In den letzten Wochen wurden bereits einige Blogbeiträge zur Einführung von DMS-Projekten veröffentlicht. Darin sind einige wichtige Voraussetzungen und Faktoren für die erfolgreiche Einführung von Dokumentenmanagement-systemen (DMS) in der öffentlichen Verwaltung beschrieben worden:
- eine Fragensammlung für den Projektstart
- das Reifegradmodell als Grundlage für Ist-Analyse und Projekplanung
- das Vorgehensmodell für die Projektdurchführung
Ich arbeite seit einigen Jahren in unterschiedlichen Rollen in so einem Einführungsprojekt und sehe noch viel mehr Erfolgsfaktoren. Und da ich das DMS für eine ganz zentrale Grundlage der digitalen Transformation einer Verwaltung halte, möchte ich dieses Thema gerne im Rahmen des Buchprojekts Agile Verwaltung 2040 vertiefen und suche dafür diskutierfreudige Mitschreiber:innen.
Die nachfolgenden Überlegungen zu diesem Thema sind weder vollständig noch systematisch aufbereitet, es ist eine erste Sammlung, die Appetit auf mehr machen soll.
Digitalisierung ist was anderes als digitale Transformation.
Digitalisierung: Wenn in einem DMS-Projekt Akten „digitalisiert“, d.h. gescannt und in einem DMS abgelegt werden, sind konkrete Zielvorgaben und deren Erreichung vergleichsweise einfach möglich. In diese Kategorie fallen viele in den vergangenen Jahren durchgeführten Digitalisierungsvorhaben der öffentlichen Verwaltung; ich sehe hier auch eine enge Verbindung zu dem von Wolf Steinbrecher beschriebenen Vorgehensmodell der autoritäten Disziplinierung.
Ähnlich verhält es sich mit der Digitalisierung von Abläufen innerhalb einer Verwaltungseinheit. Allerdings müssen hier schon die Menschen dieser Verwaltungseinheit einbezogen werden, wenn das Projekt erfolgreich sein soll, beispielsweise bei der Umstellung von der kameralen auf die kaufmännische Buchführung in Verbindung mit der Einführung einer neuen Software. Hier sehe ich starke Bezüge zum Vorgehensmodell der paternalistischen Optimierung.
Digitale Transformation geht weit über die Digitalisierung einzelner Abläufe hinaus: Ausgangspunkt sind die Anliegen und Bedürfnisse („Lebenslagen“) der (internen und externen) Serviceempfänger:innen; für diese sollen ganzheitliche attraktive digitale Services entwickelt werden. Die bisherigen analogen Prozesse und Abläufe lassen sich dabei nicht eins zu eins digitalisieren, sie müssen radikal neu gedacht werden. Dies geht häufig mit einer grundlegenden Neustrukturierung von Organisationen einher: Zuständigkeiten und Rollen von Mitarbeitenden werden verändert, alte Aufgabengebiete werden automatisiert, neue Aufgabengebiete entstehen. So ein Vorhaben kann nur erfolgreich sein, wenn die Mitarbeitenden von Anfang an einbezogen werden und das Projekt und die Projektergebnisse mitgestalten können (Vorgehensmodell Demokratisches Empowerment).
Agile Projektdurchführung ist nur die halbe Miete, mindestens genauso wichtig ist die gute Einbindung des Projekts in die Organisation.
Die Einführung eines DMS für sämtliche Prozessbereiche einer Organisation kann nicht wasserfallartig, sondern nur iterativ erfolgen, wobei iterativ nicht zwingend agil bedeutet.
Die Einführung eines DMS für sämtliche Prozessbereiche einer öffentlichen Einrichtung kann nur gemeinsam mit den an den jeweiligen Prozessen beteiligten Anwender:innen erfolgen. (Einbeziehung der Anwender:innen ist nicht zwingend agil.)
Ein DMS-Projekt kann nur erfolgreich sein, wenn es als wichtiger Teil der Organisation gesehen wird – und das nicht nur von den Projektbeteiligten, sondern von (fast) allen Führungskräften. Sonst entwickelt sich das Projekt zu einem U-Boot, das zwar hier und da auftaucht, aber nicht in der Fläche wirkt.
Wichtiger als die „richtige“ Software ist der „richtige“ Softwareanbieter
Voraussetzungen: Das DMS wird als „Werkzeugkasten“ verstanden und die Ausschreibung entsprechend ausgestaltet. Und das DMS hat einen gewissen Reifegrad.
Dann wird immer noch ein Softwareanbieter benötigt, der weiß, wie Verwaltung funktioniert, und der die anspruchsvollen Zielsetzungen des Projektes unterstützt, indem er nicht nur technische, sondern auch organisationale Beratungskompetenz einbringt.
Sobald die ersten Prozesse / Vorgangs-bearbeitungen mit dem DMS unterstützt werden, beginnt der Regelbetrieb, der ein eigenes Team benötigt.
Wenn Verwaltungsbereiche mit dem DMS arbeiten, ergeben sich auch im Regelbetrieb neue Anforderungen an das DMS und die Prozessunterstützung. Zugleich wird (hoffentlich) die Software laufend weiterentwickelt, so dass die Prozessunterstützung dank neuer Funktionalitäten verbessert werden kann. Diese laufende Prozessoptimierung und Optimierung der technischen Unterstützung kann nicht durch das Projektteam übernommen werden, da dies sonst kaum noch Ressourcen für die digitale Transformation weiterer Prozessbereiche hat.
Im Projektteam müssen die richtigen Kompetenzen versammelt sein bzw. entwickelt werden
Dabei geht es nicht nur um individuelle Kompetenzen, sondern vor allem auch um Teamkompetenzen. Hier die Ergebnisse eines ersten Brainstormings:
- Sehr gute Kenntnisse über die Funktionalitäten der eingesetzten Software (ggf. unterstützt durch Softwareanbieter, aber nur in Verbindung mit sehr guter Beratungskompetenz und ausgeprägter Prozessorientierung)
- Sehr gute übergreifende Kenntnisse der Verwaltungsstrukturen und Abläufe, insbesondere von einrichtungsübergreifenden Vorgängen / Prozessen
- Entscheidungskompetenzen
- Sehr gute Vernetzung innerhalb der Organisation
- Solide Kompetenzen im Projektmanagement
- Vertiefte Kenntnisse der Strukturen, Abläufe einzelner Prozessbereiche bzw. Verwaltungseinheiten
- Die Menschen müssen für das Projekt, das Produkt brennen.
- Die Menschen im Projekt müssen bei allen Beteiligten Begeisterung für die Prozessorganisation wecken.
- Spirit des gemeinsamen und voneinander Lernens
Es gibt keine monokausalen Erfolgsfaktoren
Diese ersten Überlegungen zu Erfolgsfaktoren für DMS-Projekte zeigen die Komplexität dieser Vorhaben auf.
Dir fallen noch mehr Erfolgsfaktoren, Abhängigkeiten, Voraussetzungen und Rahmenbedingungen ein? Dann melde dich einfach bei mir (christiane.buechter[ät]uni-bielefeld.de). Ich freue mich auf Austausch zu diesem Thema und noch mehr, wenn daraus ein gemeinsames Buchkapitel entsteht.
Nachbemerkung der Redaktion: Auf dem nächsten Treffen unserer Buch-Community am kommenden Freitag, 18. Februar, von 12-13:30 Uhr, stellt Christiane ihre Thesen zur Diskussion. Interessent:innen können sich melden unter dem Formular auf dieser Seite.
Ein Gedanke zu „Erfolgsfaktoren für DMS-Projekte – Mitschreiber:innen gesucht“