Methoden sind Werkzeuge und Hilfsmittel, nicht die Lösung

Wir werden Augenzeuge eines Gesprächs zweier Kolleg*innen, die sich zufällig in der Kaffeeküche treffen: „Du sag mal, Du bist doch ein echtes Methodenkäpsele. Hast Du vielleicht eine Idee, wie ich das Problem methodisch auflösen könnte? Ich komme da nicht weiter. – Ja klar, da habe ich was Passendes im Werkzeugkoffer.“ Eine Woche später treffen sich die beiden Kolleg*innen wieder in der Kaffeeküche: „Und hat, es mit der Methode, die ich Dir gezeigt habe, funktioniert? – Bleib mir bloß weg damit. Ich hatte hinterher noch mehr Probleme, wie vorher. Die Methode ist totaler Blödsinn.“

Irrtum 1: Werkzeuge lösen das Problem

Ist die Methode tatsächlich totaler Blödsinn? Was ist passiert? Wir schauen genauer hin. Die Methode, die hier vorgeschlagen wurde, hat getan, was sie tun sollte. Im konkreten Fall hat sie jedoch aufgezeigt, dass hinter dem Problem noch weitere und tiefere Ursachen liegen, die vorher so nicht transparent und sichtbar waren.

Was hier passiert ist, spiegelt einen weitverbreiteten Denkfehler wider. Es ist ein verbreiteter Irrglaube Methoden würden komplexe Probleme lösen. Methoden und methodische Rahmenwerke wie Scrum, Kanban u. ä. sind „nur“ Werkzeuge. Sie sind Hilfsmittel, um Probleme und Hindernisse sichtbar zu machen. Sie liefern selbst keine Lösungen. Das müssen die Beteiligten selbst tun. Das ist anstrengend und bedeutet, Verantwortung zu übernehmen.

Leider fehlt bei der Einführung agilen Methoden allzu oft genau dieses Verständnis. Plötzlich sind die agilen Methoden und Rahmenwerke verantwortlich, wenn es an allen Ecken und Enden knarzt, dabei machen sie nur sichtbar, woran es in der Organisation allzu häufig klemmt und was bisher nicht greifbar war. In diesem Fall gilt es dem Reflex zu widerstehen, die Methodik dafür verantwortlich zu machen, dass das tut, was sie soll: Probleme sichtbar machen, die wir dann lösen können.

Die Fähigkeit, Probleme lösen zu können, setzt Methodenwissen voraus. Das schließt aber auch das Wissen ein, dass Methoden selbst keine Probleme lösen, sondern lediglich Werkzeuge und Hilfsmittel sind, die dabei unterstützen, Probleme und ihre Ursachen sichtbarer zu machen. Den das vermeintlich Sichtbare ist viel zu oft nicht die Wurzel des Problems, sondern lediglich ein Indikator. Ein Indikator für das vorhanden sein eines Problems. Das Beobachten des sichtbaren Teils hilft in diesem Fall nicht einfach weiter. Wir müssen in die Tiefe vordringen, um wirklich zu verstehen.

Da wir alle gerne dazu neigen, Dinge aufzulösen, neigen wir dazu, unserem Reflex zu folgen, uns sofort auf vermeintliche Lösungen zustürzen, bevor wir überhaupt das Problem richtig verstanden haben. Dies bedeutet auch dem Reflex sofort Lösungen entwickeln zu wollen, zu widerstehen. Wenn wir glauben, dass Problem verstanden zu haben, sollten wir Vorsicht walten lassen.

Zeigen uns Methoden auf, dass es weitere Schwachstellen gibt, die wir bisher nicht erkannt haben, ist das genau, was diese Werkzeuge tun sollen. Sie schaffen die notwendige Transparenz und helfen uns dabei in die Tiefe vorzudringen, die Probleme und Herausforderungen zu erkennen, die wir auflösen müssen.

