Workflow mit digitalem Mindset in Musterhausen

In der Musterhausener Stadtverwaltung arbeiten bekanntlich viele kluge Köpfe. Und doch, und doch, ist man auch in diesem sympatischen Städtchen von der Corona-Krise auf dem falschen Fuß erwischt worden. Plötzlich sitzen halbe Ämter wechselweise im Home-Office und die Kolleg*innen sehen sich oft tage- oder wochenlang nur noch in Videokonferenzen.

Für Besprechungen ist das vielleicht kein Problem, wohl aber bei einer der Lieblingsdiziplinen jeder Verwaltung: Die Mitzeichnung. Mit ihr werden die Beschlüsse von den Führungskräften freigegeben. Und diese Freigabe erfolgt auch in Musterhausen meistens noch auf Papier.

Damit sind wir beim Problem: Im Home-Office-Modus taugt Papier als Unterschriftträger nichts. Mit einem Filzstift auf dem Bildschirm unterschreiben ist keine Lösung. Was also tun?

Der erste Entwurf

Es wird also ein Mitzeichnungsworkflow benötigt, und das schnell. Aufwändige Programmierungen oder langwierige Beschaffungsprozesse scheiden damit aus; es muss genügen, was da ist. Immerhin: Die Sichtung der vorhandenen IT-Infrastruktur durch das mit der Aufgabe betraute Projektteam ist ermutigend.

Es gibt:

  • PCs an allen Verwaltungsarbeitsplätzen,
  • genügend mobile Geräte mit Anbindung an das Verwaltungsnetzwerk,
  • E-Mail-System, Office-Software und DMS.

Das Team macht sich an die Arbeit. Nach kurzer Zeit steht der erste Entwurf für den Mitzeichnungsworkflow.

Mitzeichnungsworkflow in Musterhausen, Variante 1, © Peter Bauer, Lizenz CC BY-NC-SA 4.0

Der Workflow ist sehr einfach aufgebaut:

  • Die Sachbearbeitung erstellt ganz normal einen Beschluss mit der Textverarbeitung, unterschreibt durch Einfügen einer gescannten Unterschrift und schickt das Dokument via E-Mail an die Führungskraft.
  • Die Führungskraft prüft den Beschluss. Wenn alles in Ordnung ist, unterschreibt sie ebenfalls mit einer gescannten Unterschrift und schickt das Dokument via E-Mail zur Führungskraft der nächsten Ebene. Die Prozedur wiederholt sich.
  • Nach der Schlusszeichnung muss das Dokument nur noch ausgedruckt und verschickt werden. Der Beschluss wird (eventuell nach PDF konvertiert) in das DMS eingebucht.

Bei der gemeinsamen Analyse stellt das Team fest, dass der Workflow machbar ist und auch im Home-Office funktioniert. Er hat aber auch Nachteile:

  • Wenn das E-Mail-System als Transportweg genutzt wird, entstehen an jeder Station Duplikate des Dokuments mit unterschiedlichen Ständen.
  • Es gibt keine Möglichkeit, den Stand des Workflows zu erfahren. Solange mit Papier gearbeitet wird, kann man im schlimmsten Fall wenigstens noch die Postkörbe in den Zimmern durchsehen. In Mailsystemen sind die Eingangskörbe (besonders natürlich, und aus guten Gründen, die der Führungskräfte) meistens tabu.
  • Zuletzt: Hier werden Dokumente von Station zu Station transportiert. Dem Workflow liegen noch die Denkmuster einer papiergebundenen Arbeitsweise zugrunde.

