Rollen, Funktionen und andere Paarprobleme …..

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Agil heisst unter anderem: in kurzen Rhythmen, ausprobieren, anschauen und anpassen, nah an Personen und Situationen auf ein Ziel, das sich nach und nach schärft, handeln und das jederzeit der tatsächlichen Situation mit allen ihren Veränderungen möglichst nahe und angemessen — deshalb agil eben.

Betriebswirtschaftliche Klassiker, d.h. Säulen und EckpfeilerBegriffe wie Funktion, Frist, Planung, Führung, Standards und so weiter, erhalten in agiler Nutzung neue Bedeutung oder werden angepasst. Manchmal ist es auch hilfreich, diese Begriffe zu ergänzen:

  • ziel- und situationsbezogene Rollen mehr als starre Funktionen,
  • nützliche Rhythmen mehr als gesetzte Fristen,
  • Leadership mehr als Führung,
  • organisatorische, situative und personenbezogene Anpassung an momentane Fragestellungen und Ziele gestalten können mehr als Planung,
  • in einem Netzwerk mehr als in linearer Linie ….

Beispiele?  Beispiele!

Letzthin hatte ich eine höchstspannende Begegnung mit einer spannenden Frau. Sie war Direktionsassistentin in einem Betrieb, der komplett und konsequent auf Holacracy umgestellt hatte. Sie war überzeugt von der neuen Arbeitsform, wenn auch noch in der Phase der Umorientierung. Sie stellte aber fest, dass ihre Kollegen – wie in gewisser Weise auch sie selbst – ihre neue Nische für ihre Funktion als Direktionsassistenz noch nicht ganz gefunden hatten. Ausserdem wurde von den Entwicklern und anderen ‚Kreativen’ instinktiv stillschweigend angenommen, dass sie als Organisations- und Planungsprofi eigentlich die alten Muster und eben Funktionen hüten würde. Sie hingegen suchte nach ihren Möglichkeiten, ihre Talente und Fähigkeiten in neuen Teams neu einsetzen zu können – situationsadäquat.

Diese Problematik stellt sich ähnlich auch für Agilität in der Verwaltung: „Einfach“ (ja, ich weiss, das ist es nicht wirklich. Einfach. Auch in anderen Umwelten nicht) auf Scrum oder Holacracy umzustellen, ist schwer schmackhaft zu machen und es ist nicht unbedingt spontan gegeben, sich bei den Produkten und Zielen der öffentlichen Verwaltung auch nur vorzustellen, wie agile Umgebung hier konkret und in Farbe aussehen könnte. Wie bei den zahlreichen Schulreformen der letzten Jahre: Viele sehen den Bedarf, dass Schule sich ändern sollte – aber kaum jemand kann sich wirklich konkret vorstellen, wie das ‚anders’ denn anders anaussehen könnte als das, was wir alle  in unserer eigenen Schulzeit erlebt haben. Selbst wenn es unerfreulich war… .
Das Zielbild fehlt. (Da haben es Entwicklerteams schon etwas einfacher.)

Lösungsansatz:  gemeinsam-erreichenWeniger in Funktionen als in ziel- und praxisnahen Rollen denken.
Was sind die Kernkompetenzen und Fähigkeiten der Direktionsassistenz?
Was kann sie, was andere vielleicht weniger beherrschen? Was ermöglicht das?
Und welche verschiedenen, wechselnden Rolle(n) kann sie damit in jeweiligen Teams und Situationen einnehmen, so dass aktuell Nutzen entsteht?

Tandems mit zwei unterschiedlichen Rollen können auf dem Weg, die Automatismen der starren Zuständigkeit, Führung und Funktionen zu verlassen, unterstützen. Den Lead eines zeitlich begrenzten (dann können sich die Beteiligten leichter darauf einlassen) Projekts, einer Projektphase oder eines Geschäftes mit einer Doppelspitze zu besetzen, kann ein Zwischenschritt hin zu zuständigen, selbstorganisierten Teams sein. Und auch hier wieder: Praxisnah und situationsadäquat. Um das Feld aufzuspannen und breit an ein Thema zu gehen eher polare Tandems (z.B. aus Stab einerseits und Linie anderseits), für Netzwerklastiges komplementäre Paarungen, die sich ergänzen und integrierend wirken können und wenn es zum Beispiel um Innovationswege geht, könnten es auch situative oder gar personbezogene Kombinationen sein. Hier liegt Spielraum.

Auch die Etappierung von Leads kann in einem Projekt Funktionen um Rollen ergänzen. Das  Team könnte zum Beispiel im Hinblick auf die verschiedenen Phasen hin so besetzt werden, dass in den unterschiedlichen Phasen unterschiedliche Personen aus dem Team mit unterschiedlichen Rollen rotierend den Lead übernehmen und die jeweils anderen ihnen, wenn sie gerade selbst nicht im Lead sind, zuarbeiten.
Für eine politische Vorlage könnte das so aussehen:

  • Für die IST-Darstellung jemand analysestarkes aus Stab X.
  • Während der Modellentwicklung des neuen Konzeptes jemand fachstarkes aus  Abteilung A.
  • Für die Redaktion der Vorlage jemand schreibstarkes, nämlich Person YZ.
  • Für die Begleitung des politischen Prozesses jemand querschnittsstarkes  vom  Amt BC
  • Und schlussendlich zur Umsetzung und Realisierung jemand umsetzungsstarkes aus der Dienststelle D, bei der das Thema im folgenden normales Tagesgeschäft sein wird.

Die Auswahl wieder mit Blick auf die reale realistische Situation und das Ziel hin.

Fortsetzung folgt…

Autor: Veronika Lévesque

Veronika Lévesque ist beim Institut für Arbeitsforschung und Organistionberatung iafob in Zürich (CH) Organisationsentwicklerin. Und Projektmensch mit einer Vorliebe für Fragen, für die es noch keine fertige Antwort gibt. Begeisterte Grenzgängerin: Unterwegs in 4 Ländern, 3 Sprachen und am liebsten in den Zwischenräumen zwischen Disziplinen. Schwerpunkte: Nutzbarmachung von Übergängen und Transformationshebammerei, Organisations- und Entwicklungshandwerk (Manufaktur, nicht von der Stange), Agile Spielfelder in nicht-agilen Umwelten, Methodenentwicklung, Umgang mit Nicht-Planbarem, Bildungssysteme vs. nicht-formale Bildungswege und 'Fehler machen schlauer.’

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