Mehr Klarheit durch einen „aufgeräumten Kopf“: 5S als Methode nutzen, um das Wesentliche in den Fokus zustellen

Was sammelt sich im Laufe der Zeit nicht alles an „geistigem Gerümpel“ an und führt dazu, dass das Wesentliche, auf das es ankommt, immer mehr aus dem Fokus gerät. Was ich deshalb regelmäßig mache: 5S im Kopf. 5S wird leider gerne auf Ordnung am Arbeitsplatz reduziert. Dabei stecken Prinzipien dahinter, die viel mehr bedeuten als nur Ordnung am Arbeitsplatz“. Fast schade, dass das Potenzial viel zu wenig genutzt wird.


Die 5S stehen für die japanischen Begriffe

  • Seiri = Strukturierung
  • Seiton = Systematisierung
  • Seiso = Reinigung
  • Seiketsu = Standardisierung
  • Shitsuke = Selbstdisziplin

Dahinter verbirgt sich eine Idee aus dem Lean Management, die durch Toyota bekannt geworden ist.

Strukturieren heißt zunächst einmal Struktur schaffen. Das heißt, alles auszusortieren, was für die Arbeit nicht notwendig ist. Dazu müssen wir uns zuerst überlegen, was wir für wen und warum tun wollen. Wir überlegen uns zuerst, was wir erreichen wollen, um dann alles weglassen zu können, was nicht dazu beiträgt. Was brauchen wir, um eine Aufgabe erfüllen zu können? Welche Informationen, welche Werkzeuge, welche Hilfsmittel benötigen wir, damit am Ende genau das herauskommt, was benötigt wird.

Danach schaffen wir den organisatorischen Rahmen. Alles was wir brauchen, bekommt einen festen Platz, damit wir sofort wiederfinden, wenn wir es brauchen. Das gilt nicht nur für Werkzeuge, nein, das gilt auch für Wissensdokumente, Informationen, Anforderungen. Wir schaffen eine Systematisierung. Sie ermöglicht uns zu erkennen, wo es Schwachstellen gibt, die wir verbessern können. In dem wir den IST- mit dem SOLL-Zustand vergleichen können.

Die Herausforderung besteht darin, dass wir in unserem täglichen Tun und Handeln immer wieder etwas brauchen und benutzen. Deshalb achten wir darauf, regelmäßig Ordnung zu schaffen. Alles kommt immer wieder an seinen Platz, damit wir es wiederfinden, wenn wir es brauchen. Das ist mit  „Reinigung“ gemeint. Wir schärfen unsere Säge, damit wir sie benutzen können, wenn wir sie brauchen. Reinigung bedeutet in diesem Sinne, die Pflege unserer Werkzeuge, Hilfsmittel und Ausrüstung.

Wenn wir erkannt haben, dass und warum etwas funktioniert, können wir es standardisieren. Dann müssen wir das Rad nicht immer neu erfinden, sondern wiederholen, was funktioniert. So können wir uns leichter auf die Dinge konzentrieren, die wir nicht standardisieren können und die unsere Aufmerksamkeit erfordern. Wir machen ein Ritual daraus. In diesem Sinne Standards nichts, dass ewig in Stein gemeißelt wird. Sondern etwas, was wir ebenfalls ständig weiterentwickeln und anpassen.

Das Ganze funktioniert aber nur, wenn wir es auch regelmäßig tun. Das erfordert Selbstdisziplin. In regelmäßigen Abständen überlegen wir, was wir besser strukturieren können, wie wir den organisatorischen Rahmen verbessern und wie wir unsere Standards anpassen können, um bessere Ergebnisse zu erzielen.

Diese fünf Grundprinzipien lassen sich auf nahezu alle Arbeitsbereiche anwenden.

Beispiel: Prozessmanagement

Was wollen wir mit einem Prozess für wen erreichen? Was brauchen wir wirklich, um das gewünschte Ergebnis zu erreichen? Was können wir weglassen, was müssen wir behalten? Wie organisieren wir das Ganze so, dass es funktioniert? Und weil es immer wieder Neues zu entdecken, zu verbessern gibt, räumen wir regelmäßig „auf“, um auf der Basis unserer Erkenntnisse unsere Standards als Voraussetzung für den Erfolg zu verbessern. Das tun wir regelmäßig in unseren Reflexionen, zum Beispiel in der Retrospektive. Was braucht es, um einen Ausweis auszustellen? Können wir den Prozess vereinfachen? Gibt es etwas, das wir sogar weglassen können, weil es nicht zum Ergebnis beiträgt? Was davon können wir in Zukunft wiederholen, damit die Bürger*innen weniger Aufwand haben (die Wartezeit wird verkürzt) und wir es leichter haben (alle Unterlagen sind zum Termin bereits vollständig)? Es lohnt sich, um die Ecke zu denken. Manchmal kommen dabei überraschende Ideen heraus.