Ein einfacher Workflow mit dem DMS

Mitzeichnungsworkflow in Musterhausen, Variante 2, © Peter Bauer, Lizenz CC BY-NC-SA 4.0
  • Bei der zweiten Version wird der Beschluss ebenfalls mit der Textverarbeitung erstellt und mit einer gescannten Unterschrift versehen. Allerdings wird er hier entweder direkt in der richtigen Akte im DMS erstellt oder der fertige Beschluss wird vor dem Mitzeichnungsumlauf in die Akte eingebucht.
  • Die Sachbearbeitung schickt seiner Führungskraft aus dem DMS heraus eine Info, dass ein Beschluss zur Mitzeichnung ansteht. Der Versand der Info kann innerhalb des DMS geschehen oder via E-Mail.
  • Die Führungskraft prüft den Beschluss. Wenn alles in Ordnung ist, unterschreibt sie ebenfalls mit einer gescannten Unterschrift und informiert die Führungskraft der nächsten Ebene. Die Prozedur wiederholt sich.
  • Am Ende muss nur noch die Ausfertigung gedruckt und verschickt werden.

Das Team analysiert das Ergebnis auch hier gemeinsam und ist dieses Mal sehr zufrieden:

  • Bei diesem Workflow entstehen keine Duplikate, weil alle Bearbeitungsschritte im gleichen Dokument erfolgen.
  • Auch hier ist Home-Office kein Problem.
  • Der Stand des Vorgangs kann jederzeit eingesehen werden.
  • Zuletzt: Hier werden nur Informationen über Dokumente von Station zu Station transportiert. Das heißt, so einfach der Workflow auch gestrickt ist, ihm liegt bereits ein digitales Mindset zugrunde.

Zukunftsprojekt: Ein echter Workflow

Mitzeichnungsworkflow in Musterhausen, Variante 3, © Peter Bauer, Lizenz CC BY-NC-SA 4.0

Die dritte Variante ist sozusagen der Prozesswerkstatt vom Tisch gezogen (also noch nicht fertig):

  • Sie zeigt zum einen die Weiterentwicklung der Mitzeichnung zu einem echten Workflow. Das heißt, im DMS wird ein automatisierter Ablauf hinterlegt. Immer wenn ein Arbeitsschritt auf erledigt gesetzt wird, erhält die nächste Station automatisch eine Info, dass sie nun an der Reihe ist.
  • Im DMS sind gescannte Unterschriften für die Mitzeichnung normalerweise nicht nötig, da jeder Benutzeraktion im Hintergrund protokolliert wird. An die Stelle einer Unterschrift tritt das Anhaken eines Kontrollkästchen und eine protokollierte Speicheraktion. (Kleiner Hinweis am Rande: Man kann natürlich dennoch mit gescannten Unterschriften, digitaler Tinte, Signierpads und dergleichen arbeiten. Das bietet sich beispielsweise an, wenn der digitale Prozess im Sinne des Change-Managements nicht gleich am Anfang mit allen Gewohnheiten brechen soll).
  • Der Prozessschritt 5 zeigt exemplarisch, was man tun kann, wenn einzelne Stationen nicht innerhalb des DMS ausgeführt werden: In diesem Fall kann man natürlich ganz pragmatisch einen Arbeitsschritt via E-Mail (zur Not auch mit Papierdokumenten) ausschleifen. Wichtig ist, dass das Ergebnis des Arbeitsschritts wieder im digitalen „Trägerprozess“ landet. Hier wurde einfach mit der Assistenzkraft vereinbart, dass sie auf Zuruf die entsprechenden Arbeitsschritte im DMS vollzieht.

Autor: Peter Bauer

Architekt und Organisationsentwickler. Ich schreibe über Themen, die mich beruflich oder privat interessieren. Beruflich geht es meistens um Agilität, Organisationsentwicklung oder Dokumentenmanagement. Private Artikel drehen sich um Literatur, Film, Architektur und Japan. Ich freue mich immer über konstruktives Feedback oder blickerweiternde Widerrede. わたしは建築家 と 組織の開発者です。 ブログの主題は、だたい敏捷性と組織開発、文学、映画、建築と日本についてです。 視野を広げる建設的なフィードバックいつでも喜んで受けています。

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