Kurz nach den Sommerferien hat uns Wolf angeschrieben, ob wir uns am zweiten Barcamp in Bietigheim beteiligen wollten. Immer für Spaß zu gewinnen, habe ich natürlich die Hand gehoben und machte mich am 9. Oktober auf dem Weg.
Ich hatte was Neues in der Tasche – seit einiger Zeit interessiert mich nämlich die Frage, wie wir methodisch mit der polarisierten Gesellschaft umgehen. Als Beraterin für die Gleichberechtigung begegne ich oft Positionen, die sehr weit auseinander sind. Menschen, die für eine Anpassung der Sprache sind, und welche, die das für sinnlos halten. Menschen, die Quoten einführen wollen und welche, die diese für übertrieben halten. Menschen, die die Kinderbetreuung ausweiten wollen und welche, die den jetzigen Rahmen für ausreichend halten. Es gibt viele Möglichkeiten der Argumentation – die ich hier nicht erläutern werde – die, je nach Mensch und Gruppenkonstellation und Kontext, vereinen oder polarisieren können.
Ich wollte aber mit der Gruppe etwas Neues ausprobieren, das nicht unbedingt die Gegensätze in den Mittelpunkt stellt, sondern die Möglichkeit bietet, sich dem anderen anzunähern – im wortwörtlichen Sinne.
Die Konzeption des Workshops
Titel: „Diversität und Vielfalt im Zusammenleben“
Gruppe: Min. 5, Max. 15 Teilnehmer:innen

Zeit: Eine Runde mit drei Fragen dauert ca. 45 Minuten. Mehrere Runden sind möglich.
Voraussetzungen: Ein Raum, in der alle Teilnehmerinnen in einer Reihe stehen können. Flipchart.
Vorbereitung: Es sollen Fragen überlegt werden, die die Teilnehmenden auf einer Skala zwischen „Zustimmung“ und „Ablehnung“ beantworten können. Zum Beispiel: „Quoten in Vorständen sind eine wirksame Mittel der Gleichstellung“. Weitere Fragen findet ihr am Ende des Artikels.
Aufbau: Im Raum sollen alle Stühle und Tische weggeräumt werden. Die Teilnehmer:innen werden darum gebeten, sich im Raum zu verteilen. Es wird erklärt, dass eine Stehposition an einem Ende des Raumes (z.B. am Fenster) eine Zustimmung zum vorgelesenen Satz bedeutet, sich am anderen Ende (z.B. an der Tür) hinzustellen bedeute Ablehnung. Alle Positionen dazwischen sind auch valide und bedeuten eine Tendenz in die eine oder andere Richtung.
An einer Ecke ist ein Stuhl als „Safe Space“ aufgebaut. Hier können Teilnehmerinnen hin, wenn sie eine Frage nicht beantworten wollen.
Die Durchführung
- Eine Aussage wird vorgelesen. Die Teilnehmer:innen werden darum gebeten, sich auf der Skala hinzustellen, je nach dem, wie sie sich zu der Frage positionieren möchten. Sie haben kurz Zeit, rumzuschauen und die anderen Teilnehmer:innen wahrzunehmen.
- Zwei bis drei Freiwillige dürfen sich zu ihrer Position äußern (warum stehen sie dort?). Es werden nur Aussagen gemacht, keine Diskussionen.
- Die Teilnehmer:innen dürfen – wenn sie die Argumentation der Freiwilligen zum Beispiel überzeugend fanden – ihre Position ändern.
- Zwei bis drei Freiwillige dürfen sich zu ihrer Position äußern. Auch Menschen, die ihre Position nicht verändert haben, können hier eine Aussage machen.
Zwischen den Fragen ist es empfehlenswert, eine kurze Pause einzulegen und die Menschen aus ihren „Positionen“ zu entlassen.
Zusatzaktivität: Es ist möglich, nach jeder Aussage in die Runde zu fragen „Seid ihr eher im Dissens oder im Konsens?“ Die Ergebnisse können an einer Flipchart festgehalten werden.
Ziel
Meinungen sind nicht festgefahren. Sie entstehen im Kontext und in Beziehung zu anderen Menschen. Sie können sich durch Information, Argumentation oder durch persönliche Neigung sich verändern. Diese Methode will Menschen Meinungsvielfalt zeigen und sie dazu anregen, ihre eigene Position kritisch zu hinterfragen. Die Zusatzaufgabe kann dabei helfen, Themen zu finden, die die Gruppe verbindet und die, die die Gruppe teilt.
Weitere Beispielfragen
- Jede und jeder ist seines Glückes Schmied.
- In __(Name der Stadt/Kommune/des Unternehmens) können wir miteinander reden.
- Deutschland ist ein Einwanderngsland.
- Das Recht ist auf der Seite des Stärkeren.
- Anstrengung wird in Deutschland gesamtgesellschaftlich belohnt.
Das Format erinnert mich an den interessanten Ansatz von „13 Fragen“ von ZDFkultur.
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schau ich mir mal an!
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