Am 23. Januar 2019 fand in Freiburg eine Konferenz von Kommunalverwaltungen über alle Ebenen zum Thema „Digitalisierung“ statt. Eingeladen hatte die Wirtschaftsförderung Region Freiburg (WFR), eine Vereinigung aus Stadtkreis Freiburg, den Landkreisen Breisgau-Hochschwarzwald und Emmendingen sowie verschiedenen Städten und Gemeinden. Eingeladen waren alle Verwaltungen der Region, unabhängig ob Mitglied in der WFR oder nicht. Das regionale Format, verbunden mit einer vertikalen Durchlässigkeit (Großstadt und Kreise – Kreisstädte – kleinere Gemeinden), könnte eventuell auch anderen Regionen Anregungen vermitteln.
Das Format
Der Grundansatz der Initatoren war: wir wollen eine regionale Kooperation der kurzen Wege anregen, bei der bei aller Anerkenntnis der unterschiedlichen Herausforderungen das gegenseitige Lernen und die Unterstützung im Vordergrund stehen.
Denn die Erfahrungen zeigen, dass das praktische Vorankommen in der Digitalisierung offenbar nicht gut gelingt, wenn die Gemeinden sich auf die Landesebene verlassen (siehe /1/). Auch die großen bürokratischen Organisationen, Städte-, Landkreis- und Gemeindetage erscheinen bislang nicht als Zugpferde der praktischen Umsetzung. Und die KGSt schließt Gemeinden unter 10.000 Einwohner von vornherein aus.
In der Einladung war der Rahmen so beschrieben:
Die Herausforderungen der digitalen Transformation sind für die Kreise, Städte und Gemeinden sehr unterschiedlich. Die Ansprüche der Bürgerinnen und Bürger, der Unternehmen und Organisationen der Zivilgesellschaft hängen von Alters- und Bildungsschichten, von Industrie- und Dienstleistungs-arbeitsplätzen, von städtisch oder ländlich geprägter Region ab.
Selbst wenn es keine allgemeingültigen Lösungen gibt, müssen die unterschiedlichen Vorgehensweisen nicht komplett individuell sein. Wissen und Können, Methoden und Unterstützungsangebote können gebündelt und jeweils auf bestimmte typische Situationen hin ausgerichtet werden.
Mit diesem interaktiven Austausch wollen wir die Verwaltungen in unserer Region in Kontakt bringen, typische Bedarfe ermitteln, Wissen über bereits vorliegende praktische Erfahrungen einbringen und konkrete Handlungsfelder für künftige Kooperationen abstecken.
Ablauf
Als Format hatten wir eine Variante der Zukunftswerkstatt gewählt, ein Format, bei dem der Fokus auf Austausch und kreativer Produktion der Teilnehmer liegt und nicht auf passivem Konsum von Wissen und mahnenden Ratschlägen. Die Moderation hatte Veronika Lévesque vom FAV und ich hielt einen inhaltlichen Vortrag zum Thema.
Zu Beginn begrüßte Martin Horn, Oberbürgermeister der Stadt Freiburg, die knapp 100 Teilnehmenden. Es folgte ein Impulsvortrag von Frau Dorothea Störr-Ritter, Landrätin des Kreises Breisgau-Hochschwarzwald, zum Thema „Einflüsse digitaler Möglichkeiten auf öffentliche Aufgaben – Stichwort ‚agile Verwaltung‘. Frau Störr-Ritter ist auch eGovernment-Beauftragte des Nationalen Normenkontrollrates und tief mit dem Thema vertraut.
Es folgten vier Werkstattrunden, bei denen die Teilnehmenden 10 Gruppen an 10 Tischen bildeten und in jeder Runde ein Thema bearbeiteten. Nach jeder Runde wurden die Ergebnisse zusammengefasst (in unterschiedlichen Formaten, mal einfach an der Metaplanwand, mal dem Plenum vorgetragen). Und an den Tischen formten die Teilnehmer neue Gruppen, um sich in geänderter Zusammensetzung zum nächsten Thema auszutauschen.




Zwischen Werkstatt 2 und Werkstatt 3 gab es einen 30minütigen Impulsvortrag zum Thema „Digitale Akte: Barrieren, Schwellen, Chancen“. Er handelte zum einen von der Überwindung der Silo-Ablage und ihrem Nutzen. Das ist auch Teil einer agilen E-Akten-Strategie, bringt großen Nutzen und kann sofort von jeder Kommune in Angriff genommen werden.

