Das Massachusetts Institute of Technology (MIT) hat sich in einer neueren Studie damit beschäftigt, ob die Einführung der IT in den letzten Jahrzehnten zu einem Produktivitätsfortschritt beigetragen hat. Das Ergebnis war niederschmetternd. „IT führt zu keiner Produktivitätsrevolution, so wie es von den Anbietern immer wieder propagiert wird“, heißt es in der Zusammenfassung der Studie /1/.
Die bisherigen Strategien von Bundes- und Landesregierungen zur sog. Digitalisierung der Verwaltung (Stichwort „E-Akte“) lassen befürchten, dass auch hier den Schalmeienklängen der DMS- und ECM-Hersteller auf den Leim gegangen wird und die Digitalisierung außer Kosten nicht viel bringen wird.
Seit Anfang der 2000er Jahre ist die Produktivität in den entwickelten Industrieländern nur noch sehr langsam gestiegen (siehe Abbildung).

Die Produktivitätsstatistik bezieht sich auf alle Branchen, also nicht speziell auf den Öffentlichen Sektor. Die Schlussfolgerungen daraus müssten also noch einmal anhand von spezielleren Statistiken für den Public Service überprüft werden. Aber wer in der öffentlichen Verwaltung arbeitet, kann die Plausibilität der Überlegungen anhand der täglichen Erfahrung prüfen.
Die Arbeitserleichterung durch IT führte zu einer Explosion in der Menge
Die Stagnation der Produktivität hat verschiedene Gründe, auf die hier nicht eingegangen werden muss. Wichtig ist hier nur das negative Argument: die in den letzten 12 bis 15 Jahren weiter fortschreitende Einführung von verbesserter Hard- und Software hat diesen Trend auf jeden Fall nicht aufhalten können.
Die einschlägigen Artikel der letzten Zeit führen zur Erklärung vor allem das Mengenargument an: Früher war es sehr aufwendig, ein größeres Dokument zu kopieren und an einen Kollegen zu versenden. Mit den modernen Copy-Funktionen und der Möglichkeit des E-Mail-Versands schwoll die Zahl intern versendeter Dokumente gigantisch an. /2/
Das gleiche gilt für die Besprechungsflut. „Früher war es schon schwierig, ein Meeting mit fünf Topmanagern einzuberufen. Doch mit den heutigen Kalender- und Kommunikationsfunktionen ist das mit wenigen Klicks möglich. Folglich stieg nicht nur die Zahl der Meetings, sondern auch die Zahl der Teilnehmer exponentiell an.“ /3/
Bessere Arbeitsorganisation statt mehr IT?
„Könnten bessere Regeln den Zwang zu weiteren IT-Investitionen aufheben?“, fragt Michael Mankins von Bain & Company in einem Artikel in der Harvard Business Review. „Heute stellen viele Investitionen in die neue Technologie nur Workarounds dar, um schlechte Angewohnheiten oder ungenügende Möglichkeiten des gemeinsamen Zugriffs auf Informationen beibehalten zu können. Wären zum Beispiel Kunden-, Finanz- und Vorgangsinformationen unmittelbar allen zugänglich, dann wäre die Notwendigkeit für Crowdsourcing oder den Abgleich von Datenbanken deutlich geringer. Führungskräfte sollten sorgfältig prüfen, ob sie lieber eine schlechte Angewohnheit als gegeben hinnehmen und in neue Technologie investieren wollen, um sich mit den Folgen zu arrangieren. Oder ob sie nicht eher das dysfunktionale Verhalten ändern wollen.“ /4/
Das wäre gerade unter den gegenwärtigen, nicht immer rosigen finanziellen Rahmenbedingungen in den Kommunen vielleicht eine Überlegung auch für Bürgermeister und Landräte, Kämmerer und IT-Leiter wert.
Anmerkungen
/1/ Zitiert nach: Harald Weiss: Produktivitätsparadox. Der umfassende Einsatz von IT führt nicht automatisch zu Produktivitätssprüngen, in: business impact, Heft 01/2017, Seite 26/27.
/2/ Siehe dazu auch den Post https://agile-verwaltung.org/2017/05/04/einfuehrung-der-e-akte-auf-schwankenden-grund-gebaut/ Schaubild am Ende des Artikels.
/3/ Harald Weiss, a.a.O.
/4/ https://hbr.org/2016/02/is-technology-really-helping-us-get-more-done
Hat dies auf Toms Gedankenblog rebloggt und kommentierte:
Interessante Information und spannende Anregung – branchenübergreifend!
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