Wir sprechen teilweise in unklaren Begriffen. Zum „A wie Ambiguität“ in VUKA tragen wir unseren Teil bei. Zum Beispiel verwenden wir „Digitalisierung“ in verschiedenen Bedeutungen, einmal als Trend, einmal als Strategie. Das behindert unsere Diskussion über Strategie.
Der Umstand fiel mir auf bei einem Gespräch mit einem Kollegen, in dem wir die ganze Zeit aneinander vorbeiredeten. Hinterher überlegte ich mir, woran das gelegen haben könnte.
Ich versuche deshalb eine Systematisierung der Begriffe, und das geht am besten in Bildform.

Wir können die Verwaltung als System auffassen, das in seine Umgebung eingebunden ist. Zur Umgebung gehören die Bürger, die Wirtschaft und ihre Unternehmen, die legislative Gewalt (incl. Gemeinderat auf kommunaler Ebene – ein bisschen ein Grenzfall), die Judikative.

Die erste Bedeutung des Worts „Digitalisierung“ bezeichnet bestimmte Einflüsse, die von der Umgebung ausgehen und auf die Verwaltung einwirken. Dieser Begriff ist natürlich auch ein Bündel von Faktoren: die Verbreitung von Smartphones, Tablets und damit einhergehend von sozialen Netzwerken; Einsatz von sog. „Künstlicher Intelligenz“ und Robotik im Arbeitsleben und im Alltag; Verlagerung von Daten und Softwareanwendungen in die Cloud usw.
Für diese Bedeutungen von Digitalisierung schlage ich das Wort „Digitalisierungstrends“ vor. Es sind Entwicklungen, die erst einmal ganz unabhängig davon sind, ob es die Verwaltung überhaupt gibt und was sie tut. (Darüber hinaus gibt es auch noch „Digitalisierungstrends zweiter Ordnung“: Falls die Anwendung von Robotern im Arbeitsleben tatsächlich dazu führt, dass massenhaft Leute arbeitslos werden, dann wäre das ein indirekter Trend, der sich aus dem „Digitalisierungstrend erster Ordnung“ ergibt und natürlich auch Konsequenzen für die Verwaltungen hat).

Jetzt gibt es noch eine andere Bedeutung von Digitalisierung: nämlich die strategische Anwendung digitaler Technologien in der Verwaltung.
Wenn die Verwaltung die E-Akte einführt und dabei mehr oder weniger konsequent moderne Technologien bei sich Einzug halten lässt (Abbildung 3 zeigt u.a. als vorbildliches Best Practice-Beispiel die automatische Öffnung einer Aktenschrankschublade durch einen sprachgesteuerten Algorithmus); wenn Fahrzeuge des Fuhrparks ohne Fahrer auskommen; wenn der Bürger per App Anfragen an die Verwaltung stellen kann; schließlich wenn Geheimdienste mit ihren Trojanern dem Transparenzgedanken der Zivilgesellschaft zum Durchbruch verhelfen – dann sind dies Beispiele digitaler Transformation der Verwaltung. Diesen Aspekt würde ich gerne als „Digitalisierungsstrategie“ bezeichnen, und die steht mit dem Digitalisierungstrend durchaus in keiner einfachen Eins-zu-Eins-Beziehung.

Die Abbildung 4 zeigt in der oberen Zeile Beispiele für digitale Trends und in der linken Spalte Beispiele für digitale Strategien.
- Von den vier Kombinationen spielt diejenige «links oben», d.h. die digitalen Strategien der Verwaltung als Antwort auf digitale Trends in der Gesellschaft, ganz spontan und scheinbar natürlich die Hauptrolle. Wobei die Strategien sich meist um Übernahme (Anwendung neuer Techniken) und Anpassung («die Wirtschaft ist uns wieder mal voraus – wir müssen schnell hinterher») handeln. Das ist auch nicht per se kritisierbar.
- Aber die anderen Kombinationen kommen zu kurz, über sie wird nicht so viel geredet. Digitalisierung erscheint oft als alleiniges Spielfeld der IT und bestenfalls der Orga.
Wenn zum Beispiel in Freiburg im April 2018 ein Barcamp zum Thema „Lernräume“ veranstaltet wird, dann ist auch das eine Antwort auf einen (nicht-digitalen) Trend aus der Bürgergesellschaft, nämlich auf den Anspruch auf größere direkte Beteiligung an kommunalen Entscheidungsprozessen (Partizipation). Das Barcamp, das offensiv Social Media zu seiner Verbreitung und Organisation genutzt hat, ist demnach Teil der digitalen Strategie (Abbildung 4, links unten). - Die Vernachlässigung der Quadranten links unten und rechts oben in der Diskussion betrifft auch unseren eigenen Umgang mit unseren eigenen, verwaltungsinternen Anliegen. Wir fragen: «Wie können wir mit agilen Methoden die Digitalisierung der Verwaltung beschleunigen?» Wir fragen nur selten: «Wie können digitale Techniken uns dabei unterstützen, in digitalen Arenen zu arbeiten – also wie kann die Digitalisierung die Agilisierung beschleunigen?»
Ich bin mir nicht sicher ob die Zerlegung des Begriffs „Digitalisierung“ in verschieden Strategien wirklich etwas bringt.
Geht es am Ende nicht doch um Kommunikation? Ob nun mit Hilfe digitaler Medien oder mit anderen.
Wäre es nicht nützlich über Kommunikationsstrategien bzw. Prinzipien nachzudenken. Also beispielsweise, welche Art von Kommunikation ist innerhalb des Systems „Verwaltung“ anschlussfähig und was nicht. Ist es beispielsweise möglich sich in spezifischen Fragestellungen auf das agile Manifest zu berufen oder nicht.
Wie weit und in welcher Form reduziert eine Verwaltungsstrategie komplexe Kommunikation und in welche Möglichkeitsräume werden gleichzeitig geöffnet.
Oder etwas mehr „digitaler“. Ist es möglich und akzeptiert innerhalb der Verwaltung ein ESN zum gemeinsamen Dialog zu nutzen, oder wird Kommunikation über solche Medien von der Organisation gänzlich ignoriert oder gar verboten.
Die Entwicklung digitaler Werkzeuge und den zugehörigen Strategien kann dann auch gut und gerne an die IT übertragen werden.
Die Beobachtung einer Verwaltung durch die systemische Brille empfinde ich als sehr nützlichen. Das war auch der Impuls, welcher mich dazu veranlasst hat den Beitrag genauer zu lesen.
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