Das zweite Anliegen war, eine erste Vision einer künftigen Zusammenarbeitsplattform für cross-funktionale Teamarbeit in den Verwaltungen darzustellen und zum Weiterspinnen einzuladen.

Den Vortrag könnt ihr hier herunterladen.
Großer Stolz auf die öffentliche Verwaltung
Nur schlaglichtartig einige Dinge, die mir bei den Ergebnisse aufgefallen sind.
In der Werkstatt 2 wurde gefragt:
„Wo sind wir als öffentliche Institutionen besonders stark?“
Und beim Vortrag der Ergebnisse von den einzelnen Tischen merkte man, wie auf einmal Stolz und Mission von den Ergebnissen ausstrahlten:
„Zuverlässigkeit“, „Objektivität“, „Fairness“, „für alle da“, „nicht gewinnorientiert“, „hohe Fachlichkeit und viele Kompetenzen“, „engagiertes und motiviertes, fachlich breit aufgestelltes Personal“, „Stabilität“, „sozialer Auftrag“ .
Die Liste wollte kein Ende nehmen. Nichts war zu spüren vom Klagen über das „Anspruchsdenken der Bürger“, das es um Himmels willen abzuwehren gelte. Ganz im Gegenteil sprach der Wille, den Bürger und seine Anliegen in den Mittelpunkt zu stellen, aus der Versammlung. Ganz agil und nichts von der häufigen „Wir-müssen-von-der-Wirtschaft-lernen“-Unterwürfigkeit.
Viele Aktive melden sich zum Aufbruch
Am Ende wurden sechs Handlungsfelder identifiziert, an denen von nun an gemeinsam weiter gearbeitet werden soll:
- Ein DigiLab (Think tank) als Austauschplattform für Wissen, Projekte, Visionen schaffen.
- Lokale Digitalisierungsstrategie
- Regionale Vernetzung zur Inbetriebnahme des Portals service-BW
- Menschen mitnehmen
- Einführung elektronischer Aktenführung
- Qualifizierung/Sensibilisierung der Führungskräfte und Mitarbeiter
Erste klare Schritte für die Arbeitsaufnahme wurden bereits in den Tischrunden erarbeitet und von der Ausgangslage her sind die Arbeitsgruppen startbereit.
Zu jedem Thema – mit einer Ausnahme – meldeten sich jeweils mehrere „Aktive“, die das Thema vorantreiben wollen, sowie weitere Interessenten, die über die Entwicklung auf dem Laufenden gehalten werden wollen.
Kleine Kommunen noch zu wenig im Fokus
Auffällig war für mich, dass nur (relativ zur Gesamtzahl) wenige Teilnehmende aus kleinen Gemeinden anwesend waren. Auch meldete sich zum Handlungsfeld 2 „Lokale Digitalisierungsstrategie“ kein „Aktiver“, der dieses Thema in die Hand nehmen will. Und dieses Feld zielt vor allem auf aktive Beteiligung derjenigen Kommunen ab, die eine solche Strategie noch nicht entwickelt haben.
Das deutet darauf hin, dass der Nutzen der von uns in der Werkstatt vorgesehenen Methode der Selbstaktivierung gerade in den kleinen Verwaltungen, die fast keine Kapazitäten haben, noch nicht gesehen wird.
Weitere Beobachtungen
Für einige war die interaktive Arbeitsform sicher ungewohnt – einzelne zeigten am Vormittag Ungeduld oder gar Unbehagen. Bei den meisten änderte sich das im Lauf des Arbeitstages. Andere waren eher begeistert und sprachen sogar von „Befreiungsschlag“, „endlich krieg ich mal mit as sonst noch läuft“, „schon lang hat mir keiner mehr so ernsthaft zugehört“
Einige der Rückmeldungen lassen sich so zusammenfassen:
Die Ergebnisse sind praxisnah, realistisch, entsprechen den Problematiken und Themen, die uns umtreiben, sind nicht hochfliegend oder unrealistisch und können so praktisch angegangen werden.
Das freute uns natürlich sehr, wenn das so wahr würde …….
Anmerkungen
/1/ Siehe die Artikel zu den Erfahrungen in Baden-Württemberg: https://agile-verwaltung.org/2018/10/01/andi-agiles-netzwerk-digitale-innovation-bericht-vom-treffen-am-25-09-2018-in-konstanz/ und https://agile-verwaltung.org/2018/11/19/kommunale-services-auf-service-bw/
Ein Gedanke zu „Zukunftswerkstatt der Wirtschaftsförderung Region Freiburg: „Digitale Wege in der Region““