Bei Bürger*innenbeteiligungsprozessen sollte eine Evaluation der Ergebnisse mitgedacht werden. Dabei können Verwaltungen und Behörden auf eine partizipative Evaluation zurückgreifen: Eine Methode, die die Bürgerinnen und Bürger in die Auswertung der Ziele mit einbezieht. In diesem Blogbeitrag gehe ich darauf ein, wie eine partizipative Evaluation aussehen kann und wo sie bereits angewendet wird. Für eine nachhaltige Transformation, so meine Argumentation, sollten Evaluationen und ggf. Anpassungen von Zielen von Anfang an mitgedacht werden.

Bürgerinnen und Bürger werden an Entscheidungsprozessen beteiligt
Immer mehr Verwaltungen und Behörden stellen auf eine aktive Beteiligung der Bürger*innen an Entscheidungsprozessen um. Nicht nur Politiker*innen sollen über die Gestaltung der öffentlichen Politik entscheiden, sondern auch die Bevölkerung. Es gibt dabei diverse Arten von Beteiligungsprozessen. Sie können ein breites Publikum einbeziehen oder nur eine Auswahl von betroffenen oder sachkundigen Bürger*innen. Sie können über einen längeren Zeitraum stattfinden oder punktuell an ausgewählten Meilensteinen im Prozess. Bürger*innenbeteiligung verspricht, verschiedene Sichtweisen auf Problemstellungen einzuholen und Werte der direkten Demokratie zu stärken.
Inwiefern eine Bürger*innenbeteiligung tatsächlich ihre Ziele erreicht ist eine interessante Frage, die oft unbeantwortet bleibt. Die Beteiligung an sich wird als Sinn und Zweck gesehen, ihre Umsetzung belege eine Öffnung der politischen Entscheidungsprozesse und eine Wertschätzung der Meinung von Bewohner*innen einer Stadt oder einer Kommune. Wer daran teilgenommen hat, inwiefern Ideen der Bürger*innen politische Entscheidungen tatsächlich beeinflusst haben und ob die Beteiligung einen Nutzen gebracht hat, sind allerdings wichtige Fragen, die zum Beispiel in einer partizipativen Prozessevaluation als Teil des Beteiligungsprozess eingebunden werden können. In diesem Beitrag erläutere ich, wie ein solcher Prozess aussehen kann, wo er schon angewendet wird und welchen Nutzen und welche Herausforderungen er mit sich bringt.
Begriffsklärung
Eine partizipative Prozessevaluation setzt voraus, dass innerhalb eines Prozesses die beteiligten Akteur*innen Rückmeldung zum Vorgehen geben. Der Form der Rückmeldung kann unterschiedlich sein, sowohl quantitative Erhebungen wie Umfragen und statistische Auswertungen oder qualitative Erhebungen durch Interviews oder Fokusgruppengespräche stellen Daten zur Verfügung, die in die Evaluation einfließen können. Die Rückmeldungen können sich sowohl auf die Ergebnisse des Prozesses beziehen oder auch auf die Prozessgestaltung. Zum Beispiel können Bürger*innen n einem Beteiligungsprozess zur Quartiersgestaltung die Ergebnisse befürworten, die Uhrzeit und Ort der Beteiligungsveranstaltungen aber kritisieren. Wichtig dabei ist die Überlegung, inwiefern sich die Rückmeldungen zum Prozess oder zu den Ergebnissen auf das Vorgehen auswirken. Ist der Prozess von vornherein so aufgestellt, dass neue Wege eingeschlagen werden können, wenn die Rückmeldungen das so befürworten? Wenn Flexibilität kommuniziert wird, aber nicht vorhanden ist, sind Beteiligte, die oft ihre freie Zeit eingebracht haben, in der Regel von Beteiligungsformaten enttäuscht.
Wo partizipative Prozessevaluation angewendet wird und welchen Beitrag sie leistet.
In der Studie „Lokales Regieren – Innovation und Evaluation“ gehen Claudia Wiesner und Sylvia Bordner auf ihre Untersuchung eines EU-Modellprojektes ein. In einer partizipativen Evaluation werteten sie Beschäftigungsförderung, Gender Mainstreaming und Integration in einem lokalen EU-Modellprojekt aus. Partizipative Evaluation, schreiben sie: „bietet sich gerade bei Modellprojekten an, weil sich dort Erfolg nicht allein in Kriterien messen lässt, die im Vornhinein abstrakt und extern festgesetzt werden können“. Gerade die Beteiligten in solchen Projekten kennen und formulieren Ziele, die für den allgemeinen Erfolg von Modellprojekten von Bedeutung, die aber dem Auftraggeber meist unbekannt sind. Außerdem entstehen auch im Laufe des Projektes Ziele, Maßnahmen und Indikatoren, die zu Beginn des Projektes nicht ersichtlich waren. Auch in der Auswertung von Gesundheitsdienstleistungen sind partizipative Prozessevaluationen bereits im Einsatz, überwiegend im Bereich der Öffentlichen Gesundheit. Da die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen von Faktoren wie Gender, sozialökonomischer Status, Alter, Behinderung und so weiter beeinflusst werden und die Nicht-Inanspruchnahme zu höheren Kosten für Städten und Kommunen führt, sowie zu einer verminderten Lebensqualität von betroffenen Gruppen und ist die partizipative Auswertung von Dienstleistungen im Gesundheitssektor von besonderer Bedeutung.
Nutzen für die Verwaltung
Partizipative Prozessevaluationen geben Rückschlüsse über die Qualität der Kommunikation zwischen einer Verwaltung und den Bewohner*innen einer Stadt oder Kommune. Erkenntnisse über Bedürfnisse und Wünsche der Bevölkerung können gewonnen werden, auch über die Gegenstand des Prozesses hinaus. Evaluationen, die intersektional ansetzen, geben auch wertvolle Informationen darüber, wer durch Beteiligungsprozesse erreicht wird und wer nicht. Die Möglichkeit, neue Methoden auszuprobieren, ist in Bürger*innenbeteiligungsprozesse oft höher. Da der Prozess in der Regel nicht zu den Kernaufgaben der Verwaltung gehört und ein in sich abgeschlossenes Projekt darstellt, ist die Bereitschaft, innovativ und agil zu arbeiten, meist höher.
Besonders positiv wirkt eine (partizipative) Evaluation auf die Formulierung von Zielen und Indikatoren. Wenn von Beginn an fest steht, dass die Ziele oder die Ergebnisse eines Projektes im Nachhinein ausgewertet wird hat dies in der Regel zur Folge, dass mehr auf Kohärenz und Verständlichkeit geachtet wird. Die Einordnung in eine nachhaltige Transformation – also die Idee, dass ein Projekt mit der Abschlussveranstaltung nicht abgeschlossen ist, sondern mit der Evaluation und ggf. Anpassung weitergeht, bringt eine zeitliche Dimension ein, die für Veränderungsprozesse notwendig ist.
Weiterführende Literatur
Auf Deutsch
Wiesner, Claudia und Bordne, Sylvia (2010): „Lokales Regieren – Innovation und Evaluation“. VS Verlag
Auf English
Evaluating Efforts to Advance Social Participation in Health