprachlos, aber ohne Frage zutiefst beeindruckt.
Heinz Bayer, Veronika Lévesque, Elisabeth Theisohn
Fortsetzung folgt