Beispiel: Projektbacklog pflegen

Mit 5S kann auch das Backlog-Management deutlich verbessert werden. Wir beginnen mit der Idee, was wir erreichen wollen. Was ist das Ziel unseres Projekts? Für wen machen wir das Projekt? Auf diese Weise brechen wir aus dem „Gewohnten“ aus, konzentrieren uns wieder auf das Wesentliche. Wir können jetzt besser erkennen, was ins Backlog gehört und was raus kann. Alles, was nicht mehr zur Projektvision, zum Projektziel beiträgt, werfen wir aus dem Backlog und sortieren den Rest entsprechend im Backlog ein. Das Ritual der regelmäßigen Reflexion und das Werkzeug der Priorisierung und der Formulierung unserer Anforderungen im Backlog „standardisieren“ wir, indem wir das, was uns weiterbringt, nutzen und weiterentwickeln. Immer wieder und regelmäßig.

Nehmen wir das Beispiel der Digitalisierung von Verwaltungsdienstleistungen. Wir machen das nicht aus Jux und Tollerei, sondern weil wir etwas erreichen wollen. Wir wollen den Zugang zu Verwaltungsleistungen für die Bürger*innen vereinfachen und uns als Verwaltung die Arbeit erleichtern. Dafür haben wir uns viele Gedanken gemacht und unser Projekt-Backlog ist gut gefüllt, und es füllt sich ständig weiter, weil wir immer wieder neue Erkenntnisse haben. Wenn wir aber nicht regelmäßig „aufräumen“, haben wir irgendwann einen übervollen Backlog mit zig Anforderungen. Wir laufen Gefahr, den Überblick zu verlieren. Wenn wir uns bewusst sind, warum und für wen wir das tun, können wir leichter überprüfen, ob die Anforderungen noch passend und zielführend sind. Wir sortieren aus, was nicht mehr sinnvoll erscheint. Aus den Erfahrungen im Projekt lernen wir, Anforderungen so zu formulieren, dass sie gut umsetzbar sind. Dazu definieren wir Standards, wie wir sie formulieren, z.B. eine „Definition of Ready“ oder Priorisierungsregeln. Weil wir besser werden wollen, passen wir unsere Standards an. Dazu nutzen wir unsere Retrospektiven.

Dieser Ansatz kann auch verwendet werden, wenn wir uns einem neuen Thema nähern. Warum tun wir etwas für wen? Was brauchen wir, damit es gelingt? Was können wir weglassen? Was lernen wir für die Zukunft? Und wie stellen wir sicher, dass wir die Erkenntnisse auch anderswo nutzen können? Wir machen 5S im Kopf. Wir schaffen Klarheit darüber, wohin wir wollen und was wir brauchen. Lernen durch Reflexion, wie wir es besser machen können.

Fazit

5S ist keine Wunderwaffe – übrigens auch keine japanische Erfindung. Aber es ist ein gutes Werkzeug, um sich immer wieder vor Augen zu führen, worauf es wirklich ankommt. Wenn der Alltag einkehrt, werden wir nachlässig. Wir fragen uns dann viel seltener, warum wir Dinge tun und was wirklich zielführend ist. 5S (im Kopf) helfen dabei wieder Ordnung, Fokus und Klarheit gewinnen. Darauf kommt es an, wenn wir die richtigen Dinge tun wollen. Öfter mal 5S im Kopf machen tut uns als Verwaltung gut, weil wir dadurch auch unser Selbstverständnis und wir Gelingensbedingungen besser reflektieren. Am Ende tun wir Dinge nicht aus Selbstzweck, sondern weil wir ein Ergebnis für jemanden liefern wollen, der genau dieses braucht.

Autor: Thomas Michl

Agilist aus Überzeugung - Lean-Enthusiast und Kanban-Fan - Veränderungsbegleiter - Dipl.-Verw.Wiss. - MBA - 🇮🇪 Irland-Fan - Mitgründer Forum Agile Verwaltung

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