Die Pandemie war nicht das einzige Thema 2020. Nach dem Mord an George Floyd in Minneapolis am 6. Juni gingen Menschen überall auf der Welt auf die Straße, um gegen Rassismus und Polizeigewalt zu protestieren. Dass es in Deutschland auch Rassismus, Racial Profiling und Polizeigewalt gibt, ist 2020 kein Geheimnis mehr. Aber trifft das auch auf die Verwaltungskultur zu? Sind wir offen für Menschen aller Herkünfte, und zwar nicht nur im Bürgerbüro, sondern auch als Bürgermeister:innen? Am 22. Januar 2020 besprechen Mitglieder des FAV im Rahmen einer virtuellen Saft- und Käseprobe die größten Hürden für eine Diversifizierung der Verwaltung und welche Ansätze sie hierfür entwickeln möchten.

Internationalisierung der Verwaltung
Als ich 2019 einen Workshop über Internationalisierung in der Verwaltung organisiert habe, durfte ich das Abschlusswort halten. Verschiedene Themen wurden im Laufe des Workshops von den Teilnehmer:innen angesprochen: vom Demokratieverständnis über die Polarisierung der Gesellschaft, Frauenanteil in Führungspositionen und der Bedeutung der interkulturellen Öffnung in der Verwaltung. Der Oberbürgermeister hatte am Ende das Thema Gleichberechtigung aufgegriffen und sich eine weibliche Oberbürgermeisterin im Jahr 2028 gewünscht. „Als Frau mit Migrationshintergrund wäre ich eine geeignete Kandidatin“ sagte ich dann in meinem Abschlusswort, „vielen Dank für den Vorschlag Herr Oberbürgermeister, ich überlege mir die Kandidatur für die übernächste OB-Wahl“. Mein Vorschlag brachte die gewünschte Reaktion hervor – herzliches Lachen und Klatschen, ein guter Abschluss.
Geringer Frauenanteil in Führungspositionen
Tatsächlich wäre ich als Frau in einer Oberbürgermeisterin Teil einer Minderheit der kommunalen Verwaltungsspitzen. Eine Studie der EAF aus dem Jahr 2014 hat gezeigt, dass, während der Frauenanteil in der Politik auf Bundes- und Landesebene in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen ist, ihr Anteil in den kommunalen Vertretungen in dem Jahr bei lediglich 25 Prozent lag. 2017 betrug der Anteil der Oberbürgermeisterinnen nur noch 8 Prozent. Während der Anteil von Frauen in der kommunalen Verwaltung in der Regel höher ist, schaffen es diese nicht in leitende Positionen. Eine Studie der Friedrich Ebert Stiftung zusammen mit Verdi zeigt, dass, obwohl über die Hälfte der Belegschaft in öffentlichen Verwaltungen Frauen sind, sie nur knapp ein Drittel der leitenden Positionen einnehmen. Und diese Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen. Im Bericht wird gemahnt: „Es ist nicht eindeutig definiert, was unter einer Führungsposition zu verstehen ist. Oftmals rechnen die Behörden und Einrichtungen auch alle ihre hochqualifizierten Fachkräfte zu dieser Rubrik, auch wenn diese Fachkräfte keine Leitungsfunktionen haben und keine ihnen zugeordneten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ (ebd.).
Gleichberechtigung der Geschlechter Teil einer größeren Debatte über Diversität
Der Anteil von Frauen in Führungspositionen bildet nur einen kleinen Teil der Gleichberechtigungsdebatte ab. Genauso wichtig sind Fragen nach Männern in Teilzeitpositionen, wo Frauen nach wie vor überrepräsentiert sind; Fragen nach Vätern, die Elternzeit nehmen; Fragen nach Verdienstunterschieden („Equal Pay“) und Fragen nach dem Anteil von Frauen und Männern in den sogenannten sozialen Berufen wie Pflege, Kinderbetreuung und soziale Arbeit. Diese Fragen werden in einen größeren Komplex um die Forderung nach der Verwirklichung des Artikel 3 des Grundgesetzes gestellt. Nicht unbedeutend ist es, dass die Gleichstellung von Männern und Frauen neben dem Diskriminierungsverbot ins Grundgesetz aufgenommen wurde. Denn der Artikel 3 besagt nicht nur, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind, sondern auch, dass niemand benachteiligt oder bevorzugt werden darf. Um die Gleichberechtigung zu erreichen, müssen wir in unserem Verwaltungshandeln also nicht nur auf die Gleichberechtigung der Geschlechter schauen, sondern auf die Verwirklichung einer tatsächlich heterogenen Verwaltung auf allen Ebenen. Und davon sind wir noch weit entfernt.
1.) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. 2. ) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. 3.) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Artikel 3 des Grundgesetzes
Die Frage nach der Repräsentation
Verwaltungen treffen täglich Entscheidungen, die das Gemeinwohl beeinflussen. Zusammen mit gewählten Gremien gestalten sie das Zusammenleben in unseren Gemeinden, in unseren Städten und in unserem Land mit. Sie veranlassen den Bau oder Abriss von Gebäuden, darunter auch Wohnraum. Sie verfügen über die Ausstattung von Behörden, Schulen und Universitäten. Sie wirken mit bei der Verteilung von Geldern und anderen Ressourcen und entscheiden über das Zusammenbleiben von Familien. Die Forderung nach mehr Diversität in der Verwaltung ist letztendlich auch eine Forderung nach repräsentativen Entscheidungsgremien. Wie schaffen wir es, dass diejenigen, die von unseren Entscheidungen betroffen sind, in diesen Prozess mit eingebunden sind? Dafür reichen Bürgerbeteiligungsprozesse, an denen meistens sowieso die Bürger:innen mit den lautesten Stimmen beteiligt sind, nicht aus. Wir müssen uns als Verwaltung selbst unter die Lupe nehmen und die Weichen für eine diverse Verwaltungskultur stellen. Eine Kultur, in der sich Menschen wohl fühlen, die unterschiedlicher Herkünfte sind, verschiedene Geschlechter haben und sich in unterschiedlichen körperlichen und geistigen Verfassungen befinden.
Das Forum agile Verwaltung hat in diesem Sinne für seine Mitglieder einen besonderen Abend organisiert. Am 22. Januar werden wir in einer virtuellen Diskussionsrunde die Fragen „Was sind die größten Hürden für die Gleichberechtigung heute?“ und „Was sind mögliche Lösungsansätze?“ besprechen. Der Abend wird begleitet von Cidre und Saft aus lokalen Streuobstwiesen und regionaler Käsespezialitäten aus dem Schwarzwald. Der Dialog steht dabei im Mittelpunkt.
Anmeldung für Mitglieder unter Domino Talk – Gleichberechtigung in der Verwaltung