Wenn bei der Einführung und Verwendung neuer Methoden neue, unbekannte Hindernisse auftauchen, ist das nicht die Methode selbst, die diese erzeugt, sondern nur das Sichtbarmachen weiterer Herausforderungen und versteckter Hindernisse, die wir vorher nicht erkannt haben. Werkzeuge helfen uns dabei, die Ursachen aufzuspüren und sichtbar zu machen. Sie sind aber nicht die Lösung des Problems. Diese können wir mit der Erkenntnis, die wir gewonnen haben, jedoch entwickeln.

Irrtum 2: Es gibt ein Werkzeug für alle Problemlagen

Es gibt noch einen zweiten Denkfehler im Umgang mit Methoden und Werkzeugen, der ebenfalls immer wieder zu beobachten ist und immer wieder durchschlägt. Der Irrglaube, man können mit einem Hammer auch Schrauben in die Wand drehen und mit einem Schraubenzieher Nägel in ein Brett hämmern. Es gibt leider – auch wenn in der agilen Welt einige übereifrigen Enthusiasten den Eindruck erwecken – nicht die eine Erfolgsmethode, die auf alle Lebenslagen passt. Scrum ist ein tolles Projektmanagementrahmenwerk, das für komplexe Aufgabenstellungen in Teams mit mindestens 5 Teammitgliedern geschaffen wurde. Es ist wenig geeignet, um damit Linientätigkeiten zu organisieren oder Routinearbeiten abzubilden, die sich wiederholen. In diesen Fällen greifen andere Ansätze besser und sind hilfreich.

Auch sollte man sich nicht dazu hinreißen lassen, zu glauben, nur weil man ein bis zweimal unter Anleitung ein Werkzeug, und sei es noch so leichtgewichtig genutzt hat, dieses ohne Weiteres zur Anwendung bringen kann. Scrum ist ein leichtgewichtiges Werkzeug, aber eines, das zu Bedienen einiges an Hintergrundwissen und Können erfordert. Hinter Kanban verbirgt sich weit mehr, als das bekannte Kanbanboard (das selbst nur eine Visualisierungsunterstützung darstellt) und es dürfte ist ein weiterverbreite Fehlannahmen, dass man nach einer Grundlagenzertifizierung von wenigen Tagen zu Anwendungsprofi wird. Ganz im Gegenteil ist diese erst der Einstieg einer Lernreise vom Kenner zum Könner, der weiß, welches Werkzeug wie und wann sinnvoll zum Einsatz gebracht werden kann.

Fazit

Leider ist die Idee weit verbreitet, dass Methoden Probleme lösen und es daher ausreichend ist, einfach eine Methode oder ein Set von Methoden einzuführen. Was es am Ende immer braucht, ist nicht nur das Wissen um das Werkzeug, sondern auch die Erfahrung und das Grundlagenverständnis, wie sich dieses effektiv und effizient einsetzen lässt. Man sollte sich daher hüten, falsche Erwartungen in Methoden selbst zu stecken und vor Augen führen, Methoden sind Werkzeuge und Hilfsmittel. Sie helfen uns, Probleme zu identifizieren, zu verstehen und zu Ursachen zu entdecken. Lösen müssen wir sie selbst. Und dies setzt weit mehr als nur das Wissen um Methoden voraus. Am Ende wird ist klar: Methoden sind Werkzeuge und Hilfsmittel, nicht die Lösung.

Autor: Thomas Michl

Agilist aus Überzeugung - Lean-Enthusiast und Kanban-Fan - Veränderungsbegleiter - Dipl.-Verw.Wiss. - MBA - 🇮🇪 Irland-Fan - Mitgründer Forum Agile Verwaltung

3 Kommentare zu „Methoden sind Werkzeuge und Hilfsmittel, nicht die Lösung“

  1. Sehr schöner Artikel, Thomas. Auch andersherum wird ein Schuh daraus: nicht für jede Herausforderung muss ein neues Vorgehen etabliert oder alles mit der Hand erledigt werden. Ergo: Methoden und Werkzeuge sind Methoden und Werkzeuge. Das Wissen, die Auswahl und die Anwendung entscheiden, ob sich damit Herausforderungen meistern lassen.

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