Beitrag von Dr.-Ing. Karl Steinjan, Institut für Luft- und Kältetechnik gemeinnützige Gesellschaft mbH (ILK), Dresden
Die Umstellung von bekannten Prozessen ist für Unternehmen immer eine Herausforderung. Man verlässt den bewährten Weg und riskiert, bei der Einführung auf Schwierigkeiten zu stoßen. So greift man beispielsweise in die Arbeitsabläufe und Gewohnheiten von Menschen ein. Darüber hinaus benötigen die mit der Änderung einhergehenden Lern- und Umstellungsprozesse anfangs sehr viel zusätzliche Zeit. Bei der Wahl einer neuen Softwarelösung sind Kompromisse gefordert und manchmal durchaus auch der Verzicht auf alt bekannte Funktionen. Zur Anpassung der Prozesse müssen oft vielfältige Entscheidungen getroffen werden und ggf. Investitionen getätigt werden. Insgesamt gibt es somit viele Möglichkeiten ungünstig oder falsch in dem Prozess der Umstellung abzubiegen. Das haben wir bei unserem Versuch die Dokumentablage neu zu organisieren auch erleben müssen.
Wir das ist das Institut für Luft- und Kältetechnik in Dresden (ILK Dresden) ein unabhängiges, gemeinnütziges Forschungsinstitut mit ca. 150 Mitarbeitern, das anwendungsnah im Temperaturbereich von -273 °C bis +1.300 °C forscht.
Der erste Anlauf
Im Jahr 2018 fand sich eine erste Gruppe von Kolleginnen und Kollegen zusammen, um die teils unübersichtliche Ablage von Dokumenten und die hausinternen Verwaltungsprozesse zu digitalisieren und zu vereinheitlichen. Die Projektgruppe traf sich regelmäßig und diskutierte Möglichkeiten und Anforderungen. Sie versuchten die Prozesse des Hauses zu dokumentieren und zu visualisieren. Weiterhin wurden gemeinsam zum Beispiel Regeln zur Benennung von Dateien entwickelt. Diese wurden aber nie im Unternehmen kommuniziert oder ausgerollt.
Auch wurde nach Softwarelösungen zur Digitalisierung der Prozesse gesucht. Dabei kamen die unterschiedlichsten Anforderungen und Wünsche von Verwaltung, Controlling, Leitung und den wissenschaftlichen Bereichen zusammen. Es wurde auch oft diskutiert, welche Softwarelösung den größten Nutzen dabei bringen würde. In der Diskussion waren dabei Dokumentenmanagementsysteme (DMS) und Enterprise Resource Planning (ERP) Systeme.
In einem durchaus langwierigen Prozess entschied man sich dazu, ein Dokumentenmanagementsystem, das gut mit der vorhandenen Buchhaltungssoftware zusammenarbeitet, genauer zu evaluieren. Hier wurde jedoch schnell deutlich, dass die Kosten für dieses sehr umfangreiche System nicht tragbar sind. Die Projektgruppe suchte nach kostengünstigeren Lösungen und ließ sich ein weiteres DMS als Teststellung vorführen. Dieses System zeigte hinsichtlich der Bedienung deutlich Schwächen und auch die Reaktionszeiten des Anbieters bei Nachfragen konnten nicht überzeugen. Die Projektgruppe war frustriert und nach über 3 Jahren war kein Fortschritt im Arbeitsalltag erzielt.
Neustart mit externer Beratung
Um die strukturierte digitale Dokumentenablage im Hause dennoch voranzubringen, engagierte der Geschäftsführer spezialisierte externe Berater. Diese halfen den Prozess erneut zu starten und das Vorgehen besser zu strukturieren. Dies war sehr hilfreich, weil insbesondere unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler neigten schnell dazu, Lösungen für Detailprobleme zu suchen und verloren damit immer mal wieder das große Ganze aus dem Blick. Es erwies sich als zielführend, das Projektteam auf eine überschaubare Größe von circa acht Kolleginnen und Kollegen zu begrenzen. Diese repräsentierten einen großen Querschnitt des Unternehmens und seiner Fachbereiche.
In einem gut strukturierten Treffen wurden zusammen mit der externen Beratung unsere Anforderungen an ein DMS heraus gearbeitet. Die Berater konnten mit Ihrer Erfahrung nun Empfehlungen abgeben, welche DMS-Anbieter auf dem vielfältigen Markt wir mit dieser Anforderungsliste anfragen könnten. Nachdem sich drei von fünf angefragten Anbietern zurückgemeldet hatten, luden wir diese zu einer ganztägigen Präsentation ihres Produktes ein. Damit die Anbieter bei der Präsentation auch die für das ILK Dresden relevanten Funktionen zeigen, wurde das Projektteam mit der Methode des Story Mappings vertraut gemacht. Anschließend erarbeiteten wir eine Vielzahl von Userstorys am Beispiel eines komplexen Prozesses des Hauses. Diese wurden den Anbietern als roter Faden zur Präsentation ihres Produktes übergeben. An Hand dieser User Storys ließen sich die Produkte der Anbieter während der Präsentation gut bewerten.
Das Projektteam ist auf Grund der sichtbaren Fortschritte und des erkennbaren Ziels neu motiviert. Zudem hat die aktive Beteiligung des Geschäftsführers die Relevanz des Projektes für das Unternehmen verdeutlicht.
Fazit
Innerhalb von etwa einem dreiviertel Jahr konnte der Prozess neu gestartet und deutlich vorangetrieben werden. Das Ziel ein DMS einzuführen wurde in überschaubare Schritte mit erreichbaren Zwischenergebnissen heruntergebrochen. Durch die strukturierte Produktvorstellung der DMS-Anbieter wurde deutlich, was mit dem jeweiligen DMS realisierbar ist und was in andere Projekte und Systeme ausgelagert werden muss. Die externe Beratung half, den Prozess zu strukturieren, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren und allen Beteiligten einen ersten Überblick im Themenfeld der elektronischen Dokumentenablage zu verschaffen.